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Kapitel 274

Die roten Kriegsgeister im Streitgespräch mit den blaugrauen Lügengeistern. Wesen der Standesunterschiede. Aggressive und Defensive. Eine Art GeisterKomödie

Am 5. November 1850

1 Nach der Beendigung solchen Lobens und Preisens aber bricht auch der Sabbath an, und es nahet sich eine Menge rotgekleideter Geister von der Nordgegend her dem Hügel, und diese tragen eine rote und eine weiße Fahne.

2 Robert fragt Mich sagend: »Herr! das ist eine ganz neue Erscheinung; was solle mit diesen Geistern geschehen? Bei Deinem allerheiligsten Namen! Da geht es nun ja doch schon beinahe gerade so zu, als wie ich es auf der Erde einmal in dem bekannten Märchenromane »Tausend und eine Nacht« gelesen und mit den Augen meiner Phantasie gesehen habe. Was bringt denn diese Roten daher mit ihrer roten und weißen Fahne?« –

3 Sage Ich: »Das sind lauter Kriegslustige; denn es gibt dir sowohl auf der Erde Menschen beiderlei Geschlechtes, bei denen ein Krieg das größte Vergnügen ist, und eben also gibt es denn auch in der Geisterwelt Geister, die außer dem Wesen des Krieges keine Seligkeit kennen und wollen. Wenn es auf der Erde recht kriegerisch zugeht, so sind diese Geister am glücklichsten. Sie gewinnen zwar durch den Krieg nichts, aber dennoch ist ihnen der Kriegslärm über alles angenehm. Sie sind deshalb auch die besten Propagandisten und verstehen sich sehr wohl darauf, in den Gemütern der Völker sowohl wie in den Gemütern der Könige die Kriegslust anzufachen. Die mit der weißen Fahne sind defensiv kriegerisch gesinnt und die mit der roten offensiv. Sie haben in die Erfahrung gebracht, daß Ich Mich persönlich wesenhaft auf der Erde befinde, und zwar in der Nähe der Provinzialhauptstadt Graz und kommen daher in einer ganz gut aussehenden Ordnung hierher, um sich zu erkundigen bei den uns nahestehenden Geistern, ob sie nichts wüßten, daß Ich etwa ein Gericht über die Erde verhängen wolle oder werde; denn ihnen ist alles willkommen, was da irgend ein bedeutendes Spektakel abgäbe.

4 Du siehst aber auch, wie sich diesen Kriegslustigen andere Geister in dunkelblaugrauen, etwas schmutzigen Gewändern nahen. Das sind so rechte Maulhelden und ihre Lust besteht darin, die Neugierigen und Spektakelsüchtigen bis zum blauwerden und grauwerden anzulügen, und das nicht selten mit einer solchen Beredsamkeit, daß manche aus ihnen am Ende sogar selbst zu glauben anfangen, was sie gelogen haben. – Diese Geister sind zwar nicht böser Art; sie sind sogenannte Spaßmacher. Sie können zwar niemandem einen bedeutenden Schaden zufügen, obschon gerade auch keinen Nutzen. Von diesen Geistern werden nun die Kriegsrufer allerweidlichst angesetzt werden, und das wird dann eine Haupthetze abgeben; denn es werden auch einige Wahrheitsfreunde von Mittag herbeikommen und werden die Kiegslustigen darüber belehren, daß sie von diesen Blaugrauen allerweidlichst angelogen worden sind. Die Kriegsgeister werden dann aufbegehren und Genugtuung verlangen, und das wird dann der Moment sein, in dem wir ihnen auf einem bestimmten Wege werden beikommen können.«

5 Sagt Robert: »Ach, das ist aber denn doch im Ernste komisch! Da möchte ich dabei sein, um zu hören, wie etwa doch die Blaugrauen die Roten werden anlaufen lassen.« – Sage Ich: »Das ist dein Geschäft, und Ich habe dich darauf eigens aufmerksam gemacht. Begib dich daher mit dem Peter Peter hinab und nehmet beide eure Weiber mit. Suchet irgend jemanden zu gewinnen, auf daß er dann ein Friedensrichter werde unter den Parteien, so sie recht zu streiten beginnen werden; denn es wird am Ende unter ihnen ganz heiß und stürmisch werden.«

6 Robert und Peter Peter begeben sich nun schnell hinab und kommen gerade zu der ersten Begegnung. Ein Roter eilt den Blaugrauen entgegen und sagt: »Freunde! wir haben vernommen, daß sich der allmächtige Geist des berühmten Nazaräers namens Jesus (hier erschrecken die Blaugrauen ein wenig) in dieser Gegend persönlich aufhalte mit einer großen Menge anderer Machtgeister. Könnet ihr uns denn diese Gegend nicht näher bezeichnen und sagen, was alles etwa dieser Machtgeist nun über die böse und harte Menschheit der Erde zu unternehmen im Schilde führt. Wir haben auf unserer Hierherwanderung vernommen, daß Er über ganz Europa den Krieg in einer allererbittersten Art will entstehen lassen. Ihr werdet da sicher etwas näheres schon erfahren haben. So ihr da etwas Verläßliches wisset, so teilet es uns mit; denn wir haben das dann sogleich der ganzen Welt zu hinterbringen, auf daß sie sich gehörig vorbereiten könne.« –

7 Sagt ein blaugrauer Lügengeist: »Ja, ja, der große Machtgeist befindet sich nun hier in dieser Gegend, und zwar in Gesellschaft von vielen Millionen Geistern, die alle ganz ungeheuer mächtig sein müssen. Wo gerade der Punkt ist, den sein Fuß berührt, das wissen wir wohl nicht anzugeben. Weit von hier ist er in keinem Falle; aber wo gerade, damit können wir euch nicht dienen. Aber sehet nur einmal aufwärts und ihr werdet die Luft voll Geister erschauen.« –

8 (Die Roten tun das und erstaunen über das zahllose Heer.) Ein Blaugrauer sagt weiter: »Von einem europäischen Kriege haben wir zwar noch eben nicht so viel vernommen, aber dafür von einem allgemeinen Weltkriege über alle Länder der Erde. Dieser Krieg wird wie eine Noahische Sündflut bis auf etliche wenige Menschen und Tiere alles vertilgen, was da lebt und atmet; denn die Menschheit ist von A bis Z zu toll und zu böse geworden!« –

9 Über diese Nachricht machen alle Roten ganz enorm heitere Gesichter und sagen: »Ja, ja, so wird es ganz gewiß werden, und der Hebel für den Beginn aber dürfte wohl die rein politische Spiegelfechterei zwischen Österreich und Preußen sein. Wir haben uns Einsichten in die geheimen Kabinettsverhandlungen zu verschaffen gewußt und daraus ersehen, daß diese gegenseitigen offenen Zwistigkeiten zwischen den oben benannten zwei Mächten nichts als leere optische Täuschungen für Frankreich seien. Unter dem Vorwande, daß diese zwei deutschen Mächte sich mit den Waffen zurechtweisen wollen, rüsten sich beide und zwar in einer allerintensivsten Art. Preußen sucht pro forma sogar wider Österreich mit Frankreich in ein Bündnis zu treten, was aber Frankreich, das nun den Braten zu riechen beginnt, nicht annimmt, sich aber dafür geheim derart armiert (bewaffnet), wie es noch nie armiert war. Werden nun die beiden Mächte ganz armiert dastehen, dann werden sie, sich an Rußland stützend, gemeinschaftlich über die Republiken in Europa sich werfen und werden daraus feste Monarchien bilden, so es gut gehen wird. Wird ihr Unternehmen aber scheitern, was auch sehr leicht geschehen kann und wir möchten es nahezu sogar behaupten, dann ist der Weltkrieg fertig. Ein unübersehbarer Kampf zwischen der Sklaverei des Absolutismus und der unbedingten Freiheit des reinen Weltbürgertums. Da wird die Nacht mit dem Lichte so lange ringen, bis sie ganz untergehen wird und dem Licht am Ende der volle Sieg zuteil wird. Was meinet ihr dazu? Kann das euren Weltkrieg geben oder nicht?« –

10 Sagen die Blaugrauen: »Ja, ja, ihr sollet recht haben; aber wir haben noch etwas anderes vernommen.« – »Was denn, was denn?« fragen die Roten hastig; »vielleicht noch etwas Ärgeres als einen Weltkrieg?« –

11 Sagen die Blaugrauen: »O, ganz gewiß! Wir haben von glaubwürdigen Geistern vernommen, daß der Machtgeist im Ernste es vorhabe, das große allgemeine Weltengericht in der ganzen Unendlichkeit ergehen zu lassen und daß dazu schon alle möglichen uns freilich unbegreiflichen Vorkehrungen getroffen werden.« – Hier fahren die Roten vor Entsetzen zurück und schreien: »Nein, nein, daß ist nicht möglich. Um des allmächtigen Gottes willen! Ihr meinet doch nicht etwa das Gericht, vor dem Sonne und Mond verfinstert werden und alle Sterne vom Himmel auf diese Erde fallen werden wie die Schneeflocken im Winter?« –

12 Sagen die Blaugrauen: »Ja, ja, dasselbe Gericht solle nun im Anzuge sein und damit die Auflösung aller Natur.« – Sagen die Roten: »Wo, wo und von wem habet ihr so etwas vernommen? Hat etwa der große Machtgeist Selbst so was jemandem anvertraut oder haben das etwa gar Seine Geister ex officio divino getan? Sind vielleicht gar schon Posaunen vernommen worden?« –

13 Sagen die Blaugrauen: »Das gerade eben noch nicht, so viel wir es wissen; d.h. von daher wissen wir noch nichts; aber eine Menge anderer Geister hat uns darüber gar sehr bedeutende Winke gegeben und es dürfte daher wohl sehr etwas daran sein.« Hier machen die Roten sehr verdutzte Gesichter und vergessen ganz des Krieges. – Fragen die Blaugrauen die Roten: »Warum erschrecket ihr denn bei solcher Kunde gar so sehr, da ihr doch bei der Nachricht eines Weltkrieges ganz heitere Gesichter gemacht habet? Geniert euch denn das große verheißene Weltengericht, das der große Machtgeist Jesus halten wird, wie Er es Selbst vorhergesagt hat bei Seinen Leibeslebzeiten auf dieser Erde und zwar im Angesichte der Stadt Jerusalem?«

14 Sagt ein Roter: »Ja, Freunde, das geniert uns ungeheuer! Denn nach solch einem Gerichte hören alle Welten, und was sie hervorbringen, auf. Keine Menschen werden mehr den Erdboden betreten und von einem ergötzlichen Kriege wird dann auch sicher ewig keine Rede mehr sein. Was sollen wir aber dann anfangen, wenn keine Kriege mehr geführt werden? Kriege sind ja unser Leben; ohne Kriege gibt es auch überhaupt gar kein Leben, keinen Gewinn und kein Vergnügen. Dieser nun bevorstehende Weltkrieg wäre sonach der letzte, der auf dieser Erde Boden, der auch vergehen wird, zustande käme?« –

15 Sagen die Blaugrauen: »Ganz gewiß; denn wenn keine Menschen mehr existieren werden, wer solle da denn hernach wohl noch einen Krieg führen? Selbst wenn auch noch nach dem Weltkriege, der nun in Kürze beginnen wird, etliche und dreißig Menschen und vielleicht noch weniger am Leben bleiben würden und die Erde noch etliche und 50 Jahre erhalten werden möchte, so kann auf ihr schon darum kein Krieg mehr stattfinden, weil die wenigen Menschen Land genug besitzen werden und daher nicht nötig haben, sich wegen des Besitzes von mehr oder weniger Land einander gegenseitig zu bekriegen, um Länder durch den Krieg an sich zu reißen und darüber zu triumphieren. So aber die wenigen Übriggebliebenen dazu noch im Lichte Gottes sein werden und leben nach Dessen Geboten leicht, ja sehr leicht, weil dann viele tausend Versuchungen, die die Menschheit nun wider das Gottesgesetz zu handeln anfachen, von selbst hinwegfallen werden, wer solle dann auch an einen Krieg denken können? Also von einem Kriege nach dem großen Weltkriege wird gar keine Rede mehr sein können,

16 und das halten wir für überaus gut; denn aus einem selbst allerglücklichsten Kriege ist noch nie ein Glück für die Menschheit hervorgegangen, daher ist ein ewiges Ende aller Kriege nur über alles zu erwünschen. Ob das allgemeine Weltengericht auch so segensreiche Folgen haben wird als das gänzliche Aufhören der Kriege, das ist eine sehr bedeutend andere Frage. Wenigstens dürften dabei so kriegslustige Helden, denen das größte Unglück der Menschheit Vergnügen schafft, eben nicht am besten bestehen.« –

17 Fragen ganz heftig die Roten: »Und warum denn? Sind denn die Kriegshelden nicht stets die verdienstlichsten Menschen auf der Erde gewesen? Machen nicht sie allein den Ruhm aller Völker aus? Sind Ordenszeichen und Siegestrophäen nichts in euren Augen? Nur ruhmgekrönte Helden leben in der Geschichte und in der Erinnerung der Völker ewig fort; alles andere aber ist Asche und Spreu, und vergeht wie eine Tagesfliege, und lebt in keines Menschen Erinnerung fort.« –

18 Sagen die Blaugrauen: »Und was habt ihr Helden nun davon, so ihr etwa noch im Gedächtnisse schwacher Erdmenschen gleich mattesten Schattenbildern um ein paar Jahrhunderte länger fortbestehet als ein anderer armer Teufel? Auch ihr werdet vergessen werden; und so der Krieg alles zerstören wird, werden da wohl die Geschichtsbücher bleiben? Und so sie auch bleiben, saget, wer sie dann lesen wird, so alles Leben aufhört? Hier im Geisterreiche aber hat ohnehin jeder Unterschied aufgehört, und wo er besteht, da ist die Hölle. So ihr aber auch hier Standesunterschiede suchet, da seid ihr Geister der Hölle und habet Zeit, euch von uns zu entfernen. Sonst dürfte es geschehen, daß ihr von uns entfernt werdet.« –

19 Hier werden die Roten vor Ärger ganz stumm; nur die unter der weißen Fahne Stehenden treten hervor und sagen: »Wir sind keine Krieger aus Lust, sondern aus Not. Wir sind pure Verteidiger; wir rufen den Krieg nicht. So er uns aber geboten wird, dann stehen wir freilich beim Zeuge und verstehen es dem Feinde die allerheißeste Stirne zu bieten. Gelten deshalb etwa unsere Auszeichnungen und unsere Helden hier auch um nichts mehr, denn ein anderer ganz gewöhnlicher verdienstloser Mensch?« –

20 Sagen die Blaugrauen: »Das ist hier vollkommen eines. Ihr seid um gar nichts besser als die anderen; denn ihr seid eben so ruhmsüchtig als eure Gegner. Eure Gegner suchen den Krieg, und ihr erwartet die Kriegssucher mit brennender Gier, um euch mit ihnen messen zu können. Was für ein Unterschied ist wohl darin, so ein hochmütiger Teufel den anderen, der ihn beleidigte, herausfordert, und der Herausgeforderte nimmt den Kampf begierig an; saget, derwelche oder wer aus beiden ist da wohl der Verdienstvollere, Bessere und Schätzungswertere? Wir meinen, die Geschichte hebt sich hier so ziemlich auf, und ein Unterschied ist da wohl beinahe gar nicht bemerkbar; da ist schon ein Teufel wie der andere.« –

21 Hier fahren auch die mit der weißen Fahne auf vor Zorn und wollen sogleich die Blaugrauen zu massakrieren beginnen; aber hier treten Robert und der Peter Peter vor, und drängen die Roten auf gute hundert Schritte zurück, und bedrohen sie. Aber darauf werden die Roten alle gemeinschaftlich erst so recht kriegstoll.


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