Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

51. Kapitel

Zorn einer jungen Dame, aber doch Stelldichein! – Fahrt ins Blaue – Geständnisse – Leonore und ich, wir kommen in Gang

 

Es war bestimmt kein sehr angenehmer Augenblick gewesen, als August Böök mit seinen alles sehenden Augen die Damenhandschuhe in meinem Wagen entdeckt hatte. Aber als dieser Augenblick überstanden war und die Handschuhe erst in meiner Tasche steckten, gaben sie mir den allerschönsten Vorwand, jenen Waldweg, von dem man einen so guten Blick auf die Dächer von Escheshof hatte, möglichst bald noch einmal zu fahren! Die Handschuhe verlangten heim nach ihrer Besitzerin!

Also fuhr ich diesen Waldweg, sobald ich in die Akten von Kanten auf dem Gutsbüro Einsicht genommen und überhaupt alle erreichbaren Auskünfte, bloß keine guten, gesammelt hatte. Ich hielt an der alten Stelle, sah auf die roten Ziegel hinab, klopfte dann und wann mit den Handschuhen auf meine Hose und konzentrierte meine Gedanken auf die bewußte junge Dame. Ich hatte mal gelesen, man müsse seine Wünsche nur intensiv genug auf ihre Erfüllung konzentrieren, so komme sie schon.

Wenn nun auch die junge Dame nicht kam, trotz aller Konzentration, so vergrößerte doch dies intensive Wünschen das Durcheinander in mir so sehr, daß ich mir ohne Hemmung zuschwor, ich würde so oft hierher fahren, bis ich das Fräulein von Kanten herbeigewünscht hätte. Als aber beim fünften oder sechstenmal noch immer keine Wirkung eingetreten war, sah ich ein, mit dem Wünschen allein war es nicht getan, und nahm meine Zuflucht zum Hupen. In passenden Abständen, nicht gar zu häufig, ließ ich mein Horn über Escheshofs Dächer hinbrummen, und kam mir so klug vor wie ein Indianer auf dem Kriegspfad.

Ich war gewaltig überrascht, daß Fräulein Leonore von Kanten anderer Ansicht war. Plötzlich enttauchte sie bei meinem siebenten, achten oder neunten Besuch (ich war schon gänzlich durcheinander) den Büschen und fragte mich empört, was eigentlich diese hirnverbrannte Eselei bedeuten solle? Ich hätte mit meiner Huperei nun schon den zweiten Tag ihrem alten Herrn den Nachmittagsschlaf verstört, und wenn er mich erst entdecke, so werde ich keine gute Stunde haben!

Während dieser zornigen Ansprache wurde ich nicht nur von Fräulein Leonore angefunkelt, sondern auch von einer zweiten jungen Dame im grünen Jägerdreß, mit einer Flinte über der Schulter, spöttisch betrachtet. Nach den Strabowschen Mitteilungen mußte dies also Fräulein Adelaide sein. Vorgestellt wurde ich ihr aber nicht.

Als die zornigen Worte langsamer zu fließen begannen, wagte ich kläglich einzuwerfen, daß ich ja nur die Handschuhe des gnädigen Fräuleins ...

Ich hob sie als Entlastung hoch, ein wenig unsicher wegen der Wirkung, denn sogar ich hatte schon gemerkt, daß sie sich in den letzten Tagen bei mir recht verfärbt hatten ...

Fräulein Leonore von Kanten sah darum auch die Handschuhe mit unbeschreiblicher Verachtung an. Sehr kalt sagte sie, ich müsse mich wohl irren. Sie habe nie ›dreckige‹ Handschuhe besessen. Vielleicht würde mir bei einigem Nachdenken noch die ›Dame‹ – Rümpfen der Nase – einfallen, die diese Handschuhe in meinem Wagen gelassen hätte.

Mit fast edler Empörung versicherte ich, daß nie eine andere Dame als Fräulein Leonore von Kanten in diesem Wagen gefahren sei ... Das heißt, einmal meine Frau ... Aber meine Frau trage nie solche Handschuhe  ... Sie fahre überhaupt nicht gerne in diesem Wagen ... Eben nur dieses eine Mal ... und darum ...

Sie wartete in vollkommener Ruhe ab, bis ich gänzlich stecken geblieben war, dann wandte sie sich an ihre Schwester und fragte: Gehen wir?

Ohne eine Antwort abzuwarten, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, ging sie den Waldweg nach Escheshof hinunter. Ich stand da, die verschmähten Handschuhe hingen kläglich aus meinen Händen.

Plötzlich flüsterte mir die Schwester (Adelaide) zu: Seien Sie kein Narr und besorgen Sie ihr ein paar schweinslederne Stulpenreithandschuhe (Größe 6) und seien Sie damit heute abend um neun an der Buschmühle!

Ehe ich mich von meinem Erstaunen erholt hatte, war sie ihrer Schwester nachgeeilt.

So hatte es angefangen, und so ging es fort. Karla hatte es mir leicht gemacht: als sie entdeckte, daß sie mich gerne mochte, hatte sie mir das ohne viele Umstände gestanden. Bei Fräulein Leonore wußte ich nie, woran ich war. Ich wurde angeschnauzt, getadelt, versetzt, als Vertrauter behandelt, und plötzlich war ich wieder der höchst verdächtige Außenseiter, der nicht einmal Besuch gemacht hatte!

Freilich hinkt der Vergleich mit Karla auf allen beiden Beinen. Denn sie entdeckte eben, daß sie mich gerne hatte, Fräulein von Kanten hätte vielleicht entdecken können, daß sie Gaugarten gerne hätte, nämlich gerne besäße. So wurde ich in einer ständigen Unruhe gehalten und wußte bald überhaupt nichts mehr. Ich fuhr hin, ich muß es schon gestehen, weil es mir in meiner öden Beschäftigungslosigkeit fabelhaft interessant vorkam, mit einem jungen Mädchen eine Freundschaft zu unterhalten. Fabelhaft interessant und ziemlich verrucht, da ich doch ein verheirateter Mann war! Wie für viele hatte auch für mich die verbotene Frucht ihren besonderen Reiz – und ich bildete mir ein, die ganze Gegend an der Nase herumzuführen, während ich doch nur mich selbst narrte!

Denn ich glaube heute, ich war nicht einmal in jener ersten Zeit wirklich verliebt in sie. Mich bestach, daß sie adlig war, daß sie kaltschnäuzig, arrogant, anspruchsvoll tat, daß sie ganz anders als Karla aussah, daß sie ein junges Mädchen zu sein und doch eben nach jenem Intermezzo mit dem Reitknecht Franz zu urteilen, recht eingeweiht schien. Kurz, ich war der Esel, der in seinem Wohlsein aufs Eis tanzen ging. Ich hatte es wirklich eilig, alle Laster, die Geldbesitz mit sich bringt, durchzuprobieren – wenn ich es gut deutsch und ohne alle Verblümtheiten sagen soll: ich naschte aus lauter Langerweile am Ehebruch!

Dabei sah ich nie weiter als bis zur nächsten Verabredung. Ich machte mir nie Gedanken darüber, was denn nun eigentlich aus der ganzen Sache werden sollte. Wenn ich morgens aufwachte, sagte ich mir: Heute sehe ich sie um vier – und war gespannt, was sich da nun wieder begeben würde. Denn es begab sich immer etwas, aber nie war vorauszusehen, was ... Als ich zum Beispiel zur Buschmühle mit den gehorsamst gekauften schweinsledernen Stulpenreithandschuhen fuhr und von Überreichung und Aussöhnung träumte, bekam ich Fräulein Leonore von Kanten überhaupt nicht zu sehen, statt dessen aber ihre beiden Schwestern Adelaide und Victoria, von denen ich mehr kommandiert als gebeten wurde, sie zur Bahn zu fahren, und zwar zur Schnellzugstation Dornbusch.

Und als ich ängstlich einwendete, dies sei wohl ein wenig weit, Radebusch liege doch viel bequemer, wurde mir unverblümt zu verstehen gegeben, in Radebusch könne man sich doch mit mir unmöglich sehen lassen (die verdammten nicht gemachten Besuche!).

Ich fuhr, ja, ich Esel fuhr die jungen Damen zur Bahn ... Ich rechnete es mir sogar zur Ehre an, daß ich ihnen das Geld für einen Mietwagen ersparen konnte!

Ich habe mich daraufhin eben noch im Spiegel angesehen. Heute ist mein Haar eselsgrau, aber mein Gesicht ziemlich energisch. Doch es stimmt schon, damals, bei dunkelblondem Haar, war ich solch Esel ... Es ist wirklich ein Wunder des Himmels, daß Karla es mit mir ausgehalten hat! Ich verstehe es eigentlich heute noch nicht, und sie versteht es heute bestimmt nicht mehr!

Nun, jedenfalls, als ich den jungen Damen ihre Köfferchen auf den Bahnsteig getragen hatte, raffte ich mich zu der schüchternen Frage auf, ob nicht irgendwelche Aussicht bestehe ... Ich habe hier nämlich Handschuhe ...

Worauf Victoria, die Landwirtin also, mich unverblümt fragte, was ich denn eigentlich im Sinne habe, ich sei doch wohl verheiratet, nicht wahr, ob ich mir einbilde, die Damen von Kanten seien Freiwild? Ich dächte wohl, weil ich Geld hätte, könne ich mir alles erlauben?!

Noch mehr Stammeln und noch mehr Beteuerungen von meiner Seite! Nichts als die Handschuhe, ganz eventuell den Fahrunterricht hatte ich im Kopf. Der Zug fuhr ein, und ich beteuerte noch immer meine Redlichkeit. Er fuhr ab, und aus einem plötzlich aufgerissenen Abteilfenster rief mir das Fräulein Adelaide zu, ich möchte morgen um neun am Heckenhaus sein!

Heim fuhr ich und beschäftigte mich nur mit der Frage, morgens oder abends um neun? Da ich sowohl morgens wie abends ausreichend Zeit hatte, war dies eigentlich keine sehr schwierige Frage. Viel schwieriger wäre die Frage zu lösen gewesen, warum ich eigentlich von denen beschimpft wurde, die doch schon ein neues Stelldichein vorbereitet hatten.

Übrigens war morgens um neun richtig, das heißt es war viertel nach zehn, als sie kam, und ich war eigentlich schon beinahe nahezu fest entschlossen, das Warten für diesen Morgen aufzugeben. Aber da kam sie, und ohne sich lange zu besinnen, stieg sie zu mir in den Wagen, stopfte die ihr ängstlich überreichten Stulpenreithandschuhe mit dem verächtlichen Ausruf: Was soll ich denn mit den dicken Dingern jetzt im heißen Sommer?! hinter ihren Sitz und kommandierte: Also denn los, in Gottes Namen!

Und wohin, gnädiges Fräulein? erkundigte ich mich.

Ja, wenn Sie das nicht wissen! antwortete sie gedehnt.

Daß Radebusch verbotenes Pflaster war und daß man sich überhaupt nicht mit mir sehen lassen konnte, wußte ich seit gestern abend, also fuhr ich denn zuerst stille Feld- und Waldwege. Später, als wir aus ›unserer Gegend‹ heraus waren, kamen wir auch auf glattere Straßen, und ich konnte zeigen, was mein Wagen und sein Fahrer leisteten.

Im Anfang geruhte Fräulein Leonore von Kanten, noch ein wenig ungnädig zu sein. So erkundigte sie sich, ob ich meiner ›Frau Gemahlin‹ auch Mitteilung von dieser Ausfahrt gemacht habe und was meine ›Frau Gemahlin‹ dazu meine, da sie doch sooo gegen Verkehr mit der Nachbarschaft sei!

Auch wollte sie gern wissen, wie ich mich verhalten würde, wenn ihr Vater oder Bruder mich mit ihr träfen: Meine männliche Verwandtschaft ist nämlich ziemlich kitzlig in solchen Dingen und wird leicht zornig. Ich glaube, Sie kämen da in eine ziemlich schwierige Lage. Oder wie denken Sie darüber?

Ich fand das Antworten auf diese Fragen schon schwierig genug. Gottlob entschuldigte mich die Beschäftigung mit dem Wagen, wenn ich etwas einsilbig war.

Später, als wir weiter und weiter fuhren, als der Wagen schneller und schneller lief und die Landschaft mit all ihren Feldern, Dörfern, Gütern und Wäldern in immer rascherem Wechsel an uns vorüberflog – später, als die Sonne und der Fahrwind unsere Gesichter frisch und unsere Augen hell gemacht hatten – später taute Fräulein Leonore von Kanten auf. Der Panzer aus Snobismus und Dünkel, der sie sonst ganz verhüllte, lockerte sich. Gott ja, sie war ja noch ein junger Mensch, wenn auch nicht siebzehn oder achtzehn, wie ich in meinem Unverstand glaubte, sondern zweiundzwanzig. Aber zweiundzwanzig ist schließlich auch jung – sie wurde lebhaft, lachte, rief, zeigte ... Nicht mehr der Besitzer von Gaugarten und Fräulein von Kanten saßen gemeinsam im Wagen, sondern zwei junge Menschen ...

Ich mußte mich wundern, wieviel mehr als ich sie sah, nein, wie sie alles anders sah. Ich bewunderte ein braungoldenes Weizenfeld, das einen sanften Hügel leise wogend hinanstieg, sie sagte: Wie streifig die ihren Kunstdünger gestreut haben! Da drüben, mein Herr, wo alles ›Lager‹ ist!

Wenn wir durch einen Wald fuhren, und nach der grellen, staubigen Helle des freien Landes empfand ich die stille Kühle wohltätig, sagte sie voller Verachtung: Hätte auch längst durchforstet sein sollen! Das sind ja alles bloß Stangen, und mindestens dreißig Prozent ist wipfeldürr.

Die Kühe, die nicht von der Straße weichen wollten und mich durch ihr Laufen direkt vorm Wagen zur Verzweiflung brachten, bedachte sie mit einem anerkennenden Blick: Gutes Vieh! Gut gehalten! Müßte noch eine halbe Hand breit tiefer sein, dann wäre es prima!

Wäre ich ein Menschenkenner gewesen, so hätte ich aus ihren Bemerkungen lernen können, daß sie einen kalten, rechnenden Verstand hatte und nichts sah über das Tatsächlich-Praktische hinaus. Und weiter, daß sie eher Fehler als Vorzüge erkannte, lieber tadelte als lobte. Aber ich war kein Menschenkenner. Ich bewunderte sie, weil sie so viel sah und verstand, was ich nicht sehen und verstehen konnte.

Aber vor allem war ich zufrieden. Die Stichelreden hatten aufgehört, und als ich in der Nähe einer kleinen Stadt schüchtern einen Imbiß vorschlug, sagte sie sofort: Aber natürlich! Ich habe einen Bärenhunger. Übrigens habe ich den ganzen Tag Zeit!

In dem kleinen Gasthof fingen wir uns höchst persönlich die Schleien mit dem Käscher aus einem Bassin und aßen sie mit dem allergrößten Appetit und Vergnügen. Wir tranken eine Flasche Rheinwein dazu und ruhten uns danach auf Liegestühlen im Garten aus. Oben zogen langsam die Wolken, auf dem nahen Steinpflaster schlurfte manchmal ein Ochsengespann vorüber; es war wunderbar friedlich, und sogar Leonore sagte: Gott, das ist mal schön – nicht ewig das Brüllen vom Alten und das Fiepen von Mama zu hören!

Als wir uns dann zur Weiterfahrt fertigmachten, durfte ich ihr Kamm und Nadeln halten, während sie sich frisierte, und wurde (beinahe) belobt, als ich bei ihrem widerspenstigen Nackenknoten half. Das können Sie ja sogar! – Na ja, so ein Ehemann ...

Etwas später durfte ich ihr sogar die Hufeisenbrosche – mit Glücksklee, Marienkäferchen und Reitpeitsche –, die sich geöffnet hatte, schließen.

Wir fuhren weiter, und nun hatte sie keine Augen mehr für ihre Umgebung, sondern fing an, mich über Gaugarten und meine Leute auszufragen. Alles interessierte sie, und aus ihren Fragen war leicht zu erraten, daß sie fast alles kannte. Die Schlageinteilung und Fruchtfolge nicht weniger als Administrator Kalübbes Verhältnis zu seiner Frau und zur Hanne, die jetzt im Torwächterhaus saß.

Allmählich kam sie dann auf die Mücke zu sprechen und auf ihre Spielgefährtin, die Isi. Was für Pläne wir mit ihr hätten, und ob Karla schon ein bißchen mit ihr rechnete oder Englisch spräche? Auch nicht Französisch? Und langsam und listig, ohne mich auch nur einen Augenblick scheu zu machen, brachte sie mich in ein Berichten über Karla und ihre Lebensumstände und unsere Ehe und unsere Schwierigkeiten mit dem Geld und unsere Meinungsverschiedenheiten über die Erbschaft hinein.

Ich schäme mich noch heute, wie ich auf dieser Fahrt – und mancher folgenden – Stück für Stück unserer Ehe vor diesem kalten, berechnenden Mädchen bloßlegte. Denn die Dinge einer wirklichen Ehe sind so, daß sie ein Bloßstellen vor Fremden nicht vertragen. Schon die leiseste, nur in einem Ton liegende Anklage gegen den Ehepartner, vor einem Fremden geäußert, verletzt die Ehe. Ehe ist immer ein wahrhaftes Geheimnis zu zweien, ein echtes ›Tabu‹ – wenn sie nämlich eine Ehe ist.

Wenig tröstet mich dabei, daß Fräulein von Kanten, so dumm und vertrauensselig ich auch dahinschwätzte, alles falsch verstanden hat. Weil sie nämlich nichts von Ehe verstand, nahm sie meine Klagen für wirkliche Anklagen und schloß, ich sei mit Karla zerfallen, der ich doch nie ernstlich an eine andere Ehepartnerin denken konnte, der ich doch in jeder ehrlichen Stunde wußte, Karla war mein Lebensbrot und -blut.

Sie aber sah einen, dem seine Fesseln schon lästig waren, der ihr nur geringer Hilfe zu bedürfen schien, um sich ganz zu befreien, und listig ließ sie, ohne direkt ein Wort gegen Karla zu sagen, Gift einfließen. Meinte, sie würde dies so machen, aber meine Frau habe sicher recht, es anders zu machen, da sie es eben anders gewohnt sei. Ich hörte mir dies alles recht vergnügt an, nicht einen Augenblick kam mir der Gedanke, eine Feindin meiner Frau säße an meiner Seite. Ich hatte mich endlich einmal schön ›ausgesprochen‹ – was ich um keinen Preis dort hatte tun wollen, wo meine rechte Gelegenheit für Aussprache war, nämlich bei Karla. Ich hatte alle meine kleinen Beschwerden über falsche Dienstbotenbehandlung, unangebrachte Sparsamkeit usw. usw. an den Mann, also an Fräulein von Kanten gebracht, hatte ein teilnehmendes Ohr und ermutigenden Zuspruch gefunden, und bei alledem war kein böses Wort über Karla gefallen!

So saß ich denn frei und glücklich in meinem Wagen, und mir wurde erst wieder etwas bänglich zumute, als auf meine Frage, wann denn nun das Fahrenlernen losgehen sollte, die alte Hinhalterei und Vorwürfemacherei anfing: was ich mir denn eigentlich denke und worauf ich hinaus wolle und ob ich sie denn mit Gewalt ins Gerede bringen wolle?

Ja, diesmal flossen sogar ein paar Tränen, so daß ich mir wie ein Lump vorkam, freilich doch nicht so sehr Lump, wie mir ›eingeweint‹ werden sollte!

Schließlich beruhigte sich das alles, eigentlich unbegreiflich, wie, und ein neuer Treffpunkt wurde vereinbart. Und dann wieder ein neuer. Und wiederum einer. War Leonore einmal ganz ungnädig, und kam es zu keiner neuen Verabredung, so fuhr ich ausdauernd alle Treffpunkte ab, bis ich ihr früher oder später, ganz zufällig, begegnete. Meistens aber früher.

Waren wir dann zusammen, so wurde manchmal Chauffieren gelernt, manchmal aber wurden auch wieder weite Fahrten durchs Land gemacht, bei denen es dann zu neuen vertrauensvollen Gesprächen kam. Das Vertrauen lag natürlich in jedem Fall ganz auf meiner Seite.

Auf einer Mondscheintour lernte dann Fräulein Leonore von Kanten durch mich das Barleben kennen, und das gefiel ihr so, daß es von da an mit Verabredungen keine Not mehr hatte. Mit einem zahlungsfähigen Herrn, wie ich es war, in einem mondänen Lokal zu sitzen, das war nun wirklich für sie ein Vorschmack auf die irdische Glückseligkeit, und den kostete sie, je länger, je lieber – ohne alle Rücksicht auf ihren guten Ruf!

*

 


 << zurück weiter >>