Anatole France
Die Insel der Pinguine
Anatole France

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Drittes Kapitel

Des heiligen Maël Versuchung

Kaum hatte der selige Maël in der Abtei von Yvern die Satzung wiederhergestellt, da erfuhr er, daß die Bewohner des Eilands Hoedic, seine ersten und ihm teuersten Glaubenszöglinge, zum Heidentum zurückgekehrt waren, und daß sie Blumenkränze und Wollbändchen an die Zweige des geweihten Feigenbaumes hängten.

Der Fährmann, der diese Schmerzensbotschaft bestellte, äußerte zugleich die Besorgnis, daß diese verirrten Menschen die am Gestade ihrer Insel erhobene Kapelle mit Feuer und Schwert zerstören würden.

Der fromme Mann beschloß, ohne Zaudern nach seinen ungetreuen Kindern zu sehen, um sie dem Glauben wieder zu erobern und an gewaltsamer Heiligtumsschändung zu hindern. Als er sich zu der wilden Bucht begab, wo sein Steintrog im Ankergrund plätscherte, wandte er den Blick zu der Werft, die er dreißig Jahre früher zum Schiffbau an dieser Bucht errichtet hatte, und die um diese Stunde vom Geräusch der Sägen und Hämmer tönte.

Da schlich der Teufel, der nimmer müde wird, sich aus der Werft, nahte dem frommen Mann in Gestalt eines Mönches mit Namen Samson und versuchte ihn mit den Worten:

»Mein Vater, die Einwohner der Insel Hoedie begehen unablässige Übeltat. Jeder Augenblick, der verrinnt, entfernt sie von Gott. Bald werden sie mit Feuer und Schwert die Kapelle verwüsten, die Ihr mit Euren verehrungswürdigen Händen an der Insel Gestade gebaut habt. Die Zeit drängt. Denkt Ihr nicht, daß Euer Steinkübel Euch schneller zu ihnen führen würde, wäre er wie eine Barke gestaltet und hätte Steuerruder, Mast und Segel? Denn dann würdet Ihr vom Wind geschoben. Eure Arme sind noch stark und können ein Fahrzeug steuern. Ingleichen wäre es gut, einen scharfen Steven am Vorderteil eures apostolischen Troges anzubringen. Ihr seid ja weise und habt daran wohl schon gedacht.«

»Allerdings,« erwiderte der fromme Mann, »die Zeit drängt. Doch möchte ich deinem Wunsch willfahren, mein Sohn, hieße das nicht so handeln wie glaubensschwache Menschen, die dem Herrn nicht vertrauen? Hieße es nicht die Geschenke dessen mißachten, der mir den Steinbottich ohne Stricke und Segel gesandt hat?«

Auf diese Frage antwortete der Teufel, der ein großer Theologe ist, mit der zweiten Frage:

»Mein Vater, ist es löblich, mit verschränkten Armen der Hilfe von oben zu harren und alles von dem zu verlangen, der alles kann, statt nach menschlicher Klugheit zu tun und sich selbst zu helfen?«

»Gewiß nicht,« entgegnete der heilige Greis Maël, »und der versucht Gott, der nach menschlicher Klugheit zu tun versäumt.«

»Ist nicht,« stieß der Teufel ihn weiter, »in diesem Fall der Klugheit Gebot, den Trog zu betakeln?«

»Es wäre Klugheit, falls man anders nicht hinkommen könnte.«

»Hehe! ist Euer Trog denn so rasch?«

»Er ist so rasch, wie es Gott gefällt.«

»Was wisset Ihr? Er ist plump wie der Schuh des Abtes Budok. Ein richtiger Holzschuh ist es. Sollte es Euch verboten sein, ihn zu beschleunigen?«

»Mein Sohn, deine Reden sind mit Klarheit geschmückt, doch allzu spitzig. Bedenke, dieser Trog ist ein Wundertrog.«

»Das ist er, mein Vater. Ein Granittrog, der wie ein Korkpfropfen auf dem Wasser schwimmt, ist ein Wundertrog. Daran läßt sich nicht zweifeln. Was schließt Ihr daraus?«

»Ich bin in großer Verlegenheit. Darf man ein so wunderwirkendes Fahrzeug durch menschliche und natürliche Mittel vervollkommnen?«

»Verlöret Ihr, mein Vater, den rechten Fuß und Gott gäbe ihn Euch zurück, wäre dieser Fuß dann ein Wunderfuß?«

»Gewiß, mein Sohn.«

»Würdet Ihr einen Schuh über ihn ziehen?«

»Sicherlich.«

»Nun also! Wenn Ihr glaubt, man könne einem Wunderfuß einen natürlichen Schuh anlegen, so müßt Ihr auch glauben, daß man ein Wunderboot mit natürlichem Takelwerk versehen kann. Das leuchtet ein. Ach! warum müssen die größten Heiligen ihre müden und finsteren Stunden haben? Ihr könntet der berühmteste Apostel der Bretagne sein, Arbeiten vollbringen, die ewigen Lobes wert sind. ... Doch langsam ist der Geist und träg die Hand! Lebt wohl, mein Vater! Geht in kleinen Tagereisen hin, und wenn Ihr der Küste von Hoedie endlich Euch nähert, dann seht die von Eurer Hand aufgebaute und geweihte Kapelle in Trümmern und Rauch! Dann haben die Heiden sie eingeäschert, mit samt dem kleinen Diakonus, den Ihr dorthin gesetzt habt, und der schmoren wird gleich einer Wurst.«

»Meine Angst ist ungeheuer,« sprach der Diener Gottes und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der nassen Stirn. »Doch sage, mein Sohn Samson, es ist nicht leicht, den Steintrog zu betakeln. Und werden wir nicht, so wir es unternehmen, Zeit verlieren statt zu gewinnen?«

»Ach! mein Vater,« rief der Teufel, »wenn die Sanduhr ein einziges Mal ausläuft, ist das Werk geschafft. Die Stricke und Segel, die wir brauchen, finden wir in der Werft, die Ihr einst an dieser Küste errichtet habt, und in den Warenräumen, die durch Eure Vorsicht richtig gefüllt sind. Ich selbst will alles Schiffsgerät rüsten. Ehe ich Mönch war, war ich Matrose und Zimmermann; und auch viele andere Gewerbe habe ich betrieben. Wohlauf denn!«

Sofort schleppt er den frommen Mann in eine Scheune, die ganz voll war von Schiffsgerät.

Und über die Schulter wirft er ihm Linnen, Mast, Gaffel und Giekbaum.

Dann lädt er sich selbst einen Steven auf, Steuer, Zunder und Ruderpinne, ergreift einen Zimmermannssack mit Handwerkszeug, läuft zum Ufer und zerrt den frommen Mann am Rock hinter sich her. Und der selige Maël bückte sich, schwitzend und keuchend, unter der Last von Linnen und Holz.


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