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Gutzkows «Uriel Acosta»

«Uriel Acosta» hat vermöge der ernsten Idee, der tragischen Gewalt und der edlen, fleißigen Ausführung ein Recht, unter die Klassikervorstellungen eingereiht zu werden. Diese Tragödie ist ein lehrreiches Werk, zumal wenn es in solche erlauchte Gesellschaft gerückt wird, wo die Vergleichung unausweichlich ist. Obschon wesentlich ein Schuldrama, da die Handlung durch ein zum voraus fertiges unabänderliches Schema geleitet wird, und zwar durch ein Schema von abstrakten dramaturgischen Prinzipien, welche aus Schiller, Shakespeare und Aristoteles gemeinsam abstrahiert wurden, bleibt Gutzkows bedeutendstes Werk dennoch in mancher Hinsicht mustergültig, namentlich in Hinsicht auf den theatralischen Effekt der Szene. Um die dramatischen Wirkungen des zweiten, dritten und vierten Aktes darf man Gutzkow beneiden, und wenn das deutsche Schuldrama ein halbes Dutzend «Uriel Acosta» aufzuweisen hätte, würde es schwerlich dem Mißkredit anheimgefallen sein. Leider steht es vereinzelt in der Wüste da, als Wahrzeichen des höchsten möglichen Zieles in dieser Richtung. Was man auf Schillers Spuren in der Tragödie mit Talent, Geist, Geschick, Fleiß und Glück ohne eine zwingende Persönlichkeit erreichen kann, ist in «Uriel Acosta» erreicht. Der landläufigen unberufenen, leichtfertigen Tragödienschnitzerei gegenüber schreitet das Werk wie ein Riese dahin, trotz der kläglichen Schwäche des letzten Aktes, während es anderseits vor Schiller klein erscheint. Dermaßen liefert es uns einen Maßstab für Schillers gigantische Verhältnisse, ähnlich wie das Stockhorn uns die Größe der Jungfrau schätzen lehrt.


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