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Kapitel 251

Noch eine herrliche Liebesszene: der Vater und der Sohn Peter Peter. Eine Lobpreisung der Liebe des himmlischen Vaters. Wehmütige Abschiedsworte über Wien. Es ziegt sich hier wiedereinmal: »Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählt«

1 Unterdessen aber berufe Ich den Offizier zu Mir und frage ihn, sagend: »Wie ist dir nun wohl zu Mute?« – Er antwortet: »Heiliger Vater! Du Urquell der reinsten und mächtigsten Liebe! Mir ist überaus himmlisch wohl zu Mute; aber ich kann es nun vor Liebe zu Dir nicht mehr aushalten. O lasse Dich auch von mir umarmen! Mich drängt es mächtig zu Dir hin! Ich vermag es nun nimmer, diesem Drange zu widerstehen. Tue, o Vater, mit mir denn, was Du willst; strafe mich mit der Hölle für meine Vermessenheit! Aber wehre es mir nicht, Dich, Du Liebe aller Liebe, nach dem Drange meines Herzens zu umarmen.«

2 Hier fällt der Peter Peter unaufhaltsam an Meine Brust und weint vor größter Liebe. Ich aber umarme ihn auch und sage zu ihm: »Mein Bruder! Du liebst Mich mächtig; aber Ich liebe dich noch viel mehr! Und siehe, diese Erwiderung Meiner Liebe für die deine ist Meine süße Strafe für dich! Sage Mir, bist du mit deiner Strafe zufrieden?«

3 Sagt der Offizier: »O Herr und Vater! also ist es, wie man es von Dir erwarten kann und muß. Du bist ja die ewige allerreinste, von jeder Rache, von jedem Zorne, Ärger, von jeder Ungeduld, und von jedem Zwange endlos weit entfernte Liebe. Wie könnte man von Dir je etwas anderes erwarten, als allein das nur, was die reinste Liebe in Dir und aus Dir heraus schaffet.

4 Du bist der alleinige Rettungsanker für alle Verirrten und für alle, die auf des Lebens sturmbewegten Wogen von einer wüsten Klippe zur anderen geschleudert werden. Du lässest niemanden zugrunde gehen, und den Abtrünnigen setzt Deine ewige Liebe und Weisheit Dämme, auf daß sie nicht gleich einem angeschwollenen Strome die edle Saat verderben können und am Ende ihres Tobens selbst in ein Meer verlaufen müssen, wo ihrem Treiben ein Ziel gesetzt ist und sie in der Ruhe zur Einsicht gelangen, daß man gegen Deine ewige Allmacht nicht zu Felde ziehen kann. Und so ist Dein Bestreben nach Deiner urewigsten heiligen Ordnung, den Verderber zur rechten Erkenntnis zurückzuführen und alles zurechtzubringen, was da schon verdorben war; kurz, mein heiligster, liebevollster Vater, Du suchest stests das verlorene Schaf, und nimmst Tag für Tag eine Unzahl von verlorenen Söhnen auf, und rufest ebenso tote Lazarusse aus den Gräbern zum Leben hervor.

5 Darum aber ist es auch billig, daß Dich ein jedes Herz liebe über alles; denn Du ganz allein bist gut und heilig, überheilig; alle anderen Wesen aber nur allein durch die Liebe zu Dir. Liebt ein Wesen aber irgend etwas anderes mehr denn Dich, heiliger Vater, so ist es schon schlecht; denn alle Liebe muß Dir zugewandt sein. Liebe ich ein Geschöpf des Geschöpfes wegen, so ist meine Liebe schon eine Sünde; liebe ich aber ein Geschöpf allein Deinetwegen, dann ist meine Liebe eine rechte Tugend und gibt dem Herzen eine bleibende Seligkeit. – Du bist allein Liebe, und hast uns aus Liebe und für die Liebe geschaffen; daher gebührt Dir allein auch alle unsere Liebe. – – Wer Dich liebt, der betet Dich auch recht an, und eine Null ist jedes andere Gebet.

6 Nicht umsonst sprachst Du schon durch den Mund des Propheten Jesajas: »Dies Volk verehret Mich mit den Lippen, aber sein Herz ist ferne von Mir.« – – Nicht umsonst erteiltest Du der Sünderin Magdalena große Gnaden, denn sie hatte ihr Herz Dir zugewandt; und nicht umsonst riefst Du den Sünder Zachäus vom Maulbeerbaum, denn die Liebe zu Dir hieß ihn den Baum ersteigen. Du, o Vater, warst allezeit Liebe, und alle Sünder, die in ihrem Herzen Deinen Namen anriefen, sind nicht zu Schanden geworden. Darum sei Dir allein alle meine Liebe, denn Du allein bist wert, alle Liebe zu nehmen von Menschen und Engeln. Weinen, heulen und wehklagen aber sollen alle, die ihre Herzen von Dir abgewandt haben und sie nicht wieder zu Dir wenden wollen, das sie doch leicht könnten.«

7 Sage Ich: »Ganz gut, ganz gut, Mein lieber Bruder! Du hast den rechten Weg gefunden. Leider aber leben in dieser Stadt gar viele, denen dieser Weg fremd ist, und was aber das Traurigste ist, das ist – das er ihnen noch lange fremd bleiben wird. Was da reif war, das habe ich nun geerntet; alles andere aber ist noch unreif und muß daher auch noch am Felde belassen werden.

8 Wir werden uns daher auch nicht länger mehr an diesem Orte aufhalten, sondern sogleich nach der Beilegung unserer Geschäfte, die in etwas ganz Geringem noch bestehen, in eine andere Stadt verfügen, deren Namen Ich euch aber erst dann nennen werde, so wir uns in ihrer Nähe befinden werden.«

9 Spricht der Offizier etwas wehmütig: »O du heiliger, lieber Vater! Diese Stadt zählt nun mehrere Hunderttausende von Einwohnern, und unser werden hier samt und sämtlich kaum etwas über Tausend sein. Wenn ich dazu noch alle jene bedenke, deren Staub die Asche der Friedhöfe deckt, also eine Verwesung die andere; was wird mit denen allen geschehen? Es mögen darunter wohl einige sich schon lange im ewigen Lebenslichte sonnen, aber Millionen sicher nicht aus diesem Orte. Was geschieht mit diesen? wo sind sie? was wird aus ihnen? werden sie je erstehen?«

10 Sage Ich: »Sorge dich um alle diese nicht! Ich habe gar viele Diener, die diese Schafe weiden und zu führen haben. Es ist daher auch nicht an dem, daß gerade wir alle führen sollen, sondern nur jene, die bei ihren Lebzeiten auf der Erde sich hauptsächlich um Meinen Namen bekümmert haben, ob auf falschen oder rechten Wegen, das ist hier gleich. Wenn nur ein Glaube da war, so können wir diesen immer brauchen, ihn zurechtbringen und die Liebe erwecken; aber wo gar kein Glaube vorhanden ist oder ein zu dicker Aberglaube, da können und dürfen wir zunächst nicht die Führer und sichtlichen Erwecker machen, denn dazu habe Ich Millionen von Dienern, denen solche Geschäfte in die Hände gelegt werden. Aber es ist dennoch dann ein Unterschied zwischen denen, die Ich Selbst unmittelbar erwecke und führe, und zwischen jenen vielen, die von Meinen Engel und Dienern erweckt und geführt werden; denn da gilt das: »Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählet!«


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