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Kapitel 240

Weitere Geduldsproben für den Offizier. Noch einige Weiblein mit ihren Lebensgeschichteln, Begebenheiten und allerlei Anständen aus deren Leben

Am 3. September 1850

1 Es kommt aber auch sogleich ein drittes Weibsbild zum Offizier hin und sagt: »Sie, Herr Offizier!« – Der Offizier: »Was gibt es noch in Gottes Namen?« –

2 Spricht das Weibsbild weiter: »Sehen sie, ich bin halt richtig gestorben auf der Welt in meinem 27. Lebensjahre, und zwar im Kindbett'; aber ich war nicht verheiratet, sondern war nur Köchin und Stubenmädl in einer Person bei einem Witwer, und stellen sie sich vor, bei der Nacht hab' ich dann dem Witwer auch müssen ein Weib abgeben, und er hat mir immer gesagt, wenn ich ein Kind mit ihm bekäme, so tät er mich hernach sogleich heiraten, aber der alte Kerl, schon bei den Sechzig, hat nichts mehr vermocht, er hat wohl alle Tag' bei der Nacht mit mir herumg'frett, daß es schon eine helle Schand' war, aber es war rein alles umsonst. Ich hätt' aber den alten Schippel doch heiraten mögen, weil er viel Geld gehabt hat. Ich hab' aber auch einen anderen festen Liebhaber gehabt; den ich noch nie d'rüber lassen habe, damit er von mir eine bessere Meinung haben soll; weil ich aber jetzt den Alten hab' heiraten wollen, so ist mir am G'schatz des Jungen nicht mehr so viel gelegen gewesen, und ich hab' ihm halt das getan, was er lange schon gerne gehabt hätt'. Da bin ich denn hernach auch schwanger worden, und hab' dann die Schuld auf den Alten geschoben, damit er mich heiraten soll; aber bei der Geschicht' hab' ich mich selbst ganz abscheulich angeschmiert. Der alte Schippel hats auch richtig geglaubt, und hätt' mich auch geheiratet; aber da hat der liebe Herrgott uns beiden einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich bin im Kindbett' gestorben, und der Alte hat sich nachher gewiß eine andere genommen.

3 Wie ich aber in diese Geister-Welt gekommen bin, da hat mir sogleich eine andere gesagt: »Du nimm dich zusammen, denn du bist gestorben auf der Welt, und von nun an wirst du ewig nimmer auf diese materielle Welt zurückgesetzt werden, auf der du bis jetzt über 26 Erdjahre lang in jeder Hinsicht schlecht genug gelebt hast. Fasse, daß du nun für alle Ewigkeit eine pure arme Seele bist, voll Sünden groß und klein! Was wirst du nun tun?« – Nach dieser schrecklichen Frag' bin ich ohnmächtig geworden, daß ich eine Weile nichts von mir selber gewußt habe, aber nach einer Weile ist mir die Besinnung schon wieder gekommen. Die schreckliche Person, die mir eine solche Nachricht gegeben hat, war unterdessen verschwunden, und ich hab' mich wieder ganz gut auf der Erd' und zwar in Wien, wie jetzt, befunden; nur das kam mir etwas spaßig vor, daß ich mein Quartier und meinen Dienstgeber noch bis zur Stunde nicht habe ausfindig machen können, wie auch meine Freundinnen nicht, mit denen ich doch immer den schönsten Umgang gehabt habe. Ich war bis jetzt so halb hin, halb her; ich weiß es, daß ich in der Geisterwelt bin, und doch weiß ich es wieder nicht! Denn manches hat mich immer befremdet; manches ist aber dagegen wieder ganz natürlich; jetzt aber, mein bester Offizier, kommt erst das Wahre!«

4 Sagt der Offizier: »Was? noch nicht gar? no, so rede nur zu!« – Spricht sie: »Sehen sie, mein bester Freund! Ich bin halt eine große Sünderin worden, und da hab' ich halt die Höll' verdient und den Himmel verscherzt; denn ich hab' das Handwerk der schlechten Lieb' schon in meinem dreizehnten Jahr' ganz heimlich ang‘fangen und gleich von Anfang mit einem Soldaten von der Artillerie; und das, wie oft ich allerlei Leut' in einem Jahr nur hab' bei mir schlafen lassen, das ging schon ins Unglaubliche. Auf der Erd', wie ich also gestorben war, ist die Geschicht' halt gar so geschwind gegangen, daß ich nicht einmal mit den Sterbsakramenten habe können versehen werden. Hier in dieser Welt bin ich nun schon in allen Kirchen, die noch ganz die alten sind außen und inwendig herumgerennt, und hab' beichten und kommunizieren wollen, aber da ist nirgends ein Geistlicher anzutreffen gewesen; bloß einen hab' ich gefunden, und der hat dafür so viel Geld verlangt, daß ich es wahrlich in Ewigkeit nicht zusammen hätte bringen können; und so bin ich halt noch voller Sünden da, und trau' mich nicht zu unserem lieben Herrgott hin; ich hab' wohl schon oft die lebendigste Reu' und Leid erweckt, aber was hilft das, wenn man halt nicht gebeichtet und kommuniziert hat, und auch keine letzte Ölung hat kriegen können! O du mein Gott! o du mein Gott! was wird jetzt aus mir werden?

5 Das tut mich halt am meisten drücken, daß ich meinen guten Liebhaber, der es so gut mit mir gemeint hat, ganz hinterlistig hab' aufsitzen lassen wegen dem alten Schippel; dieser alte Esel aber hätt' mich so gewiß nicht geheiratet; denn dem war's nur um's umhergaulen zu tun. Schaun's, Herr Offizier! ein arm's Madl ist und bleibt halt a dumm's Vieh bis an ihr letztes End'. Ich hätt's ja lang' schon mit Händen greifen können, daß mich der alte Schippel nie heiraten wird, und wenn ich auch schon zehn Kinder mit ihm gehabt hätt'; aber dennoch hab' ich müssen versuchen, den alten Saumagen d'ranzukriegen. O ich arme Seel', wer wird mir jetzt helfen? Wann aber nur unser lieber Herrgott solchen alten, gewissenlosen Saukerl'n doch schon auf der Erd' a rechte Straf schickete, daß sie leiden müßten wie ein schäbiger Hund, weil sie sich gar kein Gewissen daraus machen, ein armes Mädel mit ihrem tausendmal verfluchten Geld unglücklich zu machen.

6 Hätte dieser alte Saumagen mich denn nicht also heiraten können, ohne daß er zuvor eine Todsünd' als Bedingung hat setzen müssen? Der hat recht wohl gewußt, daß er nichts mehr machen kann, d'rum hat er eine solche Bedingung gesetzt, aus der nie was hätt' daraus werden können, und er hätt' da schön sein Lebtag mit mir herumgäulen können. Wie ich nachher wirklich schwanger war, o da hat er schön sauber vom Heiraten kein Wort mehr gered't. Wenn ich ihn daran gemahnt hab', da hat er sich immer mit allerlei entschuldigt, wegen der Welt, wegen seiner Stellung, wegen seinen Verwandten, wegen seiner Tochter, die wo in Ungarn verheiratet war; und dann hätt' er einen Prozeß, den er noch eher gewinnen muß, was schon bei einer nächsten Tagsatzung hätt' ausgemacht werden sollen; aber diese nächste Tagsatzung ist halt immer überlegt worden, und so bin ich denn eher gestorben, als bis die erlog'ne Tagsatzung gekommen ist.

7 Ich sag' ihnen, Herr Offizier, mich hat eigentlich so mehr die Gall' über diesen alten Lumpen umgebracht, als das Kindbett. Und glauben sie, daß (es) ihm etwa leid war um mich? O da sein sie ruhig! Er hat nur eine große Freude d'ran g'habt, daß er meiner auf so eine unschuldige Art loß worden ist. Na, ich bin noch so giftig auf diesen Schweinekerl, daß ich ihn quintelweis zerreißen könnt', wenn ich ihn nur so wo erwischen könnt'. Wann ich ihn so bei den Haaren packen könnt' und mit ihm in die Höll' fahren, ich machete mir aus der ganzen Höll' nichts draus.«

8 Sagt der Offizier schon ganz halbsteif vor Ungeduld und zugleich auch vor Ärger über den Alten, der dies Mädl so mißbraucht hat: »Ich bitte euch um Gott, des Herrn willen! Höret einmal auf! Daß es euch unrecht ergangen ist, das ist ganz klar, aber ganz unschuldig seid ihr denn bei dieser Geschichte doch auch nicht; für euren schlechten Teil seid ihr bereits durch die gnädigste Zulassung Gottes gezüchtiget worden, und habet sonach die Folgen eures schlechten Anteils genossen, und ihm (dem Alten) wird der Herr auch nicht ein Haar schuldig bleiben. Daher sei du nur ruhig. Vergib dem Alten von ganzem Herzen, und komme nun mit mir zu Gott dem Herrn hin; Er wird schon alles wieder gut machen. Denn Er Selbst spricht ja: »Kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid; Ich werde euch alle erquicken!« Aber Zorn dürfet ihr nicht haben in eurem Herzen, sondern Liebe sogar zu den größten Feinden, dann werdet auch ihr volle Liebe bei dem Herrn unserem Gott finden.« –

9 Sagt das Mädchen: »Ja, ja, sie, Herr Offizier, sind wohl ein recht guter und gescheiter Herr! Mit ihnen könnt' ein ehrlich's Mädl schon a rechte Freud' haben! Schaun's, es ist halt doch gut, daß ich mich vor ihnen so recht ausgered't hab', denn jetzt ist mir viel leichter um's Herz, und ich hab' auf den dummen Alten auch gar keinen Zorn mehr. Unser liebe Herrgott wird schon wissen, was Er mit ihm tun wird. Ich bedank' mich recht gehorsamst für die schöne Lehr', die sie mir gegeben haben.« – Sagt der Offizier: »Ist schon gut, schon gut; sehen wir jetzt nur, daß wir zum Herrn kommen! So ihr alle bereit seid, da gehen wir; denn ich stehe schon auf Nadeln vor Ungeduld!« –

10 Es kommt aber noch eine vierte Alte hin zum Offizier und sagt: »Monsieur! Je vous prie.« Sagt der Offizier: »Nur deutsch und kein Wort französisch mehr; denn wir sind nun in Wien und nicht in Paris!« –

11 Sagt die Alte: »Ja, ja, Herr Offizier, es ist nur so meine Gewohnheit; denn ich kann weiter so kein Wort französisch mehr, und verstehe sogar von den vier Wörtern nicht alle. Wir haben einmal so eine französische Amme gehabt, und die hat immer diese Worte gesagt, und da habe ich es mir denn so gemerkt. Aber jetzt ist's schon gut von dem, und daher nun von etwas anderem. Sehen sie, Herr Offizier, wie ich noch auf der Welt war, da habe ich ein kleines Hündchen gehabt, und das habe ich denn wahrlich ganz förmlich geliebt, weil es ein gar so rares Tierl war, und hab' es im Winter sogar bei mir im Bette schlafen lassen, und hätte es mir nie im Traume einfallen lassen, daß so 'was eine Sünde sein solle. Aber da ist einmal ein Liguorianer zu mir gekommen, und hat das Hunderl im Bette liegend gefunden; na, hören sie, da war's aus. Der Liguorianer hat darum über alle Maßen zu fulminieren angefangen, und ich hab' müssen das Hunderl gleich wegtun, beichten und kommunizieren, und zehn schwere Messen zahlen. Ich hab' das alles wohl getan und habe meine Sünd' bereut, aber manchmal ist's mir denn doch um's Hunderl leid gewesen, und da meine ich denn, daß das eine Sünde wäre, und habe kein ruhiges Gewissen. Sagen's mir, was ich da tun solle, um ein ruhiges Gewissen zu bekommen.«

12 Der Offizier springt hier völlig auf vor Ungeduld und sagt: »O Herr! Du hast wahrlich ganz kuriose Kostgänger; nein, das ist für einen ehrlichen Menschen auf einmal zu viel. Eine Hundskomödie ist schon da; am Ende kommt noch eine Katzenmusik auch zum Vorschein. Ich gehe, machet ihr alten Weiber, was ihr wollt. O du verzweifelte Hexengeschichte! Jetzt macht die sich ein Gewissen daraus, daß es ihr um ein Hündchen leid war, trotzdem, daß sie gebeichtet und kommuniziert hat, und wenigstens eine gute halbe Million Rosenkränze heruntergeschnattert, denn die hat ein vollendetes Rosenkranzgesicht. O Herr! ich bitte Dich, lasse mich prügeln, aber nur kein Rosenkranzgesicht mehr; denn das ist für mich das Allerfurchtbarste«. Der Offizier spricht zum Weibe: »Gehet zum Plunder mit eurem Finnetterlgewissen und werdet gescheidter, sonst muß man einen Ekel vor euch bekommen. – Jetzt gehen wir, sonst kommen wir richtig noch auf eine Katzengeschichte, denn da hinterher lugt schon wieder so eine Alte herüber auf mich. Die könnte sehr leicht so eine Katzbalgerei zuwege und zum Vorschein bringen. Wer mir folgen will, der folge mir; denn von nun an harre ich keine Sekunde mehr!«

13 Der Offizier macht sich nun auf den Weg, aber eine fünfte Alte vertritt ihm den Weg, und bittet nur sie noch gütigst anhören zu wollen; denn sie habe ihm 'was ganz Wichtiges anzuvertrauen.


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