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Kapitel 295

In dem Gemach mit den zwölf Türen. Unser Mond und die Sterne. Engel im freien Raum. Der rätselhafte Balkon. Von den Engel-Missionen. Kados Wirkungskreis

Am 14. Dezember 1850

1 Rede Ich: "Robert, öffne sogleich die erste Türe (an der Mitternachtsseite), und wir wollen dann sogleich einen Blick hinaus machen und sehen, was alles da den Strahlen unserer Augen begegnen wird.« –

2 Robert öffnet nun die erste der drei Türen und fährt vor großer Verwunderung wie von einem förmlichen Schwindel ergriffen zurück. Nach einer kurzen Weile sagt er: »O Herr, o Freunde! das ist wahrlich zu viel auf einmal für das Auge eines geschaffenen Geistes! Ich ersah den Mond der Erde, wie er leibt und lebt, am hohen Firmamente; er war im Vollichte und sah ungemein lieblich aus. Gar zarte Silberwölkchen umschwebten ihn, und im tiefen Hintergrunde erblickte ich noch eine Menge sehr hell leuchtender Sterne. Die Plejaden erkannte ich sogleich, und den Orion, und den großen Hund. Auch die Milchstraße war ganz hell, aber nicht als ein Schimmerdunst, sondern wie ein breites Band voll der herrlichsten Sternbilder ersichtlich. O Freunde! von hier aus so was zu erschauen, gewährt eine unbeschreibliche Lust im Hinblicke auf Dich, o Herr, Der Du die Unendlichkeit also herrlich erfüllt hast mit so glänzenden Werken Deiner Liebe, Weisheit und Macht.

3 Der große unendliche Raum aber ist nicht unausgefüllt zwischen den Weltkörpern; denn ich erblickte da Geister in großer Schnelligkeit hin und her schweben, von denen einige mir sehr nahe kamen und mich gar herzlichst begrüßten. Ach, da sieht es wirklich im höchsten Grade tätig aus, und das ist eben meine große Lust, Tätigkeit zu sehen und selbst nach Kräften Tätigkeit zu üben.«

4 Alle drängen sich nun zur Türe und durch sie auf einen großen Balkon, der vor jeder Türe sich befindet. Von diesem Balkon beschauen sie mit großer Lust den ganzen gestirnten Himmel und besprechen sich mit den Geistern, die im freien Raume umherschweben und dem Balkon nahe kommen, was sie allezeit um so lieber tun, so sie Mich am Balkon gewahren.

5 Robert fragt Mich, ob er, so er über das Geländer hinausstiege, auch so frei herumschweben könnte. – Sage Ich: »Versuche es, vielleicht geht es auch.«

6 Robert besieht sich die Tiefe unter ihm, weicht schnell vom Geländer zurück und sagt: »Herr! das werde ich nun bleiben lassen; denn unter uns ist eine große Tiefe.«

Am 16. Dezember 1850

7 ja, da gäbe es schon wieder Tausende von Fragen aller Art. z.B., wir sind denn doch, als wir von der Erde hier in dieser Stadt ankamen, auch ebenerdig in Dein heiliges Haus getreten und haben da von keinem solchen Balkon etwas bemerkt; und wir sind nun in selbem zu ebener Erde, und siehe da, das Zimmer sicher so groß und herrlich als der Saal ober uns; zwölf Türen, durch die man auf die Aussichtsbalkone gelangt, von denen zuvor aber auch nicht die leiseste Spur zu entdecken war; und man entdeckt da, daß dieses Haus gleich einem Weltkörper, anstatt auf irgend einem Grunde zu stehen, frei im Äther herumschwebt, während man dann von einer weiteren Stadt, die doch eine endlose Ausdehnung hat, nicht ein Häuschen mehr erblicken kann. Also gehen auch in gleicher Linie ganz gleiche drei Tore an einer und derselben Wand in diese sehr rätselhafte Freie heraus und siehe da, ich sehe sie nicht. Herr und Vater! das ist wahrlich wahr etwas stark. Wer das so recht ex fundamento (aus dem Grunde) begreift, der muß wahrlich, wie man sagt, ein Kind guter Eltern sein.

8 Nein, nein, Himmel hin, Himmel her! Aber das geht einmal in meinen Sinn nicht ein. Ja, ich sehe da nicht einmal die Möglichkeit ein, das je begreifen zu können. Ist das bloß eine geistige Art Phantasmagorie? oder eine Art geistigen Dioramas? oder ist das eine sonstige Art geistig optischer Täuschung? Denn sonst ist mir die Sache unerklärlich; denn Wirklichkeit kann das unmöglich sein. Entweder ist der Himmel wahr, und das muß dann bloß nur eine Illusion sein oder das ist wahr und der Himmel eine Illusion. O Herr und Vater! Da bitte ich Dich wohl im Namen aller um eine schnelle Aufklärung, sonst verzehrt mich die Ungeduld.

9 Es sind wohl beim Eintritte in die Geisterwelt mir auch oft gar sonderbare Erscheinungen aufgestoßen, und zwar hauptsächlich in meinem ersten Hause; aber ich konnte sie nach und nach fassen, weil sie eigentlich korrespondierend mit meinem Innersten in die Erscheinlichkeit traten. Aber da bin ich ja eigentlich mein Allerinnerstes selbst, hinter dem sich doch sicher nichts mehr noch Inneres verbergen kann. Woher dann diese so seltsame Erscheinung?«

10 Sage Ich: »Nur Geduld, mein lieber Freund! Mit der Weile wird dir schon all' dieses klar werden, obschon du hernach ewig fort noch gar endlos vieles ebenso wenig begreifen wirst, wie dieses Leichte nun. Nun aber treten wir wieder in's Gemach und tun da einen Blick durch die zweite Türe.«

11 Alle treten nun schnell zurück, und Kaiser Rudolf fragt Mich im Gemache, sagend: »Herr und Vater! Was da die vom Bruder Robert angeführten Unwißtümlichkeiten betrifft, so haben sie mich imgrunde gar nicht geniert, denn ich dachte bei mir: Unbegreiflich ist es freilich wohl, und die Bestandsverhältnisse kontrastieren hier auf eine wunderbarste Weise, und dürften für geschaffene Geister wohl noch so ziemlich lange unbegreiflich bleiben, darüber ich mich im Grunde gar nicht aufhalte, denn so lange ich den Vollgrund einer Sache oder einer Erscheinung nicht einsehe, bleibt sie für mich im stets gleich hohen Interesse; sehe ich aber endlich einmal so was ein, dann ist das Hauptinteresse auch schon dahin; denn nur das unbegreiflich Wunderbare nimmt stets alle unsere Aufmerksamkeit in den vollsten Anspruch; das verstandene Natürliche aber wird ganz gleichgültig, denn da wir es verstehen, wie es ist und geschieht, so denken wir dann entweder auch gar nicht oder nur sehr wenig darüber nach, und das stört das Vergnügen samt der durch dasselbe bedingten Seligkeit. Nur das Unbegreifliche ist und bleibt sehr interessant; ° das einmal vom Grunde aus Wohlbegriffene aber, wenigstens für mich, nimmer. Ich habe daher auf der Erde auch nie hinter so manche Geheimnisse der Künstler, die an meinem Hofe lebten, dringen gewollt, denn hätte ich so wie sie ihre Geschichten und Sachen verstanden und eingesehen, so hätten sie für mich auch alsbald alles Interessante verloren, und solch ein Künstler wäre dann von mir auch bald pensioniert worden.

12 Also mich juckt es nicht also wie den Bruder Robert, die Gründe von all' diesen Wundern einzusehen, nur etwas möchte ich wissen, und das ist, wer etwa doch jene Geister sind, die vor uns im freien Äther gespielt haben? Daß sie in ihrer Art auch sehr glücklich sein müssen, habe ich aus der großen Freundlichkeit ihrer Gesichter abgenommen; aber wer sie eigentlich sind und was ihre Bestimmung ist, das kann Dir, o Herr und Vater, ganz allein nur bekannt sein. Wenn es Dir genehm wäre, so möchte ich darüber wohl selbst einen kleinen Aufschluß haben.«

13 Sage Ich: »Das sind im Geschäfte stehende Engel dieses obersten Himmels. So ihr dazu mit der erforderlichen Weisheit werdet ausgerüstet sein, dann werdet auch ihr von Periode zu Periode in ihr Geschäft treten. Sie stehen für die Erhaltung aller Welten und sind deren oberste Leiter und Führer. Siehe, solch ein munterer Engel ist nicht selten ein Herr und Regent eines ganzen Sonnengebietes; um aber solch eine Regentschaft antreten zu können, muß er vorher freilich sehr vieles kennen lernen und muß viele Schulen durchmachen. Unser Kado, ein sehr talentierter Geist, hat bereits auf der Erde zu dienen und zu regieren angefangen. Er macht seine Sachen gut und versteht die verschiedenen Geister im vollen Respekte zu erhalten; deshalb aber bekommt er auch einen stets größeren Wirkungskreis.

14 Im Anfange wird jedem nur ein kleiner Kreis zugewiesen; ist er in diesem treu und vollauf tätig, so wird er dann bald über Größeres gesetzt werden. Dem Kado war anfangs nur ein kleiner Kreis aus kaum zwei ganz kleinen Ländern, die du kennst, zur Leitung und Überwachung anvertraut; und siehe, nun streckt er sein Zepter schon über mehr als halb Europa aus, und wird, wenn er so fortfährt, bald die ganze Erde unter der Macht seines Willens haben. Hat er bei der Erde bewiesen, daß er mit der ihm verliehenen Macht umzugehen versteht, so wird er dann die Sonne zur Leitung bekommen; endlich mit ihr das ganze Planetentum, und so fort, bis er ein Herr eines ganzen Sonnengebietes ist. Verstehst du nun, wer die Geister, die draußen vor uns vorübergeschwebt sind, so ganz eigentlich sind?«

15 Spricht Kaiser Rudolf: »Ja, Herr und Vater! Ich verstehe es nun, aber ich schaffe (habe) für mich von dieser Würde eben nicht gar vieles, denn so ein Engel hat ja dann aber auch nie eine Weile hierher zu kommen, um allda ein wenig auszuruhen von seinen großen Anstrengungen.« – Sage Ich: »Ach, da sorge du dich um 'was anderes! Ein jeder solcher Engel hat Millionen unter sich, die da vollbringen seinen Willen, und er kann, so oft er will, hierher kommen und von Mir Selbst fernere Verhaltungsmaßregeln und dazu die nötigen Stärkungen einnehmen. Beim ehedem abgehaltenen großen Mahle hast du viele gesehen, die nun schon wieder an den Orten ihrer Tätigkeit sich befinden.

16 Aber nun einen Blick durch diese zweite Türe! Sie ist schon offen, und so treten wir denn hinaus. Da stehen wir schon am zweiten Balkon; was sehet ihr hier?«

17 Alle staunen über die Maßen, denn sie sehen hier das wunderherrliche Land des Mittelgürtels der Sonne, und können sich nicht genug verwundern über dessen Herrlichkeit. Sie sehen auch Menschen, aber für jetzt noch in einer solchen weiten Ferne, daß sie deren Formen nicht wohl ausnehmen können; denn für diese wären sie im Ganzen noch zu wenig festen Herzens.

18 Es tritt nun auch der Robert wieder zu Mir, und sagt: »O mein lieber, heiligster Vater! Der Bruder Rudolf hat imgrunde wahrlich nicht unrecht; auch ich sehe nun ein, daß bei solchen Erscheinungen alles Fragen vollkommen eitel ist und sein muß. Da gibt es nun des Wunderbaren noch um vieles mehr als bei der früheren Türe; mit den Fragen würde man da wohl in alle Ewigkeit nicht fertig, deshalb ist es wahrlich besser, diese Sache der Himmel seligst und ruhig zu genießen und dabei in einer allersüßesten Geduld dahin abzuwarten, bis es Dir, o Herr und Vater, genehm sein wird, uns darüber ein helleres Licht geben zu wollen. Aber die Menschen müssen da sehr schön sein; ich kann zwar ihre Formen nicht näher ausnehmen; aber so viel merke ich schon, daß sie ganz ungeheuer schön sein müssen.«

19 Sage Ich: »Siehe, das ist die Sonne und ihre eigentlichen Bewohner. Die etwas Dunkleren sind noch in der Materie; die Lichteren aber sind Geister und hausen auch in der Sonne. Später wirst du schon noch alles ganz vollkommen lernen; aber für jetzt wäre es noch etwas zu früh. Gesehen haben wir nun, was die zweite Türe verschließt; daher begeben wir uns nun sogleich zur dritten Türe dieser Wand.«

20 Wir treten sogleich wieder in's Gemach, und allda in die dritte schon offen stehende Türe. Uns am Balkone dieser Türe befindend, ersehen wir eine ganz natürlich erleuchtete Welt, ganz nahe am dritten Aussichtsbalkon. Es kann von ihr natürlich wie früher bei der Sonne nur ein kleiner Landstrich auf einmal übersehen werden. Robert fragt sogleich, was denn das so ganz eigentlich für eine Welt wäre, ob vielleicht noch ein dunklerer Teil der Sonnenwelt? –

21 Sage Ich: »O nein! Das ist der Erde Mond; siehe dessen düsteres Land und dort in einiger Ferne eine kleine Gruppe zwerghafter menschlicher Wesen. Es sind das die eigentlichen Einwohner der von der Erde stets abgewandten Seite. Ihre größte Lust sind ihre Weibchen, die sie auch aus purer Liebe und Zärtlichkeit zumeist auf ihren Schultern herumtragen. Ober ihnen, einige Klafter hoch, sehet ihr ganz muntere Geister herumschweben. Das sind die Seelen verstorbener Mondmenschlein; ihre Freude ist, ihren noch sterblichen Brüdern Gutes zu tun und sie vor mannigfachen Gefahren zu schützen. Hauptsächlich richten sie ihr Augenmerk darauf, daß die sehr materiellen Geister, die die der Erde stets zugewandte kahle Seite des Mondes sehr kastenmäßig bewohnen, nicht zu den Bewohnern der negativen Seite des Mondes gelangen können, wo sie ihnen bedeutende Gefahren in's Haus bringen würden, das in einer unterirdischen Höhle besteht.

22 Für jetzt wisset ihr genug von der Einrichtung dieses kleinen Weltkörpers; in der Folge und auf den Wegen der euch zukommenden Beschäftigung werdet ihr das alles durch und durch kennen lernen; daher wollen wir uns nun auch nicht länger mit der Besichtigung dieser kleinen Welt abgeben, sondern uns sogleich in die erste Türe an der abendlichen Wand begeben, und von dort wieder eine neue Betrachtung der Außenwelt machen.«


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