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Kapitel 237

Des Offiziers Rede vor dem Herrn, den er jedoch noch nicht erkennt; seine warme Liebe zu Ihm, läßt vor Ihm »präsentieren«. Herrliche Szene zwischen dem Vater von Ewigkeit und dem erweckten Sohne. Die Bruderliebe des Offiziers bittet für seine Soldaten

Am 29. August 1850

1 Robert führt den Offizier zu Mir hin und sagt: »Dieser ist es, von dem die großen Schöpfungen zeugen, alle Propheten und Sein eigenes heiliges Wort, ein Wort aller Worte, das große Wort vom Vater, von der ewigsten reinsten Liebe!« –

2 Spricht der Offizier: »Aha, also dieser solle es ein?! Ja, ja, das ist ja derselbe, der ehedem den Soldatenstand, als du über denselben losgezogen hast, sehr lobend in den Schutz nahm. Ach, der Mann gefällt mir sehr wohl, auch ohne deshalb ein Gott sein zu müssen! Schau, Robert, wenn aus eines Mannes Brust Gerechtigkeit, richtige Beurteilung jedes Standes und jeder Sachlage, gute Gesinnung, Liebe für Ordnung und Recht und rechte Liebe zum Nächsten wie aus einem reichen Borne hervorquillt in stets gleicher ungeschwächter Kraft und Fülle durch Wort und Tat, so ist er, wenn auch gerade selbst kein Gott, aber dennoch sicher erfüllt von einem starken Geiste aus Gott, und verdient daher die höchste Achtung und Liebe eines jeden rechtlich und bieder denkenden Mannes; und diese zolle ich auch diesem Manne, bei dem ich ehedem solche Eigenschaften hocherfreulich entdeckt habe, aus allen Kräften meines Lebens.

3 He! Soldaten, habt acht! Präsentiert vor diesem Manne! Er trägt zwar kein goldenes Porte epée auf dem Degengriffe, aber dafür ein zehnfaches in seinem Herzen, und vor so einem Manne muß man dreimal »Gewehr aus!« rufen, den Grenadiermarsch schlagen und dreimal präsentieren; denn derlei Männer sind in der Zeit rar geworden. – Komm' her an meine rauhe Soldatenbrust, du biederer Ehrenmann! Die Brust eines Kriegers ist zwar rauh anzufühlen; sie ist eine wahre Gesetzesmaschine; aber hinter der Maschine schlägt oft ein Herz sehr warm für Gott, Kaiser, Vaterland, Recht und Ordnung, und an so ein Herz in meiner Brust drücke ich denn auch dich, du Edelster der Edelsten!«

4 Hier umarmt er Mich, und küßt Mich, so zu sagen, klein ab, und sagt darauf: »O du selten heiliger Genuß! Wahrlich, es gibt viel Schönes auf Gottes weiter Erde und viel, was so manches Herz oft mit Wonne, oft mit süßer Wehmut erfüllt, aber das Herrlichste des Herrlichsten ist doch der erste warme Freundschaftskuß zweier sich wohl erkannt habenden Biedermänner. Darum sei du mir auch so warm als nur immer möglich gegrüßt; denn deine früheren Worte an den Robert haben dich mir als einen Mann gezeigt, der Kopf und Herz am rechten Flecke hat. He! Soldaten, noch einmal – dreimal Gewehr aus! Grenadiermarsch! und präsentiert!«

5 Bei dieser etwas lärmenden Gelegenheit werden mehrere Menschen beiderlei Geschlechtes aus den Häusern gelockt, und die Neugierde treibt sie an, sich an Ort und Stelle zu begeben, um zu sehen, was da geschähe. – Als wir so ziemlich von Zuschauern aller Art umlagert sind, will der Offizier den Soldaten befehlen, die gafflustige Menge auseinander zutreiben; Ich aber sage zu ihm: »Freund! lasse das; auch diese Müßiggänger und Pflastertreter sollen sehen, wie da aussieht das Heil der Welt! Das sind halbtote Wesen, die niemanden etwas nützen, noch eben auch etwas schaden können; lassen wir sie daher gaffen!«

6 Der Offizier befolgt Meinen Rat und sagt zu Mir: »Mein herrlichster Freund! es tut mir sehr leid, daß ich dich verlassen muß; aber du weißt, daß des Kriegers Zeit auf die Minuten berechnet ist, und ich daher mit meiner Truppe weiterziehen muß, nach dem Orte unserer militärischen Bestimmung. Lebe daher wohl! und meine größte Freude wird es sein, dich ehestens irgendwo wieder zu treffen!« – Hier umarmt Mich der Offizier noch einmal, und küßt Mich mit tränenfeuchten Augen, und will sich darauf entfernen mit sichtlich schwerem Herzen.

7 Ich aber sage zu ihm mit weitgeöffneten Armen: »Mein Sohn! Ich sage dir: Du bleibst hier! denn du hast nicht umsonst solche Liebe zu Mir empfunden, die dich an Meine Brust gezogen hat. Ich bin ja dein wahrer Vater von Ewigkeit. Die Binde, die deine Augen hinderte, Mich sogleich zu erkennen, sei dir für ewig genommen! Und der Vater freut sich nun, einen so lieben Sohn an seine Brust drücken zu können! Dies steht allezeit beim Sohne, und nicht beim allmächtigen Vater. Der Sohn muß frei sein, sonst erträgt er nicht die Allmacht des Vaters! Du bist aber nun frei geworden, daher komme her an die lang' ersehnte Brust deines ewigen, allmächtigen, allein wahren Vaters!«

8 Hier erkennt Mich der Offizier, stößt einen Schrei der höchsten Freude aus, und fällt vor Mir auf den Boden hin und sagt: »O Du mein großer Gott! Ich bin ja ein Sünder; wie solle ich nun an Deine heiligste Brust kommen?!«

9 Ich aber sage: »Stehe auf, Mein Sohn, und komm! So Ich dich »Sohn« heiße, da bist du ohne Sünde denn wer so wie du in seinem Herzen Liebe trägt, der hat keine Sünde mehr, und hätte er Sünden gehabt, so viel des Sandes ist im Meere und des Grases auf der Erde, so sind sie ihm alle vergeben darum, weil er die Liebe hat in seinem Herzen!«

10 Nach diesen Worten erhebt sich der Offizier vom Boden, sieht wie trunken nach Mir hin und sagt mit hoher Begeisterung: »Es ist ja dieselbe heilige Brust, die ich früher unwürdigster Weise als Blinder zweimal umarmt habe; warum solle ich mich nun fürchten vor ihr, da ich sie erkenne?! O Du mein heiligster Vater! Du bist ja mein, mein, mein lieber, guter, heiliger Vater ewig!« – Hier fällt er Mir wieder an die Brust und sagt: »O welch ein Glück, welch eine Seligkeit, den wahren Vater gefunden zu haben! O Vaterliebe, du heiligstes, größtes Wort! Was birgst du in deinen ewig unergründlichen heiligen Tiefen!« – Hierauf weint er vor Liebe zum Vater; Ich aber stärke ihn, daß er Meine Liebe ertragen kann.

11 Nach einer Weile läßt Mich der Offizier wieder aus und sagt mit ganz verweinten Augen: »O lieber Vater! Du heilige, ewige Güte! Siehe, ich bin zwar nun so selig, als nur je ein Wesen selig sein kann, aber da sieh' gnädig hin auf meine recht brave Truppe! Nimm sie auch an, denke nicht ihrer Gebrechen; sei ihr wie mir gnädig und barmherzig!«

12 Sage Ich: »Mein geliebtester Sohn! Bist schon etwas zu spät gekommen mit deiner Bitte; denn Ich habe sie schon alle angenommen. Du aber wirst auch in Meinem Reiche ihr Führer und Lehrer sein, und wirst an diesen deinen Waffenbrüdern Freude haben für ewig. Sie haben viele Schätze in sich, die du erst wirst kennen lernen, so du sie von Stufe zu Stufe höher erheben wirst. Ich sage dir: Einer schon faßt mehr in sich, als alles, was dein irdisch Auge in Meinen Schöpfungen je geschaut hat!«

13 Der Offizier aber bemerkt auch, wie die herbeigeeilte schaulustige Menge ganz gerührt diese Szene zwischen Sohn und dem wiedergefundenen Vater betrachtet, denn die Menge meint, dieser Offizier habe etwa seinen natürlichen Vater, den er schon lange nicht gesehen und gesprochen hatte, gefunden, und sei darob nun so gerührt, und dann sagt der Offizier zu Mir: »Vater sieh' hin! die Halbtoten scheinen lebendiger werden zu wollen, wie wäre es denn, so wir auch sie bei uns bleiben hießen? Mich dauern sie von ganzem Herzen; ich möchte sie gleich auch alle zu mir nehmen. Ist auch irgend ein etwas räudiges Schäflein darunter, das wird sich ja wohl etwa mit gerechten Mitteln reinigen lassen.« –

14 Sage Ich: »Mein geliebtester Sohn! Auch das ist schon geschehen, und du sollst sie alle unter dein Regiment bekommen und ihr Führer und ihr Lehrer sein. Ich ließ sie deshalb von dir ja nicht auseinandertreiben; gehe hin und sage ihnen, was du nun gesehen und erfahren hast, und sie werden dir folgen.«


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