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«Alessandro Stradella»

Das Interessanteste an «Stradella» ist die eigentümliche Verwendung des Lokalkolorits. Das Streben nach Lokalkolorit ist nämlich sehr stark und sehr fleißig; zugleich vielseitig, nicht bloß auf die Volksweisen, sondern mehr noch auf italienischen Kunstgesang hindeutend. So finden wir neben dem bekannten aufdringlichen Zitat aus dem Titelkomponisten noch hie und da eine hübsche historische Reminiszenz, zum Beispiel die schönen Turteltöne in der Begleitung des Ständchens, glücklich dem altitalienischen Gesange abgelauscht; außerdem eine Menge von Velleitäten, den neuern italienischen Opernstil nachzuahmen. Da nun aber Flotow eine reiche Fülle von eigenen Erfindungen, ja sogar halbwegs etwas wie eine Persönlichkeit besitzt, so mußte natürlich der Versuch scheitern; «Stradella» ist so wenig italienisch wie «Indra» spanisch oder «Martha» englisch, sondern flotowisch. Das wäre sogar ein Vorzug zu nennen   ist doch «Don Juan» wahrlich auch nichts weniger als spanisch  , wenn nur Flotow nicht gar so schreckliche Trivialitäten mit untermischen wollte. Neben Stellen, die gemein waren, längst ehe sie Gemeinplätze wurden (das Abruzzenlied!), entzückende Erfindungen im großen und kleinen, dazu ein gewisses Tempo, neckische, tänzelnde und schwebende Rhythmen von feinster Anmut (charakteristisch für Lortzing, Kreutzer und Flotow, bei Flotow am schönsten in der reizenden Zigarettenszene der «Indra», aber auch in «Stradella», zum Beispiel: Einleitung der Räuberszene), so wird man immer zwischen Freude und Abscheu hin- und hergeworfen. In solchen Konfliktsfällen jedoch soll man immer die weiße Kugel in die Urne werfen, das Gute genießen und verdanken, das Häßliche mit zugehaltenen Ohren über sich ergehen lassen. Wäre es auch nur der wunderbare Flötenrefrain in der Räuberszene oder die Klarinetteneinleitung samt dem Begleitungsmotiv der Violinen im Ständchen, so hätten wir einen Aktivsaldo für «Stradella». Nämlich wahrhaft Schönes überwiegt allemal, selbst in kleinster Dosis, weil das Schöne bleibt, das übrige aus dem Gedächtnis schwindet.


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