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«Undine»

Dem reizenden Dichtermärchen, welches der Oper «Undine» zugrunde liegt, kommt dieselbe Unverwüstlichkeit zugute wie andern echt poetischen Gebilden, zum Beispiel Scheffels «Trompeter». Wir können zwar nicht umhin, uns an einer Metaphysik mit nürnbergischem Lokalkolorit, an der seltsamen Verquickung von Fischern, Rittern und Pfarrern mit hydrologischen Allegorien, von welchen eine sogar eine Diplomatenrolle übernimmt, zu stoßen; allein was deckt und beschützt nicht das Wörtchen ‹romantisch› und was kann uns einen wahren Phantasieausbruch verleiden? Lortzing stand angesichts des Textbuches vor der Doppelaufgabe, das zarteste Geisterweben zugleich mit der derbsten realistischen Possenhaftigkeit musikalisch darzustellen. Er ist dieser Aufgabe nach beiden Seiten hin mit hohen Ehren, aber nicht mit gleichem Erfolg gerecht geworden; aus dem duftigen Feenspiel klingt die Reminiszenz hervor, während an Ursprünglichkeit in der Behandlung der realistischen Komik kein anderer deutscher Komponist Lortzing übertroffen hat. Kein Wunder, wenn der komische Teil des Textes einen überwiegenden Akzent gewinnt, wenn die Kneipspässe und Trinklieder der «Undine» einen so breiten Platz einnehmen, daß es mitunter scheint, es handle sich weniger um eine Wassernixe als um eine Biernymphe.

Von der großen Popularität, deren sich einst die «Undine» als nicht unwürdiger Nachkomme des alten deutschen Singspiels erfreute, ist hauptsächlich die Anziehungskraft der szenischen Verwandlungen übriggeblieben; der Rest erscheint einer Zeit, die an lebhaftere Entwicklung der Handlung und keckere Bewegung der Chöre gewöhnt ist, etwas zu gemütlich. Die ‹feuchte Fröhlichkeit› eines Scheffel hat der feuchten Sentimentalität der «Undine» Abbruch getan; auch kehrt man von Wagner nicht ohne Überwindung zu einem weiblichen Lohengrin zurück.


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