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11. Kapitel

Der erste Bettelbrief – Es ist zu feucht, um ins Wasser zu gehen – Erbschleichwege des Vetters Friedrich Karl

 

Wir waren am Morgen zeitig wach, Karla wie ich. Nur die Mücke schlief friedlich fort, ihr verstörten keine Erbträume den Schlaf. Während ich den Ofen heizte und Karla das Frühstück richtete, sprachen wir flüsternd von unseren Träumen.

Karla hatte mit unseres Nachbars Tochter, Fräulein von Kanten, ausreiten sollen, aber nichts anzuziehen gefunden als meine vom Schlamm des Mummelteichs verschmierte Hose.

Ich aber saß mit dem wettergegerbten, dunklen August Böök am Steuer im Auto. Kaum aber fuhren wir, sah ich, es war nicht August, sondern die Oma, die doch keine Ahnung vom Fahren hatte. Ich rief sie erschrocken an, sie aber nickte mir lächelnd zu, und schon fuhren wir einen schrägen Baum hinauf – in die leere Luft. Die Oma nickte und lachte, der Baum wurde immer länger; sie rief mit ihrer hellen Stimme: Jetzt fahren wir eine Ewigkeit, und wenn die Ewigkeit um ist, sind wir beim Onkel Eduard im Himmel ...

Während sie noch so sprach, fing der Baum an, sich zu schütteln. Er schüttelte uns ab, und wir fielen, fielen endlos. Alles wurde schwarz, es wurde mir so schwindlig hinter den geschlossenen Lidern, daß ich die Augen aufmachte. Davon erwachte ich ...

Während wir noch von unseren Träumen sprachen und sie auszulegen suchten, kam ein Rascheln von der Tür her. Wir sahen hin –: unter der Tür erschien eine weiße Kante, rückte auf uns zu, hielt still, schob sich weiter, bekam Schwung – und nun lag da auf unserem frisch gebohnerten Stubenboden ein Brief!

Wir starrten ihn an wie ein Wunder, denn einmal saß außen an der Tür ein Briefkasten mit einem schön in Rundschrift geschriebenen Namenskärtchen darauf, zum andern hatten wir niemanden die Treppe heraufkommen hören. Und unsere alte Holztreppe knarrte doch so, daß sie sogar unter einer Katze geächzt hätte. Zum dritten war es aber doch erst sechs Uhr morgens! Wir standen also und starrten und lauschten – mindestens hätten wir jetzt den Träger des Briefes weggehen hören müssen! Und hörten keinen Laut!

Schließlich besann ich mich auf meine Pflichten als Mann und Hausherr, nahm den Brief, sah die Adresse an, die ganz richtig an mich lautete, und riß die Tür auf ...

Da stand im hellen Licht unserer Zimmerlampe ein langer, grauer Mensch mit einem bleichen Gesicht, starrte mich aus großen Augen an und hielt seine Schuhe in der Hand – stand da auf Socken, bewegungslos!

Was soll denn das heißen?! rief ich halb verblüfft und halb empört. Wer sind denn Sie?

Der bleiche Mann – er war aber eher ein Jüngling – schüttelte sanft mit dem Kopf, deutete mit einem langen, nackten Zeigefinger auf den Brief in meiner Hand und flüsterte: Erst lesen!

Kommen Sie wenigstens rein! rief auch Karla ärgerlich. Stehen Sie hier doch nicht auf Socken in der Kälte! Was soll denn solch Unsinn?!

Der Bleiche schüttelte den Kopf noch kläglicher, deutete nochmals auf den Brief und flüsterte wieder: Erst lesen!

Wir warfen einen bedenklichen Blick auf den Jüngling, Karla sagte ärgerlich: Wozu sollen wir denn lesen?! Er kann doch den Mund auftun und sagen, was er will!

Aber wir gingen doch gemeinsam unter die Lampe und lasen erst einmal den Brief, der da lautete:

   

Sehr geehrter Herr Schreyvogel!

Sie haben gestern sieben Millionen geerbt und schwimmen im Glück. Ich aber habe dreihundertsiebenundachtzig Mark aus meiner Kasse unterschlagen und muß ins Wasser gehen, wo ich ertrinken werde, weil ich nicht schwimmen kann!

Ehe Sie mich aber zu diesem letzten, nicht wiedergutzumachenden Schritt zwingen, gebe ich Ihnen Gelegenheit, mich zu retten durch einen winzigen Bruchteil des ungeheuren Reichtums, der Ihnen ganz unverdient zugefallen ist. Denn ebensogut hätte ich erben können, und Sie hätten ins Wasser gehen müssen!!

Ich fordere Sie also auf, mir ohne ein Wort die dreihundertsiebenundachtzig Mark zu übergeben. Bei dem ersten Wort, das Sie an mich richten würden, wäre ich leider genötigt, mich ins Wasser zu stürzen, und dann hätten Sie, ein siebenfacher Millionär, wegen einer so läppischen Summe einen Mord auf dem Gewissen!!

Ich bin mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung

Ihr sehr ergebener
Friedrich Karl Schreyvogel

Beitragskassier der Radebuscher Innungs-Krankenkasse

 

Ich starrte noch etwas benommen auf diesen von Frechheit und Feigheit geschriebenen Brief, da rief Karla schon empört: Was! Ein Schreyvogel sind Sie auch noch – Sie – Sie – Jammerbild! und lief auf den Unseligen zu.

Der schrie: Nun haben Sie doch gesprochen! Nun muß ich ins Wasser gehen.

Er ließ die Stiefel fallen und sprang auf Socken treppab.

Los und ihm nach! mahnte mich Karla.

Vereint liefen wir die Treppen hinunter und behinderten uns an den Biegungen. Unten im Hausflur wäre Karla fast gefallen, das ergab einen vielleicht nicht wiedergutzumachenden Aufenthalt ...

Aber wir hätten uns gar nicht so eilen müssen. In der Haustür, auf der obersten der drei Stufen zum Bürgersteig hinunter, stand mein Anverwandter Karl Friedrich Schreyvogel und sah unschlüssig abwechselnd auf die regenfeuchte Straße und auf seine Socken. Sich zu ersäufen, war er entschlossen gewesen – vielleicht; auf Strümpfen durch die regennasse Stadt zu laufen, konnte er sich nicht entschließen – bestimmt nicht.

Jetzt drehte er sich nach uns um und sagte mürrisch: Was Sie sich auch wegen dreihundertsiebenundachtzig Mark anstellen! Ich hätte mich als Millionär bestimmt anständiger benommen! Sie treiben einen ja direkt zur Verzweiflung.

Es klang wieder nach genau der gleichen Mischung von Ruppigkeit und Feigheit, die ich aus seinem Brief herausgelesen hatte. Aber Karla war viel zu erleichtert, daß er noch nicht fortgestürzt war, um ihm im Augenblick etwas übelzunehmen. Kommen Sie rein, junger Mann, kommen Sie rein in die gute Stube! sang sie halb. In fünf Minuten sollen Sie einen heißen Kaffee haben, und dann sollen Sie uns erzählen ...

Ich brauch keinen heißen Kaffee, murrte er noch. Ich brauch einen Strick oder einen Revolver ...

Aber er ließ sich ganz willig von uns beiden nach oben eskortieren und in einen Stuhl am Ofen setzen. Zu Anfang hielt Karla ihm seine Stiefel noch ferne, sie fürchtete wohl, er würde uns noch einmal ausreißen. Später gab sie ihm dann sein Schuhwerk selbst in die Hand und befahl ihm, es wieder anzuziehen: sie hatte eingesehen, das Problem war nicht, ihn am Fortlaufen zu hindern, sondern ihn wieder aus der Stube zu kriegen. Er war nur zu bereit, bei uns zu bleiben und immer weiter zu klagen, nachdem er erst einmal angefangen hatte, uns sein Herz auszuschütten.

Seine Geschichte war aber im Grunde ganz einfach. Er war wirklich ein richtiger Schreyvogel und mit mir (und Onkel Eduard) verwandt. Der Unterschied zwischen uns war nur der, daß er im Gegensatz zu mir schon vorher etwas von der Erbschaft und den Erbbestimmungen hatte läuten hören. Denn durch seine Frau war er mit dem Gaugartener Ersten Diener Karl Andreas Strabow verwandt, und dieser Diener hatte als Zeuge Onkel Eduards Testament unterschrieben. Wenn der mißtrauische Onkel auch das Geschriebene mit einem weißen Blatt vor der Zeugenunterschrift abgedeckt hatte, so hatte sein guter Karl Andreas Strabow doch durch Spähen oder Lauschen Witterung bekommen ...

Und hatte sofort an seinen Schwager Friedrich Karl Schreyvogel gedacht. Die beiden hatten sich in aller Heimlichkeit verbündet, einen Pakt hatten sie geschlossen, und der brave Diener hatte die Gesundheit Onkel Eduards umsorgt und umspäht, und jedesmal, wenn Onkel Eduard einen Schnupfen bekommen hatte, hatte Friedrich Karl von Karl Andreas einen Wink bekommen: Halte dich bereit –!

Denn es war ja so, daß Friedrich Karl Schreyvogel auch seine Tochter Eduarda getauft hatte, demnach als Erbe sehr wohl in Betracht kam ...

Als dann die Geschichte mit dem vom Nußknacken abgebrochenen Zahn gekommen war, mit der Blinddarmentzündung und der zu spät vorgenommenen Operation, da hatte meinen guten, unseligen Vetter der Alarmruf erreicht: Jetzt ist es soweit –!

So hatten sie mit ihrer Eduarda exerziert und geübt, was sie doch schon in der Erbschaftshoffnung tausendmal exerziert und geübt hatten. Und wenn Herr Justizrat Steppe mit seinen beiden zylinderhutbewaffneten Zeugen zu uns als zu zwei völlig ahnungslosen Menschen in die Stube getreten war, bei Friedrich Karl Schreyvogel war er erwartet worden wie ein Engel vom Himmel, wie das Manna in der Wüste, wie nur eine Erbmasse von dreieinhalb Millionen erwartet werden kann – sie hatte sich aber über all dem bänglichen Warten in der Phantasie meines Vetters schon verdoppelt.

Es hatte auch alles, wie es nach so ängstlichen Vorbereitungen eigentlich wundernehmen muß, ausgezeichnet geklappt, es war gebührend und genau zu Protokoll genommen worden, die Erbschaft schien absolut gesichert, nur ...

... Nur daß dieser Trottel, mein Schwager Karl, alles umgedreht haben muß oder falsch verstanden hat oder nicht richtig geraten hat, weil er doch wußte, Onkel Eduard hatte einen solchen Haß auf seinen Namen. Und er hat uns gesagt, wenn wir erben wollen, so sollen wir unsere Eduarda bloß nicht Eduarda nennen, wir sollen sie bei einem anderen Namen rufen ... Bis wir das erfuhren, haben wir sie nämlich immer Eduarda genannt. Wir haben immer gefunden, Eduarda ist ein wirklich feiner Name, so heißt lange nicht jede. Aber wie er uns das gesagt hat, und wir wollten doch so gerne erben, haben wir uns mühsam angewöhnt, Pummelchen zu ihr zu sagen. Hundertmal haben wir es geübt, und immer wieder haben wir uns versprochen, weil wir doch so an den Namen Eduarda gewöhnt waren und ihn so gerne mochten. Wenn ich nachts aufwachte, habe ich meine Frau geweckt, und wir haben gemeinsam geübt: Pummelchen sollen wir sagen, nicht Eduarda –! Pummelchen!

... Wir haben das Wort Pummelchen so gehaßt; wäre es nicht schon zu spät gewesen, noch einmal umzulernen, hätten wir sie Rieke oder Jule genannt, ganz egal, nur um nicht mehr Pummelchen zu hören! Pummelchen!

Er starrte trostlos vor sich hin, er flüsterte: Und alles umsonst!

Karla gab ihm einen sanft mahnenden Schubs und sagte: Na, nun man weiter, Friedrich Karl. Wir werden dich schon nicht sitzen lassen!

(Wir nannten uns natürlich längst du, da wir doch miteinander verwandt waren.)

Er schüttelte verzweifelt den Kopf. Was man doch für ein Schwein wird, bloß um Geld zu kriegen! sagte er dann. Wir haben vorher ganz glücklich gelebt, ich hatte mein Auskommen, bis mir mein Schwager den Floh mit der Erbschaft ins Ohr gesetzt hat. Aber dann, es war, als sei die Hölle los ... Wir müssen richtig verrückt gewesen sein! Immer nur Onkel Eduard, und was wir uns von dem Geld kaufen wollten, und wohin wir reisen wollten. Lange Listen haben wir uns gemacht, wem von unseren Freunden und Verwandten wir was schenken wollten, und das Streiten haben wir gekriegt über jede Kleinigkeit, ob für Tante Adelheid fünfzig Mark im Monat genug seien ...

Tante Adelheid?! riefen wir beide. Adelheid Schreyvogel? Die ist ja auch unsere Tante! Du, wir sind ganz richtig miteinander verwandt, Friedrich Karl! Wir lassen dich bestimmt nicht sitzen!

Er nickte nur, ihn interessierte im Augenblick nur all das Leid, das er durchgemacht hatte. Er klagte: Und dazwischen immer das Üben mit Eduarda und Pummelchen! Verrückt sind wir gewesen. Und die ewige Angst, Onkel Eduard macht noch ein anderes Testament. Nicht für sieben Millionen, nicht für siebzig Millionen mache ich das noch einmal durch! Nur wieder arbeiten wie früher – wenn ihr mir die dreihundertsiebenundachtzig Mark gebt ...

Du sollst sie ja haben, alter Jammerpott! rief Karla ungeduldig. Aber nun erzähl uns wenigstens erst, wie du zu den Schulden gekommen bist! In eine Kasse greifen, pfui, so was macht man doch nicht.

Ich bin eben verrückt gewesen, sagte er verlegen.

Du bist gar nicht verrückt! sagte Karla entschieden. Und daß du ins Wasser gehen wolltest, das glauben wir dir nun auch nicht mehr! Du hast uns nur ein bißchen unter Druck setzen wollen, damit du ohne viel Fragen und möglichst bequem zu dem Gelde kamst, darum hast du uns mit dem Wasser gedroht! Du bist ein Schmachtfetzen! steigerte sich Karla immer mehr. Und nicht erst jetzt, so bist du immer gewesen. Ich werde mal deine Frau danach fragen.

Um Gottes willen, sag doch bloß meiner Frau nichts! Ihr macht mich ja ganz unglücklich! bat er flehentlich. Die weiß doch von dem ganzen – weggenommenen Geld gar nichts. Die denkt doch, ihr Bruder Karl Andreas hat's auf die Erbschaft vorgeschossen, und sagte: Dem ist's nur recht, wenn er für all den Quatsch, den er angerichtet hat, jetzt sein Geld verliert!

Also erzähle jetzt zu Ende, Friedrich Karl, sagte auch ich. Wer weiß, wer heute noch alles zu uns kommt und ob wir hier überhaupt wohnen bleiben. Auf mein Büro muß ich auch noch. Mach, daß du fertig wirst. Es ist schon gleich sieben ...

Ja, was denn noch? Da stand also der alte Heimtücker, der Justizrat Steppe, mit seinen beiden Trabanten. Endlich, nach so langem Warten, war er bei uns in der Stube, und ich tue ganz kühl und gelassen und sage: Pummelchen, geh hin und gib den Onkels die Hand!

– Das Kind heißt eigentlich anders, Herr Justizrat, sage ich noch, aber den grausigen Namen nehmen meine Frau und ich gar nicht in den Mund!

Und er grinst, aber damals habe ich sein Grinsen falsch verstanden, und sagt zu seinem Bürovorsteher: Haben Sie Akt genommen, Fiete? Das Kind wird nach seines Vaters Aussage niemals Eduarda, sondern stets Pummelchen genannt. Ich frage das alte Ekel noch: Es ist doch alles in Ordnung, Herr Justizrat? Und er grient wieder und sagt: Sie haben wohl was läuten hören, Herr Schreyvogel? Na, lassen Sie man, es ist alles in schönster Ordnung – protokolliert und bezeugt. Damit geht er. Nicht einen Wink gibt uns der alte Heimtücker –!

Wir aber, Else und ich, sinken auf das Sofa und weinen vor Glück. Nicht, weil wir geerbt haben, sondern weil endlich die elende Warterei und Erbschleicherei ausgestanden ist. Und immer wieder rufen wir unsere Lütte und sagen: Eduarda, komm her, und: Eduarda, gib ein Küßchen! Immerzu sagen wir Eduarda, können uns gar nicht genug darin tun, nicht einmal sagen wir noch Pummelchen – ja, wenn wir's fünf Minuten vorher so gemacht hätten –!

Mein Vetter versinkt wieder in ein dumpfes, grübelndes Schweigen, vielleicht bereut er, was er getan, vielleicht aber bedauert er, trotz aller erlittenen Qual, daß er nicht das Richtige getan hat.

Karla und ich aber, wir sahen uns an. Und dann gaben wir uns heimlich fest die Hand. Wir waren beide unglaublich erleichtert und zufrieden, denn wir hatten keine Ränke geschmiedet und hatten nicht gelauscht, wir hatten nie Mücke Eduarda genannt oder umgekehrt, bloß um die Erbschaft zu gewinnen. Wir dünkten uns darum nicht besser als unser armer kläglicher Vetter; vielleicht hätten wir auch ein wenig erbgeschlichen, hätten wir eine Witterung gehabt, trotzdem Karla sich nie so hätte verstellen können ...

Sondern nach dieser Erzählung sah es doch fast so aus, als wäre uns diese Erbschaft gegen alle Wahrscheinlichkeit vorausbestimmt gewesen. Sie war sozusagen gegen all unser Handeln und Sinnen zu uns gekommen, ›auf höheren Befehl‹ – und da mußte sie doch auch das Richtige für uns sein, wenn wir uns vorläufig auch noch schrecklich verwirrt und geängstigt fühlten. Das erleichterte uns, das machte uns froh.

Und von dieser Erleichterung bekam auch der Vetter sein Teil; ganz milde fragte ihn Karla: Und wie kam es nun zu den Schulden?

Wie soll es dazu gekommen sein? antwortete Friedrich Karl mürrisch. Wir dachten doch, wir hätten bestimmt geerbt. Ihr werdet ja auch schon eine ganze Menge Geld verjuxt haben, seit ihr gestern von euerm Glück erfahren habt. Genau wie wir werdet ihr gestern eure Freunde eingeladen haben, um zu feiern, das hat bei uns sechsundfünfzig Mark gekostet. Es ist aber auch keiner nüchtern geblieben.

Wir haben alles in allem zwanzig Mark ausgegeben, sagte Karla rechthaberisch.

Na ja, sagte er enttäuscht. Das wird den Onkel Eduard freuen, daß ihr ebenso – sparsam seid wie er! Wir haben uns zuerst fein eingepuppt, weil wir doch gedacht haben, wir müßten zur Testamentseröffnung. Ich habe mir einen schwarzen Anzug und einen Zylinder gekauft und für Else ein schwarzseidenes Kleid, und auf Onkel Eduards Gruft haben wir einen Riesenkranz mit echten Lilien für siebenunddreißig Mark geschickt ...

Wir sahen uns betroffen an, wir hatten an so etwas noch gar nicht gedacht! Wir fanden es eigentlich sehr schicklich von dem Vetter.

Aber aus einer fremden Kasse ... sagte Karla schließlich, um unsere Niederlage zu bemänteln.

Ach, davon mußt du auch nicht immerzu reden! sagte er richtig krötig. Wenn du weißt, du kannst es gleich wieder reinlegen ...

Aber du konntest es nicht reinlegen, Friedrich Karl!

Doch! Ihr habt es mir versprochen, und also kann ich es reinlegen. Und damit ist es, als wäre es schon drin.

Willst du mir nicht meinen schwarzen Anzug und den Zylinderhut abkaufen, Max? Ich würde ihn dir billig lassen – sagen wir alles in allem fünfhundert Mark.

Wir hatten wirklich sehr viel Mühe, den Vetter wieder loszuwerden, und als er ging, nahm er nicht nur dreihundertsiebenundachtzig Mark von uns mit, sondern auch das Versprechen, wir wollten uns für ihn nach einer besser bezahlten Stellung in Gaugarten umtun.

Mit einiger Besorgnis sahen wir aber dem Besuch von Herrn Justizrat Steppe entgegen. Wir hatten, keine vierundzwanzig Stunden nach der Übergabe von fünftausend Mark, kaum noch Geld, dafür aber zwei Anstellungen versprochen, eine halb, eine ganz. Und dann war da noch mein Freund Paulus Hagenkötter ...

*

 


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