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Kapitel 214

Erst spricht »Paulus«, danach »Petrus«, und dann »Johannes«. Der Harte zeiht Paulus einer Lüge betr. der Lebenszeitrechnung Jenseits. Ein weltgeschichtlichs Verlangen. Ein Gleichnis von den Taschenspielern. Gefahr der Hofgrandezza des Scheinglanzes. Ein jenseitiger Regentenspiegel

Am 7. Juli 1850

1 Spricht Paulus: »Du wirst auch einen anderen erhalten; aber jetzt noch nicht, wo du nahe wie ein Stein materiell in allem deinem Denken, Sinnen und Trachten bist; ich Paulus aber bin darum ein Paulus, der winzige Apostel, weil ich zuerst von den Kindern das grob Materielle hinwegrasple, und von ihnen den ersten Unrat schaffe gleich einer Hebamme, und taufe die schwachen Kinder gewisserart schon im Mutterleibe, auf daß sie dann um desto eher fähig werden möchten, die mächtige Taufe des Geistes zu empfangen; so lange du daher nicht deine zu sehr materievollen Gedanken und Begierden gegen geistige vertauschen wirst, wirst du des Paulus nicht los; denn wie gesagt, das ist des Paulus Geschäft, daß er zuvor den Platz reinigt, auf daß hernach die rechten Bauleute das Gebäude aufführen können, welches dann vom großen Baumeister eigenhändig die entsprechenden Verzierungen und allerlei inneren herrlichen Einrichtungen erhält.

2 Sei du daher anfänglich nur zufrieden mit mir; denn wer einmal den Paulus annimmt, der kommt dann auch zum Petrus, zum Johannes und endlich zum Herrn Selbst; aber jeder, der da anfängt, der fängt mit Paulus an, sonst kommt er nimmer an den Petrus und noch weniger an den Johannes; wer aber nicht an den Johannes kommt, der kommt auch nicht an den Herrn; denn Johannes ist gleich der Liebe des Herrn zu Seinen Kindern.«

3 Sagt der Harte: »Ganz wohl; aber du bist nicht getreu in deinen Angaben, und so kann ich mich auf dich nicht verlassen. Denn »wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.« Du sagtest, daß ich schon nahe an zweihundert Jahren nach irdischer Rechnung hier in der Geisterwelt mich aufhielte; und siehe, das ist vollkommen erlogen, denn ich bin erst kaum bei

110 Jahre hier, und es fehlen sonach noch 90 nach deiner Angabe. Sollen denn Geister deiner Art nicht genau anzugeben imstande sein, wie lange irgend ein Geist als ganz bestimmt hier wohnt? Putze dich nun aus dieser Soße, so du's kannst, und ich will dich behalten.«

4 Sagt Paulus: »Das ist eine Schafwoll-Locke, um die du hier mit mir rechten möchtest; aber es solle dir sehr schwer fallen ein solcher Streit; denn wisse, der Paulus ist ein gewaschener und kein ungewaschener Jude, und mit denen ist es nicht gut Kirschen essen; denn da bekommt der in der Wette Mitessende sehr leicht alle Stengel und Steine ins Gesicht. Sag' mir, du ausgehöhlter Hohlborer der hohlsten Materie, wann du in der Geisterwelt das Rechnen gelernst hast, indem du mich einer Lüge beschuldigen willst. Siehe, du Tor, wir rechnen hier in der Geisterwelt also: Von dem Augenblicke an, als vom Herrn deiner Seele der Geist eingelegt ward, was sobald geschieht, als die Seele eines Kindes des ersten Gedankens fähig wird, was bei manchen Kindern schon im ersten Jahr nach der Geburt geschieht. Vor der Zeit der Einlegung des Geistes in die Seele aber ist jeder Mensch auch schon ein Bewohner der Geisterwelt und lebt und webt stets die halbe Lebenszeit vollends in der Geisterwelt, was ihm seine Träume nur zu klar sagen; nur die naturwache Tageszeit ist er zum größten Teile seines Wesens in der Materiewelt, obschon mancher durch geistige Gedanken, Betrachtungen, Gebete, Liebe zu Gott und edle Handlungen sich auch am hellsten Tage rein in der reinen Geisterwelt befindet. Und sieh, von da an beginnt auch die Rechnung, wie wir hier zu rechnen pflegen; und so du das addierst zu deinen 110 Jahren, so wirst du die Annährung an die 200 Jahre wohl doch sicher nicht gar so lügenhaft finden, als wie du es mir, deinem Freunde keck und grob genug ist Gesicht sagtest.«

5 Sagt darauf der Harte: »Das habe ich aber nicht gewußt, daß man hier also rechnet; hättest du mir davon früher eine Anweisung gegeben, so hätte ich dich keinen Lügner genannt, und du mich auch nicht einen ausgehöhlten Hohlbohrer der hohlsten Materie, was auch kein Kompliment ist; und weil du grob warst, da ich grob war, so glaube ich, daß wir uns gegenseitig quittiert haben, und sind demnach einander nichts mehr schuldig. Ich bin nun gut; bist du es auch?«

6 Sagt Paulus: »Ganz vollkommen; aber jetzt mußt du dir von mir dafür aber schon noch einige Worte gefallen lassen.« – Sagt der nun etwas Weichere: »Rede nur, so viel du magst und kannst; ich will dich anhören; sage mir aber auch, wie es nun in der Welt aussieht, und was da meine Nachkommen machen, und wie es ihnen geht. Ich habe vernommen, daß es in Österreich große Bewegungen gegeben habe. Sage mir auch darüber noch etwas näheres, so du das kannst.« –

7 Sagt Paulus: »Wir sind nun in Wien selbst, und werden in dieser Stadt noch manches zu schlichten bekommen, und bei der Gelegenheit auch so manches erfahren, wie es nun auf der materiellen Außenwelt aussieht; vorderhand aber heißt es sich mit dem befassen, was uns viel näher ist als die Materiewelt. Du bist noch ganz von der spanischen, zumeist durch den damals höchst und reichst gestellten Priesterstand promulgierten (verbreiteten) Hofgrandezza der dortigen Herrscher durchdrungen und meinst, daß alles Hohle nur durch einen möglichst erhöhten Glanz, der im Golde und allerlei eitelsten Zeremonien bestehet, aller Welt imponieren kann, um das gemeine Gesindel zum blindesten Gehorsame zu nötigen. Ich aber sage dir, daß es auf der ganzen Welt nichts Grundfalscheres und Irrigeres geben könnte, als eben diese über alle Maßen dumme Annahme.

8 Siehe, ein Taschenspieler unterhält seine geblendeten Zuseher nur so lange, als diese nicht hinter das Nichtige seiner Kunst gelangen; werden sie aber von einem Sachkundigen aufgekläret, dann kann der falsche Zauberer schauen, wie er ein Loch zum Durchgehen findet, sonst werden ihm die Zuschauer etwas erzählen, und sich bei ihm auf eine sicher sehr energische Weise zu bedanken wissen, darum, daß er ihnen eine falsche für eine wirkliche Zauberei verkauft hat. Ach, klar und gewiß etwas anderes ist's, so ein Falschmagier sich auch als solcher ankündigt; da wird ein jeder Zuschauer es wissen, daß diese Zauberei eine reine natürliche ist und wird ganz vergnügt, den Falschkünstler sogar ehrend und lobend, den Schauplatz verlassen; und wird sich auch um die Art und Weise nicht viel kümmern, wie der Falschzauberer ein oder das andere Zauberstück hervorgebracht hat; denn der Zuschauer weiß es ja, daß das ganze nur ein recht fein und pfiffig ausgedachter Sinnentrug ist, und keine Realität. Aber so der Falschkünstler ankündigte, daß er eine wirklich altägyptische Zauberei ohne alle Apparate zum besten geben wird, und man entdeckt aber dann bei der Produktion dennoch allerlei Behelfe, und entdeckt in dem angekündigten wirklichen Zauberer nur einen ganz gewöhnlichen sogenannten Hokuspokuskünstler, da wird dieser einen schweren Stand haben, sich vor seinen betrogenen Zuschauern zu behaupten.

9 Und siehe, ebenso verhält es sich auch mit dem Hofglanze, dieser kann ein wirklicher und auch ein falscher sein; wehe aber dem Regenten, der da durch einen falschen Hofglanz seine Untertanen hat täuschen wollen! So sie dahinter kommen, wie es in Spanien und Frankreich und in vielen anderen Staaten schon gar oft der Fall war, da wird es solch einem Falschglänzer schlecht und übel ergehen.

10 Der wahre Hofglanz aber besteht vorerst in der Weisheit und Herzensgüte des Regenten, in einem gut verteilten und zweckmäßigen Wohlstande der Untertanen, in einer festen und guten Disziplin eines nicht unnötig, bloß der Parade wegen, großzählig gehaltenen Wehrstandes, und in allerlei weisen Staatseinrichtungen, vor denen die ganze Welt einen tiefen Respekt bekommen muß; und nachher auch erst in dem, daß der Regent seiner Würde nach in seiner Wohnung als das erscheint, was er eigentlich ist, nämlich: Ein weiser Regent eines wahrhaft glücklichen großen Volkes.

11 Was nützt es aber einem Regenten, in goldenen Staatswagen herumzufahren, so sein Volk in dürftigste Lumpen gehüllt, traurig, matt und hungrig seufzet, weinet, klaget und von einer Verzweiflung in die andere dahin schmachtet! Was nützt es, den Schwachen alle Bürden aufzulegen, von denen sie erdrückt werden, selbst aber als ein stolzer Aar in hohen Lüften, – der armen Menschheit am harten Erdboden spottend – herumzuschweben und sich zu ergötzen am Elende der schreienden Armut? Die Armut wird sich in ihrem Todeskampfe entsetzlich rächen an solch einem Regenten, der füglicher ein Volksvampir als ein Volksregent genannt zu werden verdiente.

12 Siehe an solch stolze Herrscher, wie da Spanien, Frankreich und England schon einige getragen haben; sie fielen endlich als traurige Opfer einer entfesselten Volkswut! – Du bist aber im eigentlichsten Sinne noch ganz befangen von dieser Hofgrandezza, die weder vor den Menschen und noch viel weniger vor Gott einen Wert hat; lasse sie fahren, denn sie hat dir nie einen Segen gebracht, und wird dir noch weniger für die Ewigkeit je einen bringen; siehe, wäre deine Tochter nicht von einem ganz anderen Geiste durchdrungen worden, als wie von dem deinen, da bestände schon lange kein Österreich mehr; von allen Seiten wären sie über es hergefallen, wie die Raben über ein Aas, und hätten es zerrissen nach allen Seiten, wie sich's hernach auch unter deiner Tochter, ihrem Sohne, unter dem Leopold und Franz praktisch in teilweisem Maße gezeigt hat; und siehe, zu all diesen Übeln hast du den Samen gelegt. Und so lange die nachfolgenden Regenten in deinen Goldwagen fahren werden, werden sie von Prüfungen mancher trüber Art nicht befreit sein. Der Herr kann es zwar ändern und kann die veränderten Wagen segnen; aber leicht geht das nicht, besonders wo ein solches Gerät zu sehr aus den Tränen geheim weinender Völker geschaffen ward.

13 O Karl! du warst ein harter Regent; werde daher nun weich vor Gott deinem Herrn, auf daß du jene Wunden heilen magst, die dein übertriebener Hochmut den Völkern geschlagen hat. Warst du auch gerade kein böser Regent, so warst du aber dennoch ein harter; und darum werde nun weich vor Gott! und ein Balsam allen, die unter dir stark verwundet in eine krasse Nacht gelanget sind; denn es schmachten ihrer noch viele hier im Geisterreiche, die unter dir geblendet worden sind. Gehe daher nun her vor den Herrn, deinen Gott und unser aller Gott und Vater; lege deine große Schuldenlast zu den Füßen Jesus, des Herrn, auf daß Er dich stärke und gesund mache, in allem, wo du als höchst krank vor Ihm erscheinst. Denn bei Ihm sind alle Dinge möglich.«


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