Anatole France
Die Insel der Pinguine
Anatole France

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Nachwort des Übersetzers

Leicht wird jedermann in der »Insel der Pinguine« die Traditionen des Roman de Renard, der Satire Ménippée, des »Candide« erkennen, und offenbar wird sein, wo sie im Werk des verschlagenen Greises Anatole France ihren Platz hat.

Doch werden kurze Erklärungen den Sinn der Mystifikation noch aufhellen, den die deutsche Sprachform hier und da trüben muß. Von Buch zu Buch spielen andere Zusammenhänge. Die frommen Sagen, der rationalistische Traktat über die Geburt der Sittlichkeit und der politischen Ordnung, die historischen Bildchen mit ihrer gedämpften Buntheit leiten die Abschnitte nur ein, um derenwillen das Ganze wohl geschrieben worden ist: die neuen Spottbücher gegen die »Royalisten«, die Patrioten, die »trublions« von damals. Zuletzt wird für die »Insel der Pinguine« ein Namenschlüssel geradezu erforderlich. France gibt ihn nicht, aus der Distanz mag er versucht werden. Den Reigen eröffnet, wenn die liebenswürdigen Figuren des Heiligen und seiner Tiere, der Urmenschen und der Königinnen, der geduldigen Schreiber und Maler verblaßt sind, Trinke, dieser von einem Pazifisten abgelehnte Napoleon. Ihm folgt Chatillon, der General Boulanger. Seine geistlichen Helfer, die Patres Agarie und Cornemuse, vertreten die Jesuiten und die kongreganistischen Mönche, seine Buhle, die Vikomtesse Olive, hat eine vage Ähnlichkeit mit Frau von Bonnemains, und beim Prinzen Boscénos, dem kindlichen Wüterich, scheint Déroulède Pate gestanden zu haben. Der Präsident Formose, Théodore benannt, ist, trotz Carnot, nach Félix Faure, dem nobelsten der Lederhändler, porträtiert, dessen Zeit erst später kam. Und diesem Anachronismus entspricht die Unstimmigkeit, daß die »Marsouins«, die Nachbarn der Pinguine, die wie die »Meerschweinchen«, die französischen Marine-Infanteristen heißen, bald England darstellen, bald Deutschland.

Der »Fall der achtzigtausend Heubündel ist, wie ein Kind sieht, der Fall Dreyfus. Er selbst ist Pyrot, General Greatauk der Kriegsminister Mercier, Panther ist Boisdeffre und Gonse, Maubec de la Dentdulyur der Abenteurer Valsin-Esterhazy, Robin Mielleux der Ministerpräsident Méline, Colomban der Bürger Zola, Kerdanic der einstige Clemenceau. La Trinité ist Brisson, Péniche Cavaignac, Van Julep der General Zurlinden. In Bidault-Coquille darf man ein Stück France und, eher als ein bestimmtes Modell, den Gesamttypus der »Intellektuellen« vermuten. Maniflore scheint ein wenig nach der galanten Frau Durand, der Besitzerin der »Fronde«, ein wenig nach der roten Journalistin Séverine, der Théroigne von heute, skizziert zu sein, der Genosse Phönix ist Jaurès, der Genosse Larrivée Millerand.

Sprunghaft und schwer zu kontrollieren sind die gefährlichen Bosheiten der »Madame Cérès«. Nur in Hippolyt Cérès, dem »fort de la halle«, verrät sich Maurice Rouvier, der Levantiner. Crombile ist der hitzige, kleine Delcassé, Nigritien ist Marokko. Doch schon Paul Visire, der elegant ist wie Deschanel, zerrinnt im Schatten.

Eine besondere Lust hat Frame sich in der Vorrede bereitet, dieser witzigen Abrechnung mit den Kritikern seiner »Jeanne d'Arc«, mit dem Institut, den Gelehrten, den Pedanten. Im Schlußteil, der Zukunftsvision, trifft man ihn auf den Spuren von H. G. Wells und anderen Utopisten Englands.


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