Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel 158

Roberts Liebesextase läßt ihn sein Weib vergessend zum Herrn eilen. Helenas gute Rede und heilige Scheu vor dem Allerheiligsten. Des Herrn Erwiderung

Am 12. Januar 1850

1 Mit diesen Worten springt Robert förmlich von der Höhe der Pyramide, daß er sogar seines schönsten Weibes vergißt. Bei Mir kaum angelangt, will er Mir sogleich zu den Füßen fallen und sein Herz ganz ausschütten vor Mir; aber Ich halte ihn davon ab und mache ihn (darauf) aufmerksam, daß er diesmal der Helena, seines Weibes, vergessen hat;

2 worauf er ganz seligst ergriffen spricht: »O Herr, Vater Jesus, wer kann in Deiner nun von mir wohlbekannten und rein erkannten Nähe für was anderes Sinn und Gedanken haben, als nur allein für Dich! Ich liebe die wahrlich überaus schöne und eben so fromme Helena wie ein gutes Glied meines Wesens oder meines geistigen Leibes; aber mein alles über alles bist nun für ewig Du ganz allein, mein Gott und mein Herr und Vater! Was wäre mir ohne Dich eine ganze Welt voll Helenas? Nichts! Ich würde verzweifeln in ihrer Mitte! Habe ich aber Dich, so kann ich auch ohne eine Helena vollkommen glücklich sein. Aber ich will sie dennoch holen darum, weil sie eine Gabe aus Deiner Hand ist, darum (ist sie) mir auch endlos wert, teuer und angenehm.« – –

3 Rede Ich: »Ja, ja, gehe hin und hole sie; denn sie sieht ganz traurig nach uns her, und meint dich beleidigt zu haben, dieweil du sie so ganz verlassen hast.«

4 Robert geht nun eilends zu der Helena hin und sagt zu ihr: »Komme, komme, mein geliebtes Weibchen! Ich habe nur aus übergroßer Liebe zum Herrn deiner auf ein paar Augenblicke vergessen; aber nun ist schon wieder alles in der schönsten Ordnung. Komme daher nun nur mit mir hin zum Herrn und sei ja nicht mehr traurig!« –

5 Spricht die Helena: »Mein liebend Herz dem Herrn und dir dafür, daß du mich wieder anschauest, denn mir kam wahrlich ein Kummer ins Herz, daß ich in meiner Seele mich irgend versündiget zu haben meinte, dieweil du mich verließest und dich nicht umsahest nach mir; aber nun ist alles wieder gut, und mehr als gut; denn dich zog die allein gerechte und wahre Liebe von mir hin zu Gott, dem heiligen Vater. Nun ziehe aber du auch mich hin vor Ihn, der noch immer der alleinige Besitzer meines Herzens ist und auch ewig verbleiben wird. Lasse unsere Herzen eins werden vor Ihm, der sie zuerst erfüllet hat mit Seiner Liebe, auf daß, so nun dein irdisch Fleisch lauter wird durch die Auferstehung im Feuer der Gottesliebe in deinem Herzen, das meinige auch mitgeläutert werde und wir dann wie ein Herz, ein Sinn, eine Liebe, ein Leben und Wesen vor Ihm – uns des seligsten Lebens erfreuen könnten!«

6 Robert zerfließt nahe vor lauter Liebe und bringt nun die Helena zu Mir. Als sie bei Mir ist, will sie auch auf ihr Angesicht niederfallen; Ich aber hindere sie ebenfalls daran und sage zu ihr: »Ja, Meine allerliebste Helena, getrauest du dich denn Mich nicht mehr so zu lieben, als wie du Mich ehedem geliebet hast? Schau, schau! Ich bin ja stets der gleiche!« – Spricht die Helena ganz weinerlich: »Für's Auge ja, aber für's Herz, da bist Du schon viel anders geworden; viel größer und heiliger! Das Herz bebt nun vor Deiner Größe und Heiligkeit; denn Du bist wahrhaftig der einige Gott!«

7 Rede Ich: »Ja, Meine allerliebste Helena, das hast du denn doch schon früher gewußt und eingesehen und hast doch keine gar so enorme Heiligenscheu vor Mir gehabt, ja du hast Mich sogar – wie Mir und dir nichts – nach deiner ganzen Herzenslust geküßt; wie sollst du denn wohl nun eine solche Heiligenscheue vor Mir überkommen haben? Denke zurück, und bleibe dir gleich, so wie Ich Mir unwandelbar gleich bleibe, so wirst du in keine solche unnötige Furcht vor Meiner göttlichen Majestät verfallen!«

8 Spricht die Helena: »O Herr, Du überguter, heiliger Vater! das tut sich wohl in gar keinem Falle mehr; denn es ist ein großer Unterschied zwischen dem Dich kennen und abermals Dich kennen. Beim ersten Erkennen hat Dein Göttliches doch stets noch mehr so einen menschlichen Anstrich und Du bist zu ertragen für das Herz eines armen Sünders, aber wann einem die stets größer und wunderbarer werdenden Vorkommnisse und Erscheinungen in einem fort bei allen Sinnen einzudonnern anfangen und nur zu klar den endlosen Unterschied zwischen Dir, o Herr, und einem Geschöpfe, das sich selbst frei auszubilden hat, nach den Gesetzen Deiner Ordnung, zeigen; dann ist's mit diesem menschlichen Anstriche gar, und wie nackt in aller Heiligkeit steht dann Deine Gottheit vor unsern erstaunten Augen. Daß uns alle, wenn wir die Sache so recht beim Lichte betrachten wollen, mehr oder weniger eine gewisse Heiligenscheue vor Deiner Gottheit anwandeln muß, das ist ja doch ganz klar.

9 Ich habe sozusagen schon mit den zwei Fällen, die mir zuerst in diesem Hause meines Roberts zu Gesichte kamen, des Wunderbaren zur Übergenüge gehabt, um mich darüber allein schon eine ganze Ewigkeit genüglich zu verwundern und Dich wegen Deiner Güte, Liebe und Weisheit zu preisen; aber da führte uns Deine Liebe, Güte und Weisheit in dieses Museum, durch das das fleischliche Wesen Roberts entsprechend bildlich dargestellt werden solle, und da hat es der Wunder kein Ende, und besonders jene merkwürdigsten Inschriften an den Stufen der großen Pyramide, der erhabene Sinn. Ja, da könnte man ja doch ganz rein bis auf den letzten Tropfen zerfließen vor lauter Ehrfurcht und Achtung, von der das arme erstaunte Herz für Dich, o Herr, ergriffen wird. Daher kann von meiner ersten Stellung, die sich gar so furchtlos gestaltete, wohl keine Rede mehr sein. Siehe, als ich noch auf der Welt, und zwar in der schlechten Wienerwelt ein, wie man's in Wien sagt, schlawutzig's Menschl machte, und um's Geld und um ein gemütlich's Wörtl für alles zu haben war, da ist auch oft ein recht sehr großer Herr zu mir gekommen und ich hatte keine Furcht vor ihm, weil ich nicht sah seine glänzende Umgebung und seine Macht; aber so ich dann und wann zu einem solchen recht großen Herrn etwa gar in seine Amtsstube kam, ja, da konnte ich nicht mehr so furchtlos vor ihm sein, als so er in seiner Einfachheit bei mir war, wo er auch sehr einfach aussah. Man solle hier zwar so einen schmutzigst sündhaften Vergleich nicht aufstellen, da dieser Ort zu heilig ist, aber weil er schon gar so richtig herpaßt, so konnte ich nicht umhin, ihn hier aufzustellen. Herr, Vater! Du wirst mir deshalb ja doch etwa nicht gram werden?«

10 Rede Ich: »Nicht im allerentferntesten Sinne, denn über deine Sünden haben wir schon lange die Rechnung abgeschlossen; aber darum gelten bei Mir deine Entschuldigungen eben nicht gar viel. Was du nun fühlst und noch ferner fühlen wirst, so du noch größerer Wunder gewärtig wirst, das weiß Ich wohl am allerbesten; aber das weiß Ich auch, daß es geschrieben stehet: »Seid vollkommen, wie auch euer Vater vollkommen ist im Himmel!« Wie möglich aber kann das ein Kind, so es vor dem Vater einen noch größeren Ehrfuchtsrespekt hat, als ein Hase vor dem Donnergebrüll eines Löwen? Siehe, du hast Mir ehedem aus deiner schlawutzigen, irdischen Lebenszeit ein gar nicht schlechtes Gleichnis vorgeführt, das da deine Furcht entschuldigen solle, die du nun vor Mir hast.«


 << zurück weiter >>