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In einem prachtvoll ausgestatteten, mit Teppichen und Gemälden gezierten Zimmer saß auf einer Bergère eine junge Dame von blendender Schönheit. Sie stützte ihren Arm auf die Polster ihres Sitzes, und ihre Augen waren auf den Mann gesenkt, der ihr zu Füßen auf einer kleinen Bank saß, eine Gitarre in der Hand hielt und eine Romanze sang. Die Dame war die Marquise von Montespan, der Mann der König.
Die Gruppe war schön, recht gemacht, um verewigt zu werden, und zu diesem Zwecke saß auch Herr Teniers da, mit Staffelei und Pinseln, um ein Gemälde anzufertigen. Es sollte die Marquise vorstellen, zu ihrer Seite, als Amor, den jungen Prinzen, den spätern Herzog von Maine, den sie dem Könige geboren hatte.
Es war eine Ruhepause eingetreten. Das Kind hatte sich mit seiner Erzieherin, der Witwe Scarron, entfernt, der Maler hatte sich in die Vorzimmer zurückgezogen, und Ludwig hatte den Platz des Knaben eingenommen und war eben im Begriff, eine spanische Romanze, die er selbst komponiert hatte, der schönen Frau vorzutragen.
Die Marquise sah mit dem ruhigen Ausdruck befriedigter Eitelkeit zu ihm nieder; denn allerdings war diese Szene geeignet, ihr alles zu gewähren, was ihr Herz begehrte. Ein König zu ihren Füßen, und dazu dieser König, vor dem sich halb Europa beugte, eine Stellung, so gesichert und so ruhig ihre Ansprüche anerkennend, sie selbst im Glanze der Jugend und Schönheit – was konnte ihr zu wünschen übrigbleiben? Das kurze Gespräch, das zwischen den Strophen des Gesanges stattfand, betraf eine Frau untergeordneter Stellung, für deren Zukunft die Marquise gesorgt hatte, es war dies die Witwe Scarron, die der König, auf seiner Geliebten Bitten, zur Erzieherin seines Kindes berufen und mit jährlichen Einkünften versehen hatte. Die bescheidene, im Rufe großer Sittenstrenge lebende Frau verdiente beides. Immer von neuem ließ sich die Frau von Montespan von dem Gegenstande des Gesprächs ablenken durch schöne und zärtliche Partien des Gesanges. Sie mischte zuletzt ihre Stimme mit der des Königs, und beide sangen den Schlußvers.
Der hereintretende Maler blieb an dem Teppich des Eingangs stehen und mußte den Wink des Königs abwarten, um näher zu treten. Er tat es und setzte sich wieder an seine Staffelei. Zu gleicher Zeit kamen Frau Scarron und der kleine Knabe, der den König an seinem Platze ablösen sollte und sich mit ihm im Zimmer herumjagte, bis dieser ihn ergriff und ihn auf den Stuhl niedersetzte, ihm ernstlich befehlend stillzusitzen.
Während der Maler malte und der Knabe und seine Mutter saßen, unterhielt sich der König mit der Scarron, die hinter dem Platze der Marquise sich umherbewegte, einiges anordnend und zurechtsetzend.
Diese Unterhaltungen störten ein wenig die Frau Marquise, die ein ziemlich lautes Zischen hören ließ, um die Lebhaftigkeit des Gesprächs zu dämpfen.
»Wie finden Sie, Madame,« fragte der König leiser, »meine neue Schwägerin?«
»Ich habe sie noch nicht gesehen!« erwiderte die Gefragte, »doch sagt man mir, daß sie das Glück hat, Eurer Majestät zu gefallen.«
»In der Tat,« bemerkte der König; »ich entdecke an ihr ein gutes, ehrliches Gemüt.«
»Bei wem?« fragte die Marquise.
»Es ist von der Herzogin von der Pfalz die Rede,« erwiderte der König.
»Auch ich wünsche sie zu sehen,« sagte Frau von Montespan. »Hat man ihr nicht gesagt, daß ich um diese Zeit sichtbar bin?«
Ein Page öffnete den Vorhang der Türe und trat herein. »Madame d'Orleans!« meldete er. Der König erhob sich rasch, ging gegen den Eingang und empfing dort die Angemeldete, deren Damen draußen blieben, während sie am Arm des Königs eintrat.
In der kurzen Zeit, wo vor der Türe die Begrüßungen stattfanden, wechselte die Favoritin einen spöttischen Blick mit Madame Scarron, die sich in den Hintergrund des Zimmers zurückzog. Madame von Montespan fand es nicht für nötig, sich aus ihrer Stellung zu erheben, während eine Prinzessin von Geblüt kam, um ihr einen Besuch zu machen. Mit der entzückenden Freundlichkeit, die ihr eigen war, wenn sie es wollte, erhob sie sich halb aus ihrer liegenden Stellung, und indem sie eine Handbewegung machte, die voll Demut und mit sehr deutlicher Phrase zu verstehen gab, wie unendlich schmeichelhaft ihr der Besuch der Prinzessin war, entschuldigte sie sich mit Unwohlsein, das sie von allem ausschloß, und empfing den vertraulichen Gruß der Prinzessin, die der König selbst an die Liegende heranleitete.
Es waren nur wenige Minuten, die beide Frauen miteinander sprachen, und es waren nur herkömmliche Redensarten, in die der König sich nicht mischte, die sie miteinander austauschten, dann empfahl sich die Herzogin wieder, indem sie zuerst dem König und dann der Marquise eine Verbeugung machte. Ihre Damen nahmen sie im Vorzimmer in Empfang, der König leitete sie hinaus. Er kehrte wieder und sah es sogleich an den Mienen seiner Freundin, daß ihr der Besuch nicht gefallen hatte. Anfangs herrschte Stillschweigen, dann fragte die Marquise, halb zum König, halb zur Scarron gewendet: »Wie alt mag sie sein?«
Die Scarron riet auf dreißig.
»Sie ist noch nicht zwanzig,« rief der König lachend. »Man sieht, wie schlecht Sie sich auf die Beurteilung einer Ihnen mißfälligen Dame verstehen.«
»Mißfällig?« fragte die Montespan, es überhörend, daß der König zur Scarron gesprochen, »sie ist mir nicht mißfällig. Aber daß sie eine Deutsche ist, sieht man auf den ersten Blick! Sie hat etwas zum Erschrecken Fremdartiges! Auch sind ihre Manieren nicht die, wie wir sie gewöhnt sind.« Dabei machte die Marquise die Mundbewegung der Prinzessin nach, und so gut, daß der König lachte.
»Sie dürfen sie nicht in Ihre Werkstatt nehmen!« rief er, »da könnte eine schöne Figur mehr in Ihre Sammlung geraten.«
»Wenn nur Monsieur mit ihr zufrieden ist!« sagte die Montespan; »ein anderer hat ja eigentlich nichts zu sagen.«
»Und er ist mit ihr zufrieden,« sagte der König mit Bestimmtheit; »ich weiß es, er ist es.«
»Daß sie ihm nicht, wie seine erste Gemahlin, Streiche spielt, könnte ich verbürgen,« rief lachend die Marquise. »Wenn man so aussieht, kann man seine Vogelstange mit Leim überziehen soviel man will, man fängt doch nichts.«
Alle drei lachten. Ein Page kam und meldete etwas. Der König erhob sich, und der Frau Marquise die Hand küssend, entfernte er sich. Die beiden Damen blieben allein.
»Nun, was sagen Sie, Scarron?« fragte die Dame, die plötzlich aufstand und im Zimmer auf und ab zu wandeln anfing.
»Man muß sie in Zucht nehmen!« rief die Witwe, »und damit werden Sie sich beschäftigen, Madame. Fürs erste hat sie etwas zu Hochmütiges in ihrem Auge. Sie muß erfahren, wen sie vor sich sieht, diese kleine Deutsche.«
»Meinen Sie? Ich glaube es auch!« rief die Dame. »Ich will heute an den Hof gehen, um ihr zu zeigen, daß mein Unwohlsein nur Sache der Bequemlichkeit und Laune war. Ich will ihr zeigen, daß ich ihren Besuch bei mir gefordert habe.« –