Felix Dahn
Julian der Abtrünnige
Felix Dahn

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Dreißigstes Kapitel

Auf das tiefste hatte das soeben Erlebte das weiche, reizbare Gemüt Julians erschüttert. Er war tief getroffen worden in seinen edelsten Zügen, aber auch in seinen Schwächen.

Es war ihm ein Bedürfnis, nachdem er sich erst in der Einsamkeit seinem Gefühle hingegeben – viele Tränen hatte er geweint um die beiden »Verlorenen« –, sich auch einem andern Herzen auszuschütten. Er ließ Serapio rufen und wandelte, auf seinen Arm gelehnt – denn er war stark erschöpft – in dem Schatten des Platanenhaines bei seinem Palatium langsam auf und nieder, das eben Erlebte und das Bevorstehende durchsprechend. »Ah, und die Mutter«, klagte er, plötzlich haltmachend. »Ich habe sie ja all diese Zeit nicht gesehen. Sobald meine ›Galiläerverfolgung‹ begann, weigerte sie sich, mit Juliana an meinen Hof zu kommen. Sie schrieb mir nur ein paar verzweifelte Briefe, und als diese nichts fruchteten, verstummte sie völlig, ja sie war verschwunden. Erst vor kurzem erfuhr ich, wo sie weilte. In Rom, in Jerusalem und dann bei ›Ihm‹, wie die Galiläer den Alexandriner anbetend nennen. Und dieser Johannes! Lysias hatte doch recht, als er mich vom Knaben auf vor dem warnte. Er ist ein ›Heiliger‹ – (auf gut griechisch: ein Narr!) – und eine gute Seele. Ja, ich glaube, er würde für mich Scheusal noch immer in den Tod gehen. Aber ein Schleicher ist er doch! Er half ganz ruhig der Mutter, den Sohn betrügen; oder doch, ihm zu dessen schlimmstem Feind entlaufen. Aber, erwisch ich ihn, sorg ich dafür, daß Frau Irenen dieser stets bereite Stab für ihre Wanderfahrten abgenommen wird für immerdar. – Und Jovian! Auch er ist nicht ganz mein! Nicht – o laß mich's wiederholen, es tut dem wunden Herzen wohl! – nicht so wie du, mein Serapio. Du bist mir treu.« – »Solang du lebst. Und solang ich lebe«, sprach der andere, den Arm des Wankenden kräftig in die Höhe hebend. »Aber eins lebt länger als du und ich.« – »Gewiß, der Gott«, sprach Julian, sich auf ihn stützend und zu dem Hochgewachsenen emporblickend.

»Du weißt, Julian, ich habe keine Götter. Darum erleb ich solche Wandlungen nicht wie der wackere Jovian. Aber von Geschlecht zu Geschlecht, von Civilis herab, haben wir's geschworen und gehalten . . .« – »Nun, was also lebt länger als wir beide?« – »Mein Volk, die Franken. Ihm vor allem gehört mein Glaube, meine Treue.« – »Ich verstehe! Nun – nach unserem Vertrag –, falle ich, darfst du wieder gegen Rom kämpfen, wenn es dich freuen wird.« – »Ich würde müssen. – Und es würde mich auch freuen. – Aber, o Freund, Perser und Parther haben mehr als einen Pfeil, so sagt man. Einer für dich, einer für mich löst unsern Vertrag. Erwarten wir das Ende. – Zunächst jedoch gilt es, diesen Athanasius zu bekämpfen. Ich bin gespannt darauf. Gestatte, aber zürne nicht der Bitte: Ich weiß, du brauchst keinen Kampfeshelfer und du hast mehr Dialektik in deinen Fingerenden, als dein ziemlich schweigsamer Freund. Allein, solltest du im langen Redekampf ermatten – du bist stark angegriffen –, gestatte mir, dem Barbaren, eine kurze Frage zu richten an diesen größten der Christen.« – »Gern! Nach meinem Sieg, denn ich werde nicht ermatten!« rief er, siegesgewiß, mit leuchtenden Augen. »Ich bin in Sorge, dieser Heilige läßt sich mit dir auf Dialektik, auf Logik gar nicht ein.« – »Wie kann er? Mit seiner seltsamen Logik 1 = 3?« – »Spotte nicht! Leichtherziges Griechlein! Bist du schon wieder obenauf?« – »Ja, ich schnelle immer leicht wieder empor, ward die drückende Last abgenommen, dem Zweig der edlen Olive vergleichbar. Danke dir, du Treuer, du hast mir wohlgetan. Leb wohl. Ich will nun ruhen.« – »Wenn nur nicht Athanasius . . .«, rief Serapio noch dem Enteilenden nach. Aber hier brach der Treue ab. »Nein, nicht Julian – vielleicht unnütz – erschrecken, ihn bestürzt machen. Allein, geht jener kluge Priester auf . . . auf jene Geschichte ein, vor allem Volk . . . dann wird es ihm hart gemacht, zu siegen, dem lieben Imperator der – Wortkunst. Da hilft ihm keine Rhetorik darüber weg. Was dann? Aber ich fürchte, wir kommen gar nicht so weit im Streit um die Lehre. – Nun gehe ich zu dem andern armen Freunde, dem wackeren Christen Jovian. Wird er sich freuen, wenn ich ihm vertraue, daß Julian ihn – trotz des bißchen Taufwassers – noch immer so innig treu liebt, so innig, wie ich's soeben Julian umgekehrt von dem Magister Militum beteuert habe. Seltsam ist's! Ich laufe emsig zwischen beiden hin und her, dem Eingottgläubigen und dem Vielgöttergläubigen, dem Eichhörnlein Ratawiskr vergleichbar, aber nicht Zwietracht, sondern Eintracht stiftend zwischen guten, törichten Männern. Meine Gottlosigkeit muß den Christen und den Heiden versöhnen.«

 


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