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«Die Zauberflöte»

Gegenüber der Selbsttäuschung, zu welcher die Bildungspflicht den modernen Menschen so leicht verführt, so daß schließlich der einzelne kaum mehr den unmittelbaren Genuß von dem anerzogenen Respekt zu unterscheiden vermag, verkündet, der Zug des Herzens doch immer wieder die Wahrheit. Es gibt Kunstwerke, vor welchen jedermann den Hut abzieht, während er ihnen zugleich aus dem Wege geht, sobald er eine schickliche Entschuldigung gefunden; anderen eilen wir entgegen, und ihre bloße Ankündigung erfüllt uns schon mit Seligkeit. Zu den letztern zählt die «Zauberflöte» mit ihrem heiteren, sonnigen Reichtum. Trotz der Allbekanntheit einiger Liedernummern bleiben da bei jeder Neuaufführung immer noch eine Menge entzückender Überraschungen übrig. Ist doch in der «Zauberflöte» jeder erdenkliche Stil vertreten, vom Couplet bis zur pathetischen, archaistischen Koloraturarie, vom musikalischen Spaß bis zur Fuge; ja manche Stellen, unter ihnen die herrlichste Nummer des ganzen Werkes, nämlich das Trio im Finale des dritten Aktes, enthalten sogar Prophezeiungen auf den modern-italienischen Opernstil. Und in der symphonischen Figuration, was für eine ununterbrochene Anregung zum denkenden Vergleichen neben dem Genuß! Eine Figur der Bildnisarie weist auf den zweiten Satz der G-Moll-Symphonie; in dem ersten Verzweiflungsausbruch des Papageno gemahnt die Fagottbegleitung an ein Motiv aus dem geisterhaften Finale des «Don Juan», woraus zu ersehen ist, daß Mozart ebenso unbedenklich wie später Rossini das nämliche Thema für tragische wie für komische Zwecke verwertete   und so weiter von Nummer zu Nummer Aufschlüsse und Anregungen, blitzartig aufflammend und mit ihrem raschen Vorübereilen die Sehnsucht nach wiederholter Anhörung weckend.


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