Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel 201

Der Steuerkassierer wird vom Herrn aufgenommen und belehrt; der Zöllner wird zurückgewiesen. Des Paulus Missionsgang in das Haus »zum guten Hirten«

1 Rede Ich: »O ja, das tun wir recht gerne! was in unseren Kräften steht, das werden wir auch sicher tun; nur mußt auch du dann deinen Teil zu verrichten nicht unterlassen! Bleibe also deinem Wunsche nach bei uns und gebe auf alles acht, was wir reden und tun werden, und tue das, was dir gut dünken wird, und du wirst auf diese Art bald ins klare kommen.«

2 Hier tritt auch unser Sergeant vor und fragt: »Freund! darf auch ich bleiben? denn ich habe mich auch eines etwas Besseren besonnen!« – Sage Ich zu ihm: »Du bist wie ein Fuchs und trauest dir viel zu; aber es wird nicht ein jeder angenommen, der da kommt und sagt: Freund, auch ich will bei dir bleiben! Der bei Mir bleiben will, der muß eines reineren Herzens sein denn du! Hast du doch nie an Christus geglaubt, wie möchtest du nun dem folgen, den du für einen verschmitzten Jesuiten hältst? Wir werden uns wohl noch einmal wo sehen, aber für jetzt wäre es für dich und deine Erkenntnis noch zu früh; daher gehe du nur wieder auf deinen Kaiserlich-Königlichen Posten zurück, und gebe zuerst dem Kaiser das seine, und sehe, wie du dann Gott das Seine geben wirst! Es stehet aber geschrieben: Zu der Zeit aber werden zwei in einer Mühle sein, der eine wird angenommen, und der andere belassen werden; und zwei werden auf dem Felde sein, der eine wird angenommen, und der andere am Felde belassen werden. Du wardst geladen, und fandst es nicht der Mühe wert, der Einladung zu folgen; darum werden die an den Straßen und Zäunen eher zu Mir kommen und ein Gastmahl halten mit Mir, denn die zuerst Geladenen.« –

3 Spricht der Sergeant: »Bei der Sprach' wird's einem ehrlichen Menschen ohnehin übel, und somit Gott befohlen!« – Hier geht der Sergeant wieder auf seinen Posten zurück, natürlich schimpfend.

4 Der Verzehrsteuer-Einnehmer aber sagt: »Das hätt' ich von diesem Menschen nicht geglaubet, daß er so widerchristlicher Art wäre. Es ist wohl schwer, Christus für den allmächtigen Gott anzunehmen, da man unter dem Begriffe Gott etwas zu unendlich Großes und heiligst Erhabenstes sich vorstellet; während Christus doch nur ganz vollkommen ein Mensch war, so wie ein jedweder andere Mensch, nur mit dem Unterschiede, daß Er mit dem Geiste Gottes sehr erfüllt war; mehr noch denn ein Moses, Samuel, Elias und noch eine Menge andere Propheten. Aber Christus ganz zu verwerfen, ihm nicht einmal die Würde eines Weisen, Der Er doch sicherst war, zu kommen zu lassen, das ist etwas zu stark!«

5 Sage Ich: »Gut, gut, was aber hältst du von Christus?« – Spricht der Einnehmer: »O, ich halte Ihn solange für das höchste Gottwesen, als bis sich nicht irgend ein anderer größerer, besserer und vollkommener Gott wird auffinden lassen. Denn mit einem Gotte, Der zu endlos großen Wesens ist, und den daher auch nie ein geschaffenes endliches Wesen erschauen wird können, ist mir wahrlich wenig gedient. Christus ja, der ist mir schon recht; aber irgendwo ein unendlich großer Gott Vater oder ein noch unbegreiflicher heiliger Geist können von mir aus sein wie sie wollen, mich werden sie nie genieren. Ich halte mich einmal an Christus; das andere wird dann schon Er machen!«

6 Sage Ich: »Nun recht, recht so; halte dich nur recht an Ihn, so fest als dir nur immer möglich (ist); alles andere wird sich dann schon von selbst finden und machen lassen. Nun aber kommt Petrus aus dem Hause; wir wollen hören, welche Effekte er darinnen zuwege gebracht hat.« – Spricht Petrus: »Herr, wahrlich, da sieht es schlimm aus; ohne Gericht wird sich da wenig bezwecken lassen! Denn da gibt es eine Verstocktheit, eine Blindheit und einen Wahn, der selbst in Sodom und Gomorrha kaum anzutreffen gewesen sein möchte, als Du, o Herr, sie mit Schwefel vom Himmel vernichtet hast. Wäre ich angreifbar, wahrlich diese Brut da drin hätte mich in die kleinsten Stücke zerrissen. Herr, die Kranken bedürfen eines kuriosen Arztes und einer ebenso kuriosen Medizin.«

7 Sage Ich: »Nun, gut denn, so lassen wir sie, aufdringen werden wir uns niemandem; und so ziehen wir weiter!« – Spricht Robert: »O Wien, o Wien! auch du hast gerichtet, die zu dir gesandt waren; der Herr vergebe es dir! Ich werde keine Rache je an dir nehmen; aber da du des Herrn vergessen willst, da du dich mächtig wähnest durch die Gewalt deiner Wehrmänner und ihrer Waffen, so wirst du sehr gewaltig heimgesucht werden. Du magst den Herrn nicht annehmen, so Er dich heimsucht und dich heilen will; darum aber wird eine große Trübsal über dich kommen und eine große Not und Schmach; und du wirst dann rufen: Herr, Herr helfe mit! Aber der Herr wird verziehen und die Hilfe wird dir zu spät werden.« – Rede Ich: »Ja, ja, du sollst recht haben! Ich will hier auf diesem Wege nicht vorhersehen, sondern es nehmen, wie wir's hier finden werden; aber solle uns allenthalben ein solcher Empfang werden, dann Robert sollst du vollends recht haben.«

Am 8. Juni 1850

8 Wir begeben uns nun weiter und kommen bald wieder zu einem Hause, wo an der Außenmauer ein guter Hirte aufgemalet ist, und die Helena sagt: »Herr! sieh', hier heißt es zum guten Hirten; unter solch einem guten Aushängeschild dürften vielleicht etwas bessere Geister hausen!« – Sage Ich: »Ich will nicht vorhersehen, gehet aber hinein und erforschet es!« – Spricht der Einnehmer: »Meines schwachen Wissens hat dies noch nie etwas besonderes beherberget; ich meine, das wird noch schlechter bestellet sein als das frühere.« – Spricht Robert: »Einen Versuch können wir ja wagen, was kann uns geschehen?« –

9 Sagt Johannes: »So ihr wollt, will ich das Haus betreten.« – Sagt Paulus: »Bruder im Herrn! mit Heiden kann ich am wirksamsten umgehen; daher lasse mich hier einen Versuch machen; denn du, mein geliebtester Bruder, bist viel zu sanft gegenüber solchen Wesen, und würdest auch wenig ausrichten; ich aber bin etwas barsch und ernst, und verlange, wo du zu bitten pflegest. So hier noch was zu richten ist, da werde ich sicher nicht leer ausgehen. Richte ich aber nichts, so werdet ihr, du und Petrus, auch nichts ausrichten.« – Spricht Johannes: »Lieber Bruder im Herrn! sehr gerne gönne ich dir dies Geschäft im Hause Roberts; aber ich meine, daß hier auch deine Schritte vergeblich sein werden; denn wo die Liebe leer ausgeht, da geht der Ernst noch leerer aus.«


 << zurück weiter >>