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«Der Freischütz»

Die unvergleichliche Anziehungskraft, welche der «Freischütz» behalten hat, einzig aus dem nationalen Hauch im Textbuch und dem populären Geist der Melodie erklären zu wollen, wäre wohl kein geringer Irrtum. Unter und zwischen den einfachen, innigen Liedern, an welche man zunächst beim Namen «Freischütz» zu denken pflegt, waltet nicht bloß Genie, was jedermann fühlt, sondern auch das feurige, leidenschaftliche Temperament einer gebieterischen Individualität, und zwar einer künstlerisch hochgebildeten Individualität, die sich durchaus nicht verpflichtet glaubt, um des nationalen Stoffes willen den fremden höhern Arienstil und die komplizierte Technik des Orchestersatzes in die Kommode zu legen. Ja ich möchte die Behauptung wagen, daß nicht in den ‹nationalen›, sondern in den pathetisch-leidenschaftlichen Teilen des «Freischütz» seine wahre Größe und seine Dauerhaftigkeit liegt. Darüber läßt sich natürlich streiten, und ich will meine Ansicht niemand aufdrängen. Immerhin erlaube ich mir, darauf aufmerksam zu machen, daß zwischen dem «Freischütz» und dem «Nachtlager» nicht bloß ein Wert-, sondern auch ein Wesensunterschied besteht und daß nicht die deutschesten Darsteller den «Freischütz» am besten wiedergeben, sondern diejenigen, die überhaupt am besten singen können, und wären es Italiener; daß endlich eine Vorstellung des «Freischütz» um so schwächer und matter ausfällt, je mehr sie auf das Volkslied zielt, dagegen um so eindrucksvoller und spannender, je mehr der musikalische Leiter die Leidenschaft, das Feuer, die Kompositionstechnik und die willenskräftige Persönlichkeit des Erfinders zur Geltung gelangen läßt. Webers charakteristisches Tempo ist jedenfalls das Brio, ein Brio, wie es in der Musik kaum seinesgleichen hat, und der «Freischütz» bleibt, man mag ihn nun deuten und symbolisieren wie man will, doch schließlich eine Oper von Weber.


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