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Kapitel 296

Auf dem Balkon der zweiten Tür: Unsere Sonnenwelt und ihre Bewohner. Dritter Balkon: Die Mondwelt und ihre materiellen Bewohner. Die vierte Tür zeigt eine Mittelsonne. Von der technischen Einrichtung dieses himmlischen Wunderkaninettes als ein geistiges Diorama mit himmlischer Optik

1 Alle treten nun wieder in's Gemach, und die erste Türe an der abendlichen Wand steht schon offen, ohne daß sie jemand eigens mit der Hand geöffnet hätte. Das ist für unseren Robert schon wieder ein neuer Stein des Anstoßes, und er fragt Mich sogleich um die allfällige mechanische Einrichtung, durch welche die Türen wie von selbst geöffnet wurden.

2 Ich aber sage zu ihm: »Freund, kannst du dir denn noch immer keinen vollkommenen Begriff von der Allmacht Meines Willens machen?« – Sagt Robert: »O vergib mir, bester Vater! Siehe, bei Deiner gar so großen Freundlichkeit und unglaublichsten Herablassung vergißt man oft ganz, daß Du allmächtig bist. Aber nun ist schon alles wieder in der schönsten Ordnung, und die Mechanik der von selbst aufgehenden Türe ist mir nun völlig klar.«

3 Auf die Erwiderung Roberts treten wir sogleich in die Türe und vor den Blicken der neuen Bewohner des himmlischen Jerusalems dehnen sich unabsehbare Ländereien aus. Große Ströme durchfluten diese unabsehbar weit gedehnten Ländereien und ihre Gewässer strahlen stärker denn alles Licht der Erdsonne auf einen Punkt zusammengedrängt. Überaus große und prachtvollst bestellte Gärten werden nach und nach bei größerer Gewöhnung an das starke Licht der Ströme ersichtlich, und in der Mitte solcher Gärten erglänzen die großartigsten Prachtgebäude, in denen die Menschen dieser Lichtwelt zu wohnen pflegen. Über den Lichtströmen aber sieht man überaus mächtig strahlende Menschengestalten schweben; ihre Formen sind unbeschreiblich schön. Robert und noch einige halten sich die Hand vor die Augen, weil sie den zu mächtigen Lichtglanz nicht ertragen können und fragen Mich, was denn das etwa für eine Welt sei.

Am 19. Dezember 1850

4 Sage Ich: »Das ist eine Mittelonne, um die in weiten Kreisen Millionen von kleineren Planetarsonnen bahnen. Ihre anziehende Kraft ist so groß, daß sie alle die Millionen Planetarsonnen samt ihren Planeten in den vorgezeichneten Bahnen erhält, und noch mehrere eben mit der gleichen ungeschwächten Kraft erhalten könnte. Was ist aber alle solche Kraft gegen die Kraft eines der geringsten Meiner Kinder! Ich sage euch: Sonnenalle sind ein Spielzeug zum Tändeln in den Händen Meiner Kinder. Nun wisset ihr, was ihr nun schauet; und da ihr dieses nun wisset, so wollen wir den Balkon wieder verlassen und zur zweiten Türe dieser abendlichen Wand übergehen.«

5 Sagt Robert: »Herr und Vater! so ein bißchen möchte ich denn doch von der Möglichkeit einen Begriff haben, wie denn das bestellt ist, daß man hier von jeder Türe nun einen eigenen großen Weltkörper ersieht, und doch steht eine Tür von der anderen nur einige Schritte ab. Wie ist das möglich? Wie können solche Weltkolosse nebeneinander bestehen, und das auf einem Raume von wenigen Schritten? Herr! ich bändige meine Geduld, was ich nur immer kann, aber es nützt leider nichts. Ich muß da ein kleines Lichtlein bekommen, sonst werde ich sogar hier im Reiche des vollkommensten Lebens krank.«

6 Sage Ich: »Nun, nun, krank sollst du denn doch nicht gerade werden; und das für's erste, weil hier eine Krankheit rein unmöglich ist; und für's zweite, weil Ich dir nun denn doch darüber ein kleines Lichtlein geben will, und so höre denn! – Du hast schon ehedem von einem geistigen Diorama etwas erwähnt, und so denn sage Ich dir, es ist dies auch solch ein geistiges Diorama, das aber freilich auf ganz anderen optischen Grundsätzen beruht als irgend ein irdisches.

7 Siehe, jede dieser Türen ist gewisserart ein geistiger Hohlspiegel. So die Tür aufgemacht wird, so ersiehst du das, was einer gewissen ewigen Ordnung nach in deinem eigenen Herzen in kleinster Form, aber dabei doch in vollendester, wohnet. Trittst du nun vor einen dieser Hohlspiegel, so ersiehst du den höchst vergrößerten Wiederschein dessen, was nach einer genauest berechneten entsprechenden Ordnung sich aus deinem Vorrate auf der reinsten Fläche des Spiegels gewisserart abspiegelt. Der Spiegel ist hier aber nicht etwa wie auf der Erde ein Glas, sondern eine reinste Himmelsluft, die also geglättet ist, daß sie für den rechten Bedarf eine hellste Wand bildet, an der das wiederstrahlt, was bei ihrer eigensten Konstruktion von ihr der Ordnung nach aufgenommen werden kann.

8 Auf der Erde gibt es freilich wohl nichts Ähnliches. Die sogenannten Fata Morganas wären wohl nebenbei in irgend eine Betrachtung zu ziehen; sie sind wohl auch Luftspiegelungen; aber sie stehen dennoch in allem diesen Spiegelungen himmelweit nach; denn sie nehmen jedes Objekt auf, was sich ihnen vorstellt; diese hier in Meinem Hause aber nur, was ihnen entspricht. Etwas ähnlicher wäre wohl die verschiedene Farbenreflexion durch einen prismatischen Spiegel, wo eine bestimmte Fläche bei gleicher Wendung nur entweder eine rote, gelbe, blaue, grüne usw. Farbe zurückwirft. Was aber solch ein Spiegel mit den freilich formlosen Farben tut, das tut ein solcher Spiegel hier mit den Formen, die aus dem Herzen der vor ihm stehenden Engelsgeister auf seine Fläche überstrahlend eben seiner eigens konstruierten Fläche zur Wiederstrahlung entsprechen.

9 So Ich nun diesen oder auch einen anderen Spiegel destruieren (wegnehmen) will, so wirst du durch solch eine Türe nur das sehen, was natürlich dies mein Haus, das nach allen Seiten hin in der Mitte der großen Stadt frei ist, zunächst umgibt; denn das gewöhnliche Schauen und Sehen beruht hier auf denselben Grundsätzen, wie das Schauen und Sehen auf der Erde, nur natürlich in der höchst reinsten Potenz.

10 Da aber solch ein Spiegel durchaus keine feste Wand bildet, so ist allda die Einrichtung also getroffen, daß ein jeder Geist im Falle der Notwendigkeit auch alsbald auf jenen wirklichen Weltkörper in größter Gedankenschnelle hingelangen kann, den er im Spiegel ersieht. Das geschieht auf dem Wege eines himmlisch geistigen Rapportes; wie aber dieser beschaffen ist, und wie er bewerkstellig wird, das, Mein lieber Freund, wird dir alles mit der Weile klar werden. Nun, wie sieht es nun mit deiner Krankheit aus? Meinst du etwa wohl noch, daß dich noch so ein Ungeduldsfieber packen wird?«

11 Sagt Robert: »O Herr und Vater! Du Liebe aller Liebe! Jetzt ist schon wieder alles in der schönsten Ordnung. Ich bin nun schon wieder um tausend irdische Unterrichtsjahre weiser und verständiger. Dir allein alle unsere Liebe und Anbetung ewig.« – Sage Ich: »Nun denn, so es dir nun leichter ist um's Herz, da gehen wir sogleich in die zweite Türe; sehet, sie ist schon geöffnet!«


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