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Kapitel 239

Einige irdisch-menschliche Torheiten und Schwachheiten kommen zum Vorschein. Ein Landmann, einige Gaflustige, eine Hausfrau, eine Betschwester mit einen Gebetbuch und einen Rosenkranz

Am 1. September 1850

1 Tritt ein Mensch, mehr dem Landvolke als dem der Stadt gehörig, ziemlich ältlichen Aussehens und durchaus kein Genius, zum Offizier hin und sagt in einer Art süßem Bauerntrema: »He, he, he, sö san a g'waltige g'scheidta Mann! Sö hab'n g'sagt, daß unsa liabi Herrgott da wär! He, he, he, sag'ns ma, der welche war's denn? Bitt' um Verzeihung, euer Gnoden!« – Der Offizier kommt hier beinahe aus der Fassung vor Unterdrückung der Lache, die sich seiner hier bemächtigen will ob der komischen Frageweise dieses Landmannes; aber er erholt sich bald und sagt darauf: »Mein lieber Freund! da seht hin; derselbe, der nun dort unter der Ecke des Hauses steht, und sich mit einem gewissen Robert Blum und gleich daneben auch mit dem seligen Kaiser Josef bespricht, und sehr schöne blonde Haare hat, wie sonst kein anderer um ihn herum. No, wie gefällt er euch denn?« –

2 Sagt der Landmann: »He, he, he, was sogen sö? Das wär' unser liabi Herrgott?! Du mein Gott, du mein Gott! Hätt' mir Ihn a ganz anderst vorg'stellt! Nix größer, als unser ans, und denno so allmächti dabei! Wahrhaftig, das is rar! So a klaner Herrgott und doch so allmächti! Das is wirkli rar! Wer sähet' Ihm das an?! Aber nix für unguet, euer Gnoden, i red' halt, wie ich's versteh'n tu!« –

3 Sagt der Offizier: »Ja, ja, mein lieber Freund, so ist es denn; man sieht es Ihm freilich nicht an, aber Er ist es dennoch. Aber nun seid ihr nur schön still, und begebet euch mit mir samt den anderen hin zu Ihm; ich werde euch alle Ihm vorführen, wie Er mir auch den Auftrag an euch alle gegeben hat. Er Selbst wird euch am allerbesten und am allerschnellsten belehren, und euch eurer Bestimmung am schnellsten zuführen. Lasset Ihn aber ja nicht lange warten, weil Ihm sonst am Ende denn doch die Geduld ausgehen könnte, und das wäre dann wahrlich kein Spaß mehr für uns; verstehet das wohl, meine lieben Freunde!« –

4 Treten ein paar andere hinzu und sagen: »Wir haben nur zu Hause, wie wir da den Lärm gehört haben, alles in der Unordnung verlassen; die unsrigen wußten nichts, wo wir hingekommen waren. Wenn wir nur einen Sprung noch nach Hause machen könnten, um den unsrigen etwas davon zu sagen, sonst werden sie in großen Sorgen sein, und werden nicht wissen, ob wir in die Luft oder in's Wasser gekommen sind.« –

5 Sagt der Offizier: »Ihr Toren! So ihr zu Gott dem Herrn kommen könnet, was kann euch wohl noch mächtiger am Herzen liegen? Euer ganzes Haus ist hier ja so nichts anderes, als eine eitel genug eingebildete nichtigste Chimäre. Die Wahrheit und Wirklichkeit fängt ja ohnehin erst hier an; alles bisherige war ja sonst nichts als ein eitel nichtiger Traum! Wollt ihr also den Traum pflegen, und dafür die große heilige Wirklichkeit auf's Spiel setzen? Habt ihr denn nicht gelesen, wo es geschrieben steht: Wer zu der Zeit aus dem Hause ist, der kehre nicht zurück, seinen Rock zu holen; wer auf dem Dache ist, der steige nicht herab usw. Wenn Gott der Herr uns beruft, so müssen wir augenblicklich alles verlassen können und Ihm folgen, sonst sind wir Seiner ewig nicht wert. Versteht ihr dieses? – ° Sehet, ich bin ein Offizier; wie oft habe ich mich in einer oder der anderen Station, in der Meinung, da werde ich nun etwa ein paar Jahre verbleiben, ganz kavalierment eingerichtet; um mir da recht gütlich tun zu können; in sechs Tagen in der Nacht kam der Befehl: Binnen drei Stunden muß alles marschfertig dastehen. Was habe ich machen wollen? Ich mußte, ohne auf einen Ersatz Rechnung machen zu dürfen, alles stante pede verlassen, und meine Füße nach der Trommel zu rühren anfangen; und was war am Ende der Grund von solch schneller Translozierung (Umsetzung)? Nichts als die Laune eines KriegsministeriumsPraktikanten oder Adjutanten. Und ich mußte mich zufriedenstellen.

6 Hier aber ruft Gott der Herr alles Lebens Selbst, und will uns für all' das Nichts, das wir je als etwas zu besitzen wähnten, Unaussprechliches für ewig geben. Ihr Toren! Was könnet ihr wohl verlassen Gott zu liebe, das Er euch nicht tausendfältig wieder zu erzetzen imstande wäre. Verstehet doch die Ordnung Gottes einmal; lasset ab von euren Torheiten, und erkennet was falsch und was wahr ist. Lasset Liebe zu Gott in euer Herz! und kommet mir mit keiner Torheit mehr, sondern folget mir zu Gott dem Herrn hin, sonst lasse ich euch stehen und sitzen in eurem Tale Josaphat.«

7 Sagt noch eine alte Dame, die ein Gebetbuch und einen Rosenkranz in der Hand hält: »Aber sie, gnädiger Herr Offizier! Glauben sie denn nicht, daß man unterwegs die 30 Schritte, zum wenigsten die heiligen Tagzeiten zu der allerseligsten Jungfrau Maria beten solle oder zum wenigsten einen halben Rosenkranz vom bitteren Leiden?« –

8 Sagt der Offizier: »O Gott! verleih' mir Geduld; jetzt kommt die alte Betschwester auch noch mit ihren Anständen!« Zu der Alten gewandt: »Möchten‘s nicht noch etwa auch beichten und kommunizieren früher? Wenn der wirkliche Herr und Gott da vor uns steht, werden wir doch hoffentlich keinen Gebackenen mehr brauchen! Schau, du alte Schlafhaube, ich bin nur ein bißchen gescheiter als du, und mir kommt dein Antrag schon sehr dumm und fade vor; wie dumm und fade muß er erst vor unserem lieben und allerweisesten Herrn und Gott erscheinen?

9 Werfet von euch alle die Geist und Seele tötenden Pfaffen-Instrumente, und gehet mit uns zu Dem hin, Der allein das Leben ist, und das Leben gibt aus Sich. Der wird es euch sagen, was ihr tun sollet. Glaubet ihr denn, der Herr habe eine Freude an solchen Dummheiten? Er hat mit den Torheiten der blinden Menschen wohl alle mögliche Geduld und Nachsicht, aber von einer Freude und von einem Wohlgefallen kann da doch ewig keine Rede sein; denn in der Geduld, die eigentlich nichts als ein von der großen Liebe gesänfteter und unterdrückter Ärger ist, kann keine Freude stecken. Geduld kommt vom Dulden her, und Dulden heißt Leiden aus Liebe, so der göttlichen Weisheit die zweckwidrigsten und dümmsten Sachen vorgemacht werden, und daran kann Gott ewig kein Wohlgefallen haben. Ich habe es euch aber schon früher gesagt, daß ihr mir mit keinen Dummheiten mehr kommen sollet, sonst lasse ich euch stehen. Nun sage ich's euch zum letzten Male, wenn mir jemand noch mit einer Dummheit kommt hier in diesem allerheiligsten und wichtigsten Momente für die Ewigkeit, der wird ohne weiters von dieser Gesellschaft ausgewiesen werden, und kann nach seiner Phantasiebehausung zurücckehren und sich für die ganze Ewigkeit Phantasie-Erdäpfel sieden und braten!« –

10 Sagt die Alte: »No, no, no, bitt' um Verzeihung, Herr Offizier! Ich hab's ja nicht gewußt, daß das Beten gar so was Gefehltes wäre. Ich hab's in meiner Meinung ja nur gut gemeint; ich weiß wohl das auch, daß das Beten gerade nichts Angenehmes ist, und daß man damit keinem Menschen eine besondere Freude machen kann; aber eben deswegen hab' ich gemeint, weil s' Beten was Unangenehmes ist, daß man sich selbst verleugnen solle, das Kreuz des Betens auf sich nehmen und Christus dem Herrn nachfolgen; und die vermöglichen Stadtleut' haben sonst halt wohl kein anderes besonderes Kreuz gehabt, als das liebe Beten; und wenn wir halt das auch nicht getragen hätten, da hätten wir dann ja gar kein Verdienst vor Gott! Und wann wir halt das Wegerl dahin auch noch so ein bissel von einem Kreuzerl getragen hätten, da hab' ich halt gemeint, hätten wir dann auch noch so ein kleines Verdiensterl dazu. Aber ich sehe jetzt nun schon, daß der Herr Offizier die heiligen Sachen besser verstehen als unsereins, und so tun wir denn auch das, was der Herr Offizier wollen!« –

11 Sagt der Offizier: »Bleibet mir ewig mit dem »Herr« weg; denn nur Gott allein ist der Herr; wir alle aber sind Brüder und Schwestern. O Herr! wie entsetzlich dumm sind doch Deine Menschen geworden! Das Gebet, die über alles entzückende Erhebung des Herzens zu Dir, heiliger Vater, den himmlischesten Akt des armen Menschen auf Erden wie hier in der Welt der Geister, halten sie für eine Art Bußkasteiung, für ein drückendes Kreuz. Ach, das ist denn doch etwas zu stark! Aber leider, ihre höchst geistlose und sinnlose Art zu beten, wodurch der Geist nicht belebt, sondern nur getötet wird, ist auch im Grunde bei Gott nichts anderes. Die Leute urteilen wenigstens über ihr Beten ganz richtig. Diese Menschen meinen es nach ihrem freilich höchst beschränkten Verständnisse nicht schlecht, und so muß man mit ihnen ja Geduld haben; aber so ein bißchen aufrütteln muß man sie denn doch, sonst würden sie schimmelig vor Dummheit. Herr, habe Geduld mit der Dummheit der Armen! Schlecht sind sie gerade nicht, aber dumm wie die Nacht. Das solle aber nichts machen, denn sie lassen sich ja belehren, nur muß man oft wider Willen einen etwas festeren Rüttler über sie kommen lassen, dann lassen sie ihre Dummheiten um desto eher fahren. Vielleicht kommen noch so ein paar alte Weiber her? Nun, ein bißchen rütteln; nachher tut es sich schon wieder.«

12 Kaum hat der Offizier diese Worte so mehr vor sich hin ausgesprochen, so kommt schon wieder eine andere Alte mit einem silbernen Reliquienkreuze zu ihm und sagt: »Verzeihen sie eine Frage: Das Kreuz da, vom Papste selbst dreimal geweiht und angerührt, hat mir ein hochwürdigster Pater Quardian der Kapuziner gegen dem verehrt, daß ich eine Schuld für's Kloster, es waren bloß so bei 600 Gulden C.M., bezahlt habe; und in diesem Kreuze sind bloß nur Reliquien von Christus dem Herrn drinnen. Was meinen sie denn, könnte ich etwa dieses mein teures Kleinod nicht Christus dem Herrn nun als eine Art Präsent vermachen?« – Der Offizier springt hier förmlich auf vor Ärger und sagt: »Nur zu so in der Dicke! O Gott, o Gott! sind diese Menschen aber doch so unbegreiflich dumm, wie man sie sich aber schon nicht noch dümmer vorstellen kann!« Dann spricht er zum Weibe: »Macht's nur immerhin euer Präsentl! In Gottes Namen! Nur so fort in der Dicke!«


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