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31. Kapitel

Ruhiger Abgesang des Feiertages mit vielen neugierigen Besuchern – Ein höchst unlogisches Gespräch zwischen zwei Eheleuten

 

Die Kantorsleute waren hiernach sehr begierig darauf, ein weniges mehr von den Abenteuern des Geldes zu schwätzen, er, abenteuerlustig wie nur ein Junge, sie, weil sie eben gerne schwätzte. Aber der Administrator Kalübbe, der noch bei uns sitzenblieb, war ein zu kluger Mann, die Nüsse vor der Zeit vom Baume zu prügeln: man muß ihnen Zeit lassen zum Reifen. Er wollte uns nicht drängen, da uns doch schon die Lust nach Gaugarten und die Unlust wegen Steppes genug drängten.

So sprachen wir über mancherlei, nur nicht über die Entscheidung, die doch bis übermorgen getroffen werden mußte. Wir hatten den Friedemanns und dem Herrn Kalübbe den ersten authentischen Bericht von unserem Besuch in Gaugarten zu liefern, und Herr Kalübbe lachte wieder darüber, daß ihm die Tränen in die Augen traten.

Dann hatte Karla Gelegenheit, für Kleibacke und den Obergärtner Pipping ein gutes Wort einzulegen, das auch wie gehörig seinen guten Ort fand. Herr Kalübbe würde die Kündigung rückgängig machen, wie es dann geschehen ist. Bei Pipping war es das Rechte gewesen, er war im Grunde ein ehrlicher Mann und nur vergewaltigt vom rauhen Herrn von Kanten. Den Kleibacke aber haben wir später unter viel widrigeren Umständen aus seinem Rokokotorhäuschen setzen müssen, worüber noch zu berichten sein wird.

Später sprachen wir dann davon, wie gut uns das Dorf Langleide gefallen habe, wie wenig aber Gaugarten mit seinen häßlichen roten Leutekaten, ein schlechtes Gegenstück zu dem mächtigen Hof und dem Park mit seinem Schloß. Hier pflichtete uns Herr Kalübbe sofort bei, bedauerte, daß ihm bisher durch den knappen Onkel Eduard die Hände völlig gebunden gewesen seien, und meinte, wir würden ein segensreiches Arbeitsfeld finden.

Jetzt traten der Pastor und seine Frau ein, sie wollten die Kantorsleute besuchen und waren äußerst überrascht, uns zu finden und kennenzulernen. (Das wegen unbilligen Verhaltens zur Schwiegermutter abgesagte Quartier war völlig vergessen.) Ihnen folgte der Gemeindevorsteher mit Frau und ältlicher Tochter, die auch sehr über unsere Anwesenheit erstaunten. Noch mehr Familien kamen, alle nicht weniger über den Besuch erstaunt.

Im übrigen aber mußten die Dorfleute recht gut Bescheid wissen, denn August Böök, der nun hereinkam, berichtete, das Dorf stehe im Dunkeln ziemlich gemauert vorm Kantorenhaus und schaue sich nach uns die Augen aus dem Kopfe. Worauf Frau Friedemann die Gardinen vorzog und alle Anwesenden sich einig waren, die Leute seien doch zu neugierig.

Wir waren es aus den letzten Wochen schon gewohnt, daß alles bei uns nicht ganz gehörig zuging, so machte es uns weiter keine Schwierigkeiten, Herrn Administrator Kalübbe mit August Böök und seiner künftigen Stellung in unserem Hause bekannt zu machen. Der Administrator nahm auch nicht den geringsten Anstoß, sondern lachte und versprach, bald für ein neues Automobil zu sorgen. Das, was noch von Onkel Eduard da sei, sei eines rechten Fahrers unwürdig.

Der August war nicht so höflich; wortlos ließ er seine dunklen Augen vom lachenden Administrator durch die laute, geschwätzige Stube gehen und verschwand, ohne ein Wort.

Auch Karla verschwand nun, der Mücke ihr Abendessen zu geben und sie ins Bett zu bringen. Herr Kalübbe gähnte immer öfter, aber stets hinter der Hand, und klopfte immer lauter mit der Peitsche gegen die Schäfte seiner Reitstiefel. Frau Friedemann sah schon zum fünftenmal nach der Wanduhr. Da ich noch nicht sehr lange Millionär war, wußte ich, daß ihre Speisekammer einem Abendessen für vierzehn Personen nicht gewachsen war und daß sie inbrünstig hoffte, die Gäste würden bald gehen. Ich hatte wirklich die Zigarre von Herrn Friedemann geraucht, mir war übel. Wenn es je eine gute Zigarre gewesen war, jetzt war sie längst strohtrocken. Aber unter den begeisterten Blicken meines Gastgebers hatte ich sie nicht fortzulegen gewagt.

Schließlich aßen wir statt um sieben um zehn Uhr, ein spätes, müdes Nachtmahl. Die Gäste waren alle fort, auch Herr Kalübbe. Wir logen uns vor, es sei ein recht schöner, anregender erster Feiertag gewesen, nur ein wenig anstrengend. Wir sprachen kaum noch etwas.

Noch später, als Karla und ich uns langsam auszogen, allein beieinander waren, kamen wir aber doch noch zu Gespräch und Entschluß. Wir hörten aus der anderen Giebelstube den August Böök ganz leise sein Akkordeon spielen, Lied auf Lied, jedes mit einem kurzen Zwischenspiel in das andere übergehend, endlos ...

Hast du gemerkt, Maxe, fragte Karla, der August mag den Herrn Kalübbe auch nicht.

Auch nicht? fragte ich dagegen. Du magst ihn wohl nicht, Karla?

Magst du ihn denn?

Ich weiß nicht recht – schlimmer als Steppe ist er jedenfalls nicht.

Vielleicht doch. Eigentlich finde ich, der Steppe hat heute besser abgeschnitten als Kalübbe. Ich habe mich so geärgert, daß er gleich das Fräulein von Kanten angerufen hat! Was hat er die anzurufen, wenn wir ihren Vater beim Stehlen erwischt haben!

Das Fräulein von Kanten magst du also auch nicht, Karla.

Mag ich auch nicht! Verdreht die Augen wie ein himmelblaues Schaf – solche sind immer die Schlimmsten!

Aber Karla! Sie hat doch eigentlich deine Partei genommen!

Dir hat sie Augen gemacht, das habe ich wohl gesehen, wenn du es auch nicht gemerkt hast. – Ach, starr nicht so, Maxe! Gottlob, daß du von so was nichts verstehst, und noch mehr Gottlob, daß wir durch diesen Anfang um allen Verkehr mit Kantens kommen!

Ich schwieg eine Weile. Es erschien mir zu unglaublich, daß Fräulein Leonore von Kanten mir Augen gemacht haben sollte. Eigentlich war es ja schmeichelhaft. Aber dann fiel mir ein, daß Karla ihre plötzlichen Antipathien immer so seltsam begründete, und ich war überzeugt, sie bildete sich alles nur ein.

Du, Maxe, sagte Karla. An was denkst du denn jetzt?

Ob wir nach Gaugarten ziehen oder nicht, sagte ich rasch. Was du lieber möchtest.

Natürlich ziehen wir nach Gaugarten! Natürlich möchte ich das lieber! Du doch auch?

Und sollen wir dem Steppe aufsagen?

Aber natürlich! Du hast ihm doch eigentlich schon aufgesagt. Oder willst du den Brief vom Steueramt zurückfordern?

Nein, das lieber nicht. Ich käme mir wirklich blamiert vor.

Ach, doch nicht darum, Maxe. Aber wir wollen endlich unsere Ruhe haben!

Steppe hat gesagt, wir kriegen nie Ruhe. Und du hast gesagt, Steppe hat besser abgeschnitten als Kalübbe!

Aber ich meine doch als Mensch, Maxe! Ich glaube dem Steppe jetzt, daß er seine Sache nicht wegen der Gebühren in die Länge zieht, daß er anständig ist. Dem Kalübbe ...

Nun, Karla –?

Wir wollen jetzt nicht mehr von Onkels Brief reden. Aber du weißt doch, daß Onkel Eduard geschrieben hat, er stiehlt.

Aber nur mit Maßen. Und dem Onkel Eduard glaube ich auch nicht viel. Der hat uns nur ängstigen wollen.

Bisher hat er aber mit allem recht gehabt! Denke an Kleibacke. Und wenn Herr Kalübbe bei Onkel Eduard mit Maßen gestohlen hat, so wird er es bei uns bald mit Unmaßen tun.

Das soll er bloß versuchen! Von Buchführung verstehe ich eine ganze Menge, Karla!

Er sicher auch – sonst hätte er's bei Onkel Eduard nicht versuchen dürfen.

Also, was willst du eigentlich, Karla! rief ich verzweifelt. Du redest gegen Kalübbe und für Steppe ...

Ich will, was du auch willst: nach Gaugarten ziehen und dem Justizrat aufsagen, wenn er mit deinem Brief an das Steueramt nicht einverstanden ist.

Aber du hast doch gesagt ...

Nichts anderes habe ich gesagt!

Du hast doch ...

Ach, Maxe, verstehst du denn nicht? Vielleicht hat der Justizrat recht mit seinem Geschwätz vom Geld und seinen Gesetzen, denen man folgen muß. Aber gerade, wenn er recht hat, will ich nicht, daß wir auf ihn hören. Denn wenn wir das tun, werden wir die Sklaven vom Geld, und tausendmal lieber will ich mich mit einem Kalübbe rumbalgen, als leiden, daß ich ein Geldsklave werde – ich nicht und du auch nicht. Du vor allen Dingen nicht!

*

 


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