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38. Kapitel

Frau Kalübbe über die rechte Art, Rumpsteaks zuzurichten – Wettkampf zwischen meiner Frau und Herrn Kalübbe – Gnade Ihnen Gott, Herr Schreyvogel!

 

Vielleicht habe ich nur darum Isi Biedermann so genau beobachtet und habe so viel über sie nachgedacht, weil ich meistens, wenn ich ihren Spielen mit Mücke zusah, neben Karla und Frau Kalübbe saß. Die beiden Frauen redeten eifrig miteinander, aber von einem Gespräch, an dem Frau Kalübbe (Pips) sich beteiligte, war jeder Mann ausgeschlossen.

Ihre Unterhaltungen nahmen dabei stets den gleichen Kurs. Ich komme da eben, konnte sie sagen, an der Schloßküche vorbei, gnädige Frau ...

Frau Kalübbe beharrte – trotz aller Vorstellungen – darauf, Karla nur mit gnädige Frau anzureden.

Sie fuhr fort: Und was sehe ich? Ich habe ja allen Respekt vor Ihrer Mamsell, gnädige Frau. Von allen Seiten höre ich, daß sie vorzüglich kocht. Ihr Gehalt ist freilich entsprechend, nicht, daß ich es ihr nicht gönnte, im Gegenteil, ich habe mir schon immer gedacht, ungewöhnliche Leistungen müssen auch ungewöhnlich bezahlt werden ...

Sie hatte nun völlig den Faden verloren und sah Karla hilfeflehend an.

Und was haben Sie in der Schloßküche gesehen, Frau Kalübbe? half Karla ihr bereitwillig.

Richtig! rief sie erfreut. Ich sah in die Schloßküche, nicht um zu spionieren, ich mußte es ja sehen, selbst wenn ich nicht wollte, und ich sah, wie die Mamsell Fleischscheiben mit der breiten Seite eines Hackebeils klopfte! Ich war sprachlos. Ich nehme an, es war Rindfleisch ...

Ja, heute gibt es Rumpsteak bei uns, bestätigte Karla.

Aber doch nicht so! rief Frau Kalübbe verzweifelt. Liebe gnädige Frau, durch das Klopfen, durch dieses wütende Schlagen wird jede Fleischfaser aus ihrem natürlichen Zusammenhang gerissen, die Scheibe verliert ihren Saft! Sie werden heute mittag Leder zu essen bekommen!! Es ist mir erzählt worden, daß man in Gastwirtschaften so verfährt, um das Fleischstück größer erscheinen zu lassen. Aber doch nicht in einem hochherrschaftlichen Haushalt wie dem Ihren, da hat man doch solche Kniffe nicht nötig! Wenn ich einmal Rindfleisch vom Schlächter bekomme, das nicht genügend abgehangen ist, ich mache es so ...

Und sie verbreitete sich weitläufig über ihre Art des Bratens, Kochens, Einmachens. Sie konnte stundenlang über ihre Kocherei reden, sie wurde dessen nicht müde. Ich hörte schon gar nicht mehr hin, ich sah Mücke und der Isi zu und freute mich über Liesbeth Biedermann. Den Gerüchten zufolge besaß Frau Kalübbe eine wahrhafte Sammlung von Kochbüchern, die sie alle eifrig studierte. Sie zitierte auch daraus: Oft hörte ich: Die Davidis ist der Ansicht, daß ... Oder: Hedwig Heyl nimmt hier nur sieben Eier, ich meine aber ...

Doch das Tollste an diesem ganzen Geschwätz war, daß Frau Kalübbe, sicheren Nachrichten zufolge, überhaupt nicht kochen konnte. Sie war eine reine Theoretikerin, nur eine Mundköchin, hätte ich beinahe gesagt. Meistens stürzte sie kurz vor zwölf Uhr mit dem erschreckten Aufschrei: O lieber Gott! Mein Mittagessen! von uns fort. Es war dorfbekannt, daß Herr Kalübbe mindestens jeden dritten Tag das, was sie ihm dann als Essen vorsetzte, vom Tisch fegte, gewaltig brüllte und in den Dorfkrug ging.

Aber unverändert schwatzte Frau Kalübbe weiter von ihren Kochkünsten. Vor ihren strengen Augen konnte niemand bestehen. Sie sah in alle dörflichen Töpfe und brachte uns Nachrichten von ihnen, sie revidierte die Pippingschen Gewächshäuser und Gärten und machte unermüdlich Vorschläge für die Verwendung von Erdbeeren, Kirschen oder Gurken.

Manchmal war ich dieses Geschwätzes so müde, daß ich ganz erschöpft zu Karla sagte: Wie du das nur ertragen kannst, Karla! Ich wäre beinahe geplatzt! Geschlagene anderthalb Stunden hat sie über Artischockenböden geschwatzt, und ich will einen Besen fressen, wenn sie je eine Artischocke in ihrer Küche gehabt hat!

Aber das ist doch gleich, Maxe! sagte dann Karla. Man muß eben Geduld mit ihr haben. Jedenfalls glaubt sie, sie unterhält mich mit ihrem Gerede. Bestimmt, sie will mir etwas Gutes damit tun. Sie ist doch glücklich, daß sie bei mir sitzen darf, und ihr fällt eben nichts anderes ein, wie sie mir ihre Dankbarkeit zeigen soll.

Warum sitzt sie denn nicht still bei dir?! protestierte ich. Dieses ewige Küchengeschwabbel treibt mich noch zum Wahnsinn! Das nächste Mal werde ich ihr einfach den Mund verbieten!

Das wirst du nicht tun, Maxe! Beim ersten Wort von dir ist sie verscheucht, und dann sitzt sie wieder wie früher allein in ihrer Wohnung. Du weißt doch, wie sie es dort hat ...

Ja, das wußte ich freilich, und weil ich es wußte, verscheuchte ich sie trotz gelegentlicher Meutereien nicht aus ihrem einzigen Friedenshafen. Daß ihre Ehe mit meinem Administrator Kalübbe nicht glücklich war, ja, daß er sie ganz schändlich behandelte, das wußten wir alle, Fräulein Kluge hätte uns gar nicht so viel zu erzählen brauchen. Wir hatten es schon an jenem Begrüßungsabend in Gaugarten gesehen, als Herr Kalübbe seine ›Pips‹ so ohne Umstände ins Bett geschickt hatte, während er in den Krug tanzen ging. Und wenn sie nie von ihrem Mann redete, so nahm er kein Blatt vor den Mund, öffentlich, ja, in ihrer Gegenwart redete er mit der äußersten Verachtung von ihr:

Frauen, die keine Kinder kriegen, was sind das schon für Frauen?! konnte er sagen. Die sollten ausgeschlossen werden, die müßte man in Arbeitshäuser stecken, daß sie wenigstens zu was gut sind! Ich will Kinder haben! Kein Mann und kein Volk kann was werden ohne Kinder – für was arbeitet er denn, wenn mit seinem Tode alles zu Ende ist?! Ins Arbeitshaus! schrie Herr Kalübbe, und die kleine Frau am Tisch mit dem blassen, verängstigten Gesicht schreckte zusammen.

Jeder in der Gegend wußte, daß Herr Kalübbe nicht nur so redete, nein, Herr Kalübbe hatte Kinder. Er machte auch gar kein Hehl daraus, er bekannte sich öffentlich zu ihnen, er bezahlte für sie, kümmerte sich um jedes einzelne, ließ es nach seinen Gaben aufziehen. Es gab sechs, acht Familien im Dorf, wo das Älteste ein ›Kalübbe‹ war. Wie schlecht er sich auch zu seiner Frau benahm, mit den Mädchen, die ihm Kinder schenkten, meinte er es gut. Sicher gab es da auch Tränen und Gezänk, wenn ›die Schande‹ offenbar wurde. Erboste Eltern beschimpften ihn, aber das focht ihn nicht an. Er sorgte, ob sie es wollten oder nicht, für die Mädchen, suchte ihnen einen guten Mann, steuerte sie aus, saß fast wie ein glücklicher Vater an der Hochzeitstafel und kümmerte sich auch weiter um sie, glich Ehezwiste aus, half zu auskömmlichem Erwerb.

Sein ganzes hohes Gehalt ging für diese Kinder darauf, für sich selbst war er fast bedürfnislos. Und was er seiner Frau aus ihrem eigenen Vermögen abjagen konnte, das nahm er – für seine Mädchen, seine Kinder.

Frau Kalübbe war wohl früher eines jener zarten, blumenhaften, scheuen Mädchen gewesen, die so rasch verblühen, wenn sie nicht in guten Boden verpflanzt werden, bei denen oft aller Reiz zugleich mit dem Mädchentum verschwindet. Zudem war sie eine gute Partie für den mittellosen Beamten gewesen. Aber ein klug vorausschauender Vater hatte dafür gesorgt, daß sie auch nach der Ehe die Verwaltung ihres Vermögens in eigenen Händen behielt, und so eng ihr Geist war, nie hatte es Kalübbe trotz Schmeicheleien, Zärtlichkeiten, Drohungen erreichen können, daß sie ihm dieses Vermögen auslieferte. Wie er trotz aller Kränkungen, die er ihr antat, nicht erreichte, daß sie in eine Scheidung von ihm einwilligte.

Ich habe nie verstanden, warum eigentlich nicht. Es mußte für sie die wahre Hölle auf Erden sein, neben ihm zu leben. Trotzdem gab sie ihn nicht frei. Ich denke beinahe, da sie ihn nicht glücklich machen konnte, sollte es auch keine andere tun dürfen. So war sie. Beide schmerzhaft aneinander gekettet, aber Ketten schienen ihr vielleicht immer noch besser als gar nichts.

Als wir nach Gaugarten zogen, muß es gerade ganz schlimm zwischen ihnen gewesen sein. Der Administrator machte wieder einmal die wildesten Anstrengungen, sie zu einer Scheidung zu bestimmen. Er tat es auf seine brutale Weise: er hatte ein Mädchen bei sich im Administratorenhaus einquartiert und wachte mit unermüdlicher Strenge darüber, daß seine Frau sich diesem Mädchen gegenüber nichts ›zuschulden‹ kommen ließ; sie mußte seine Freundin bedienen, freundlich zu ihr sein, ja, ihren Launen gehorchen.

Ich sehe noch Karlas Gesicht, als Fräulein Kluge, die den Administrator haßte, uns beim Kaffeetisch diese Dinge hinterbrachte. Nein, das ist doch nicht möglich! rief sie immer wieder. Das tut ein Mann seiner Frau an?! Und Sie lassen das tatenlos geschehen, Fräulein Kluge?! Sie sind doch auch eine Frau!

Was soll ich dabei tun? flötete Fräulein Kluge. Ich mische mich nie in fremde Angelegenheiten! Und Herr Administrator ist ein sehr gefährlicher Mann, er schreckt vor nichts zurück, wenn er zornig ist! Vor rein gar nichts!

Karla sprach nicht weiter, weder mit Fräulein Kluge noch mit mir, von der Sache. Aber ich sah ihrem blassen Gesicht und den fest zusammengekniffenen Lippen an, wie es in ihr arbeitete. Gegen allen Sinn und Verstand hoffte ich, Karla werde sich beruhigen. Ich hätte sie besser kennen sollen, sie war nie die Frau, etwas aufzuschieben, wo ihr sofortige Hilfe notwendig schien.

Eine Stunde später hatten wir eine neue Einwohnerin im Schloß: Karla hatte sich das Mädchen, das natürlich ein Kind erwartete, mit Sack und Pack geholt. Was dabei geredet worden ist, weiß ich nicht, jedenfalls stand das eigentliche Gewitter noch am Himmel, denn Herr Kalübbe war bei diesem ›Holen‹ nicht zugegen gewesen. Ich nehme aber an, daß das Mädchen selbst Karla nicht ungern gefolgt ist. Es war wirklich ein nettes Mädchen, wie ich später noch erfahren sollte, die Rolle, die ihr Kalübbe in seinem Haushalt aufgezwungen hatte, hat ihr sicherlich ebensowenig gefallen wie seiner Frau.

An diesem Nachmittag gingen wir alle auf Zehenspitzen und mit angehaltenem Atem im Schloß umher: wir warteten auf das Einschlagen des Blitzes. Mir selbst war auch ein wenig bänglich, aber ich war fest entschlossen, Herrn Kalübbe keine Frechheiten gegen meine Frau zu erlauben. Im schlimmsten Falle würde ich sogar vor einer Keilerei nicht zurückschrecken!

Am ruhigsten war entschieden Karla. Sie redete mit uns und der Mücke wie sonst; nur die Ausdauer, mit der sie den Weg vom Hof zum Schloß im Auge behielt (wir saßen auf der Terrasse), verriet mir, daß sie ebenso wie wir immer an Herrn Kalübbe dachte. Die Zeit wurde uns recht lang – ab und an erschien Herr Strabow in der Tür, warf einen Blick auf uns, räusperte sich und verschwand wieder.

Es dämmerte schon, als wir Herrn Kalübbe zu Gesicht bekamen. Er trat aus einem Seitenweg des Parks und ging auf uns zu, nicht übermäßig schnell. Ich hatte gerade etwas von dem heute schon so schönen Frühlingswetter gesagt, brach aber mitten im Satz ab und starrte wie gebannt auf Herrn Kalübbes Eichenstock, einen kräftigen Prügel, den er nach Art der landwirtschaftlichen Beamten stets bei sich trug, meist über das Handgelenk gehängt. Jetzt aber hing dieser Stock nicht über dem Gelenk, sondern Herr Kalübbe führte kräftige, laut klatschende Schläge mit ihm in das Gebüsch an den Wegrändern.

Ich schloß meinen nachdenklich offenstehenden Mund plötzlich und sagte dann ziemlich herausfordernd: Ja, das war wieder ein schöner Tag ...!

Herr Kalübbe blieb mit einem Ruck zwei Schritt vor uns stehen und sah uns finster brütend an. Ich hatte das Gefühl, daß dieser Blick besonders drohend auf mir ruhte, aber ich habe später gehört, daß jeder in unserer kleinen Runde das gleiche Gefühl hatte.

Herr Kalübbe hob den Stock und ließ ihn klatschend in einen Fliederbusch sausen. Fräulein Kluge schrie leise auf. Von der Schloßtür her hörte ich das trockene Räuspern Strabows. Ich stand auf, nahm die Hände aus den Taschen und – blieb unentschlossen stehen.

Karla flüsterte befehlend: Du mischst dich in nichts ein! und ging auf Kalübbe zu. Direkt vor ihm blieb sie stehen und sagte ziemlich streitsüchtig: Nun, Herr Kalübbe, es ist immer noch besser, wehrlose Fliederbüsche zu schlagen, als arme Frauen zu quälen.

Er sah zu ihr hinunter. Sie war viel kleiner als er, aber wenn ich auch ihren Blick nicht sah, weiß ich doch, daß sie ihn vollkommen furchtlos anschaute. Vielleicht empfand auch er das, jedenfalls sah er von ihr fort und zu mir herüber.

Herr Schreyvogel! rief er. Rufen Sie Ihre Frau weg, ich habe mit Ihrer Frau nichts zu tun ...

Er sprach mit so schwerer Zunge, daß wir alle davon überzeugt waren, er sei völlig betrunken. Später haben wir gehört, daß er nicht einen Tropfen genommen hatte. Er gehörte zu jenen Männern, die von ihrem Zorn wie von einem Rausch überwältigt werden.

Ehe ich noch antworten konnte, sagte Karla: Mein Mann hat hiermit gar nichts zu tun. Ich habe das Mädchen aus Ihrem Haus fortgeholt, ich habe sie hierher ins Schloß gebracht. Kommen Sie mit, Herr Kalübbe, wir wollen zu dem Mädchen gehen und –

Sie hatte nach seiner Hand gefaßt, aber er hatte diese Hand mit so rasender Wut abgeschüttelt, daß sie mitten im Satz abbrach.

Fassen Sie mich nicht an! schrie er fast. Wenn Sie mich anfassen, muß ich Sie schlagen, und ich schlage Frauen nicht ...

Nicht weniger zornig, aber sehr viel klarer rief Karla: Dafür quälen Sie Frauen schlimmer, als Sie Männer schlagen können. Quälen Ihre eigene Frau, schon seit vielen Jahren, und quälen das arme Mädchen, das doch ein Kind von Ihnen erwartet!

Unsinn! Ich quäle sie nicht. Sie hat die Stellung bekommen, die ihr zusteht, sie wird Mutter und ist also meine. Frau. Die andere ... kriegt keine Kinder, zum Teufel! Sie ist nichts nutze.

Daran trägt sie, ohne eigene Schuld, so schwer wie Sie selbst. Wie kommen Sie dazu, Ihre Frau für ein Unglück noch zu bestrafen?!

Ich streite mich nicht mit Ihnen! schrie er wild. Das möchten Sie, mich rumreden! Leben Sie erst mit solch einem vertrockneten Stecken fünfzehn Jahre und dann reden Sie von Unglück! Geben Sie mir das Mädchen oder –

Ich habe Ihnen doch schon gesagt, Sie sollen mit mir kommen. Wir wollen zu ihr gehen und –

Und ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie nicht dabei haben will! Sagen Sie mir, wo sie ist ...

Karla sah ihn nachdenklich an. Nun gut. Herr Strabow, zeigen Sie Herrn Kalübbe das Zimmer ...

Kaum waren die beiden fort, so hatten wir alle unsere Sprache wiedergefunden. Wir redeten auf Karla ein, belobten sie, wie gut sie es ihm gegeben habe, und empfanden doch eine leise Enttäuschung.

Karla stand ganz still unter uns, sie erwiderte kaum ein Wort. Plötzlich, als wir schon das Geräusch von Füßen auf der Treppe hörten, flüsterte sie mir rasch zu: Wenn ich bis zum Abend nicht zurück bin, sage der Mücke von mir gute Nacht. Und ängstige dich nicht, mir geschieht schon nichts.

In der Tür erschienen Herr Kalübbe und das Mädchen. Das Mädchen weinte vor sich hin, aber bei Kalübbe schien die Wut verflogen. Er hielt das Mädchen sachte am Oberarm und redete leise auf sie ein, seine Stimme hatte einen beruhigenden, friedlichen Ton.

Die beiden gingen, ohne sich um uns zu kümmern, an unserer Gruppe vorüber. Aber als sie vorbei waren, waren sie nicht mehr zu zweien, sondern zu dreien. Karla ging an der anderen Seite des Mädchens.

Kalübbe verstummte, sah zu ihr hinüber, machte noch drei, vier Schritte und blieb stehen.

Was ist noch, gnädige Frau? fragte er.

Wohin bringen Sie das Mädchen, Herr Kalübbe?

Dahin, von wo Sie es geholt haben!

Gut, sagte Karla. Wir können weitergehen.

Was heißt das, gnädige Frau? fragte Herr Kalübbe verblüfft.

Das heißt, sagte Karla, und nie habe ich in ihrer Stimme wieder einen so kalten, bösen Zorn gespürt, daß ich mitgehen und bei dem Mädchen bleiben werde, bis Sie selbst es aus dem Haus bringen. Und was Sie Ihrer Frau auch auftragen werden, ich werde es ausführen, und was Sie schelten und schimpfen und drohen werden – mich werden Sie damit nicht wegschrecken!

Wahrhaftig! sagte er und lachte, versuchte zu lachen. Sie sehen so aus, als wären Sie imstande, so etwas zu tun! Aber es ist ganz einfach: Ich werde mein Haus vor Ihrer Nase abschließen, gnädige Frau, und Sie werden nichts von alledem tun!

Sie können aber nicht den ganzen Tag als Aufpasser in Ihrem Haus sitzen, Herr Kalübbe. Einmal werden Sie mich doch in Ihrem Haus finden. Und da Sie gesagt haben, Sie schlagen eine Frau nicht, und da ich nicht einmal gehen würde, wenn Sie mich schlügen, wird es Ihnen schwerfallen, mich loszuwerden!

Es war jetzt fast ganz dunkel geworden. Ich sah aber doch, wie Herr Kalübbe sich vorbeugte und Karla musterte.

Sie werden das wirklich tun, gnädige Frau? sagte er. Schön, kommen Sie mit, ich werde nicht einmal die Tür vor Ihrer Nase verschließen.

Aber er ging noch nicht, sondern er sagte in einem fast humorigen Ton: Wäre es nicht einfacher, gnädige Frau, Ihr Mann entließe mich mit sofortiger Wirkung? So wie ich mich heute gegen meinen Arbeitgeber aufgeführt habe, hätte ein Einspruch von mir kaum Aussicht. Eine Entlassung würde Ihnen bestimmt viele Unannehmlichkeiten ersparen!

Und Ihnen erst! Sie sind ja schon gar nicht mehr in der Stimmung, Herr Kalübbe, uns zu malträtieren! Es graut Ihnen schon vor dem Gedanken, uns drei Weiber in dem Hause sitzen zu haben und den Wüterich spielen zu müssen!

Karla lachte, ganz unverstellt und heiter.

Nein, Herr Kalübbe, Sie sind als landwirtschaftlicher Administrator engagiert, und gegen den landwirtschaftlichen Administrator haben wir keinen Entlassungsgrund. Der Mensch Kalübbe aber –

Nun, gnädige Frau, was ist mit dem Menschen Kalübbe –?

Ich denke immer noch, er sieht ein, was Unrecht ist.

Sie müssen mir nicht schmeicheln, sonst komme ich wieder in Zorn! Wenn ich tue, was Sie wollen, so tue ich es nur meiner Bequemlichkeit und Nachtruhe zuliebe, Gott, was habe ich eben für einen Schrecken gekriegt, als Sie mir ausmalten, wie Sie drei bei mir hocken würden! – Hanne, mach, daß du zu deinen Eltern kommst! Ich sehe gleich bei euch vorbei und bringe alles in Ordnung. – Gute Nacht, gnädige Frau. Gute Nacht, Herr Schreyvogel. Gnade Ihnen Gott, wenn Sie einmal wirklich Ihrer Frau verquer kommen! Sie ist imstande und brät Sie eigenhändig am Spieß, wenn Sie ihr nicht den Willen tun!

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