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«Oberon»

Wenn man in «Euryanthe» einen ‹unerschlossenen Wagner› gefunden hat, so glaube ich in «Oberon» einen zugedeckten Wagner zu bemerken; es ist, als ob Weber die neueste Evolution der Musik vorgeahnt hätte und nun durch «Oberon» entgegnete: «So hatte ich es nicht gemeint.» «Oberon» ist undramatisch, wofern man ihn mit Theorien mißt, aber hochdramatisch, wenn man nach der Wirkung urteilt. ‹Undramatisch› ist schon, von der Ouvertüre gar nicht zu reden, die berühmte Ozean-Arie; eine überflüssige und nicht enden wollende Solodeklamation   und doch: was für eine Kraft! was für eine Spannung! ‹Undramatisch› ist ferner das Prachtstück des Hüon im ersten Akt; eine unverhohlene Bravour-Arie, mit einem schmelzenden, süßen Adagio, umrahmt von den bramarbasierenden Koloraturen   und doch: welche Männlichkeit! welche imponierende Heldenhaftigkeit!

Ganz erstaunlich ist die Spannweite, wenn ich mich so ausdrücken darf, der Musik im «Oberon». Auf der einen Seite reicht hier Weber an die Duftigkeit des «Sommernachtstraums» (in den Elfen- und Nixenchören), ja sogar an den himmlischen Wohllaut der «Zauberflöte» (in dem entzückenden Gartenterzett des dritten Aktes); die Innigkeit der Wehmut in den Romanzen wissen wir mit nichts anderm zu vergleichen. Auf der andern Seite wetteifert der Meister an düsterer Glut der Leidenschaft siegreich mit dem Besten, was die neuere Musik hervorgebracht hat. Und mit was für einfachen Mitteln! Der Gewittersturm mit der Ozean-Arie, die Instrumentalintroduktion zum dritten Akt und manche anderen Nummern sind herrliche Muster dafür, wie man titanische Kraft mit olympischer Ordnung verbinden kann.

Von der Ouvertüre wollen wir schweigen; dieses geniale Werk ersten Ranges bedarf keiner Worte, um so weniger, als unsere Leser innig mit demselben vertraut sind.


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