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Kapitel 210

Des Herrn Aussagen über die Gottes Wunder. Von der Erziehung und Führung der Erdmenschen. Vom Wesen Gottes und vom Wesen des Menschen. Der Dynast erkennt den Herrn als den Weisesten, seine Ansicht von Christus, sein ehrlich gutes Prinzip. Die gute Rede Rudolfs I. an seine Kinder

Am 29. Juni 1850

1 Rede Ich: »Freund, was ein Wunder auf dich für einen Eindruck machen würde, das weiß wohl nur Ich am besten; daher solle dir auch keines gezeigt werden! Daß übrigens die gesamte materielle Schöpfung, die Erhaltung und Führung derselben allerdings ein bleibend großes Wunderwerk göttlicher Macht und Weisheit ist, das die Bewohner der Erde tagtäglich schauen und bewundern können, das ist in jedem Falle wahr und richtig. Aber weil die Bewohner der Erde wie aller anderen Weltkörper eben solche Wunder schauen, die daselbst freilich wohl die sprechendsten Gotteszeugen sind, so müssen sie aber auch in diesen Wundern sterben dem Fleische nach, das eben auch ein gleiches Wunder ist.

2 Jedes Wunder ist für die dasselbe beschauende Seele ein Gericht, von dem die Seele nur durch die Macht der möglichst größten Selbstverleugnung wieder befreit werden kann. Nun aber kann diese nur in dem bestehen, daß der Seele alles, was nur immer nach einer Nötigung den leisesten Geruch hat, hinweggenommen wird. Diese Hinwegnahme aber ist eben das, was ihr das Sterben oder den Tod des Leibes oder der Materie nennet.

3 Es muß aus der Seele alles hinaussterben und hinwegsterben, was nicht des Geistes ist; denn so lange irgend eine äußere Nötigung die Seele noch in einigen Lebensfibern gefangen hält, kann der freie Gottesgeist sich nicht in ihr völlig ausbreiten und die Seele frei machen von jeglichem Gerichte.

4 Die Gottheit an und für sich kann freilich wohl, um eine Seele zur Überzeugung zu bringen, Wunder wirken; aber diese Wunder, da sie nur von außen her auf die Seele einwirken können, binden und knebeln dann die Seele aber auch derart, daß diese an eine freie Bewegung sich gar nicht mehr erinnern kann, die doch die alleinige Bedingung des Lebens vor Gott ist; daher muß dann die Seele in einen solchen Zustand kommen, in welchem sie aller Äußerlichkeit ledig wird, auf daß in ihr dasjenige Gott ganz gleiche Wesen, das ist der Geist, sich ausbreiten kann, und die Seele für ewig als beständig zeihen vor Gott; denn Gott gegenüber kann nichts bestehen, als nur das, was selbst Gott ist. –

5 Verstehst du nun, warum ich dir Wunder vorenthalte? Sieh, wenn Gott in die schon vernünftige und einsichtige Seele nicht den Geist gelegt hätte, so könnte sie keinen Augenblick bestehen als ein freies Wesen; es würde ihr ergehen wie einem Wassertropfen auf weißglühendem Eisen; die Tiere aber müssen eben darum ganz dumm und nahe ohne alle Erkenntnis einhergehen, weil sonst ihr Bestehen eine Unmöglichkeit wäre. Verstehst du solches?«

6 Sagt der Dynast: »Ja, Freund, mir kommt es vor, als sollte ich's verstehen, und doch verstehe ich es nicht; denn derart Dinge zu begreifen, dazu gehört mehr, als das man einige Jahre auf der Erd' die Krone und das Zepter getragen hat. Übrigens aber sehe ich das nun sehr wohl ein, aus was für einem Grunde Du der eigentlich erste Deiner kleinen Gesellschaft bist. Denn Du bist bei weitem der Weiseste unter ihnen; Du kennst die Natur dieser Geisterwelt und der Materiewelt aus dem Salze, und siehst die wechselseitigen Beziehungen wohl bestens ein; das muß man offen gestehen; ob aber deshalb Du auch schon Christus der Herr Selbst bist? das ist wieder eine leider freilich wohl ganz andere Frage.«

7 Weißt du nicht, daß man als rechter Christ behutsam sein muß mit der Annahme, daß da ein jeder, der weise ist und vielleicht auch einige Wunderzeichen zuwegebringt, Christus sei? Heißt es doch in der Schrift: »Es werden aber in der Zeit viele falsche Propheten aufstehen und werden Zeichen tun und sagen: »Sieh, hier ist Christus oder dort ist Er!«, aber glaubt es ihnen nicht! Denn des Menschensohnes Ankunft wird sein wie ein Blitz, der da vom Aufgang bis zum Niedergang fährt. Auch wird die Ankunft des Herrn sein wie die eines Diebes zur Nachtzeit!« – die freilich etwas fatal sein möchte. Denn ein Dieb tut nicht Gutes, so er heimlich in ein Haus kommt!

8 Und so, mein Freund, mußt du uns schon zugute halten, so wir mit der Annahme, daß du Christus seist, etwas zaudern. Übrigens haben wir alle gegen die übergroße Weisheit deines Geistes nicht das geringste einzuwenden. Mit den Wundern wird es sich schon so verhalten, wie du es gesagt hast, ebenso auch mit der Materie der Außenwelt. Aber daß du deshalb schon Christus bist, weil du alles uns erklären kannst – das anzunehmen wäre etwas Gewates. Petrus, Paulus, Johannes, Jakobus, das geht alles an; aber Christus? – Freud, da hört aller Scherz auf!«

9 Rede Ich: »Ich verlage das gar nicht, da es völlig genügt, so ihr Christum als Gott und Herrn aller Welten und aller Himmel bekennt. Aber ihr müßt darüber untereinander beraten und fest bestimmen: ob alle Christus als Gott, Herrn und Vater in ihrem Herzen anerkennen, und ob alle hier in dieser Gruft uns folgen wollen um Christus des Herrn willen! Alle andern, die ihr hier seht, sind uns darob gefolgt und werden ihr Heil finden. Tuet desgleichen und ihr sollt auch darob das eurige finden!«

10 Sagt der Dynast: »Gut, das wollen wir gleich in Vollzug bringen! Geht es, so ist’s gut, und geht es nicht vollkommen, so wird es doch unvollkommengehen!«

Am 1. Juli 1850

11 Hierauf wendet sich der Dynast an die gesamten Familiengruftbewohner und sagt: »Ihr alle habt es vernommen, was dieser Freund hier geredet hat, und ich brauche es euch deshalb nicht zu wiederholen; ich aber bin der Meinung, indem wir hier wahrhaftig je fernerhin etwas zu gewinnen und an diesem unserem Zustande noch um vieles weniger zu verlieren haben, so sollten wir gut gläubig den Antrag annehmen. Beratet euch deshalb, und gebet mit eurer gesamten Einstimmung mir euren Willen und Entschluß kund, und wir werden dann entweder diesen Ort auf immer verlassen oder aber auch, was sehr traurig wäre, Gott weiß es, wie lange noch in diesem wahrlich nicht angenehmen Orte verbleiben. –

12 Ich war und bin noch ein fester Christ, und meine Losung war stets: Christus oder alles ist verloren. Und so glaube ich denn auch jetzt: Christus müssen wir um jeden Preis des Lebens uns zu erringen streben; denn ist Der nicht unser, oder solle Er nach einiger Meinung uns auch bloß nur eine Fabel sein, dann sind wir die allerunglücklichsten Wesen. Denn wer ist dann Gott, und wie, wann und wo? Wann aber Christus Gott ist und ein Herr Himmels und aller Welt, so haben wir an Ihm einen sichtbaren, ewigen Vater voll Liebe, Güte und Erbarmung, Der seine Kinder nicht so leicht verstößt, als ein irgendwo seiender allmächtiger gerechtester Gott allein, in dem wohl die höchste Weisheit sein müßte, aber keine Vaterliebe und keine Erbarmung.

13 Ich, der erste aus Habsburg, aber denke so, und habe bei mir stets so gedacht: – »Wer in sich selbst voll Stolzes und Hochmutes ist, der will auch einen allerhöchst stolzen und hochmütigsten und allerunzugänglichsten Gott, eine Sünde des Stolzen, die manchmal auch meine Seele beschlichen hat. Aber dieser weiseste Freund hat mir ehedem begreiflich gemacht, worin die Unzugänglichkeit des Lichtes besteht, in welchem Gott wohne, nämlich in der Demut und unbegreiflich tiefsten Herablassung Gottes, die dem Stolzen ein Greuel ist. Und ich sage nun nach meiner eigenen Denkweise: Mea culpa, mea maxima culpa! Ich war einst als Kaiser auch in der Werktat so, obschon ich immer den Hauptgedanken hatte, daß nur der Stolze und Hochmütige sich Gott also denkt; aber nun ist der Gedanke in mir zur Wahrheit geworden, und ich mache euch allen meinen irdischen Kindern den Antrag, diesem gutem Freunde zu folgen. Er sagt von sich Selbst aus, daß Er Christus sei; allein das lassen wir aber unterdessen noch. Möglich ist alles; aber des Evangeliums wegen, das in der Hinsicht die möglichst größte Behutsamkeit anratet, wollen wir diese Sache noch sehr scharf prüfen. – Also was dünket euch? ihr meine lieben Freunde und irdischen Kinder, was werdet ihr tun?«

14 Sagt einer aus der Mitte: »Ich und wir wissen's, daß du Rudolf bist von Habsburg des Namens und der Würd' der erste; aber dein Höchstadlings-Palast ist nicht hier, sondern wo anders; du bist hier nur ein Einwohner und sollst daher hier nicht das Hauptwort und Vorwort führen. Uns vielen behagt es hier; wir sind gerecht, sind auch Christen; daher werden wir denn auch bleiben, bis uns die Posaune zum Jüngsten Gericht hinausrufen wird, allwo uns der liebe Herrgott gnädig und barmherzig sein wolle. – Wir waren zwar nach unserem Gewissen und nach der Möglichkeit der Sachen und Dinge, die wir schlichteten, gerecht und strenge gegen jedermann, der gegen uns gesündigt hatte; aber wir übten auch Gnade sehr oft für Recht; und so möge uns auch der liebe Herrgott Gnade für's Recht ergehen lassen am Jüngsten Tage; bis dahin wir in aller Ruhe verharren wollen.«

15 Fragt der Dynast Rudolf I.: »Warum seid ihr aber dann mit uns ausgezogen, als wir diesen sechsen entgegengezogen sind?« – Sagen einige Hauptthronisten: »Das taten wir allein nur der Parade wegen, und auch aus etwas Furcht ob der damischen Prophezeihung des feurigen Reiters. Allein da wir nun sehen, daß da an der ganzen Sache nichts ist, so bleiben wir wieder in diesem unserem Höchstadlings-Palaste, verstanden? Wir bleiben hier fest.«


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