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An seinen geliebten Lehrer Lysias, den Oberpriester des Apollo, Senator zu Byzanz, Patricius und Comes Consistorianus, Julianus Imperator Augustus, unbefleckt von Blut!
O mein Teurer! Wie hast du doch so ganz die Wahrheit aus deinen Sternen gelesen, als du dem Knaben Julianus verkündetest, er sei ein vor allen bevorzugter Liebling der Götter! Ich schreibe dir dies aus Byzanz, ich schreibe dir als der einzige Imperator des Römerreichs, anerkannt in allen drei Erdteilen, von allen Heeren, in allen Provinzen. Constantius ist tot, und nicht ein Tropfen Blutes floß dabei!
Ah, was ich in meinen kühnsten Wünschen kaum zu hoffen, was ich zu den Göttern kaum im Gebet zu flüstern mich unterfangen – »unblutiger Sieg« –, sie haben mir's in überschwänglicher Vollkommenheit gewährt. Eine Priesterin der Athene zu Sirmium hatte mir »unbefleckten Sieg« verheißen; aber ich hatte die Erfüllung des Spruches in vollstem Sinne zu hoffen nicht gewagt. (Seit ich Gallien verlassen, bring ich den Göttern offen Opfer dar. Ach, wie wohl tut solche Erlösung von der Heuchelei!)
Ich schrieb dir, wie ich nach kurzem Verweilen von Naissus aufbrach, den Gegner in Asien aufzusuchen. Aber schon auf dem Weg an die Grenze Thrakiens flog mir das unverhoffte Glück wie auf Flügeln der Iris entgegen! Unsere Vorhut stieß auf einen Reiterzug, der mich aufsuchte. Brausendes Jubeln aller Scharen, durch welche diese Boten mir entgegenkamen, verkündete im voraus eine große Freude; aber nie hätte ich die Wirklichkeit solches Glückes geahnt.
Es waren zwei Comites des Constantius, seine vornehmsten Feldherren, Theolaif und Aligild (Germanen, wie leider auch fast alle meine besten Anführer!), die, an der Spitze der Ersten des Heeres und des Hofes meines Gegners mir entgegeneilten. Sobald sie meiner ansichtig geworden, sprangen sie ab, warfen sich vor und neben meinem Roß auf die Knie, faßten meine Hände und riefen mir zu: »Juliane Auguste Imperator, durch des Himmels Fügung einziger Beherrscher des Römerreichs! Unser armer Herr Constantius ist nicht mehr. Und unser ganzes Heer, sein Hof, sein Lager, alle Provinzen, die er beherrschte, haben in einstimmiger Wahl dich, den letzten der Constantier, den Helden, der Gallien dem Reiche wiedergewann, als Imperator anerkannt, zum Nachfolger des Constantius gewählt.«
Ich war so erschüttert, daß ich fast vom Pferde geglitten wäre. Geraume Zeit bedurfte ich, bis ich mich genug gesammelt hatte, näheren Bericht zu vernehmen. Constantius war an die persische Grenze gezogen – endlich – wiedergutzumachen, was er und seine Feldherren hier länger als zwei Jahrzehnte hindurch vernachlässigt, verschuldet hatten. Haben doch die Feinde dort solche Fortschritte gemacht, daß meine nächste Sorge dem Tigris, nicht dem Rheine wird gelten müssen. Sapor, der Perserkönig, war, kurz bevor Constantius zu Edessa von meiner Erhebung erfuhr, zurückgewichen; aber wahrlich nicht vor Constantius, sondern dringend abgerufen durch Einfälle der wilden Massageten in seine Ostprovinzen.
So konnte mein Gegner, des Angriffs der Perser entledigt, daran denken, mich zu vernichten. Zu diesem Zweck abermals unsere ganze Grenze dort zu entblößen, besann er sich keinen Augenblick. Er zog alle Streitkräfte in jenen Landschaften an sich, kehrte Persern und Parthern den Rücken und eilte mir entgegen. In Hierapolis, auf dem Wege nach Antiochia, forderte er in großer Truppenschau die Seinen auf, den undankbaren Empörer abzufangen »wie einen Eber auf lustiger Jagd«. Denn er sprach immer nur von »fröhlichem Jagen auf das Cäsarlein«! Von meinen bescheidenen Vorschlägen und Bitten ließ er nichts verlauten. Er brannte vor Begier, mich zu verderben; hastig sandte er die Reiter und (auf Wagen!) leichtes Fußvolk voran.
Aber böse Vorzeichen und schwere Träume quälten ihn schon zu Antiochia – gerade zu derselben Zeit, da meine Götter mich wiederholt im Traum des Sieges versicherten. (Ein solches Zusammentreffen genügt doch allein schon, das Dasein der Götter zu beweisen! Serapio zuckte dazu freilich lächelnd die Achseln.)
Ach leider können oder wollen die Götter nicht jede böse Tat verhüten! So haben sie auch geschehen lassen, daß wir beide, o Lysias, durch häßliche Grausamkeit einen teuren Freund verloren haben, unsern Philippus! Die Gesandten erzählten: Schon bei der Nachricht von meiner Erhebung habe Constantius den Sternkundigen unter wütendem Zornausbruch verhaften lassen, und schon damals hätte er ihn getötet, aber der Mutige (er soll ihm geweissagt haben, der Cäsar Julian werde Gallien nicht mehr verlassen) erwiderte ihm: »Wart es doch ab. Julian ist noch in Gallien.«
Als jedoch nun die Kunde eintraf von meinem Vordringen bis an den Ister, von dem Falle Sirmiums, da sprach Constantius, von dem Ober-Eunuchen gehetzt, das Todesurteil aus über den klugen Mann, der ihm aus den Sternen vorgelogen habe. Lächelnd ließ ihm Philippus sagen: »Die Sterne haben nicht gelogen und nicht Philippus; nicht der ›Cäsar‹, der ›Imperator‹ Julian hat Gallien verlassen. Unrecht also tust du, mich zu strafen; aber dafür bist du der Imperator. Als letzte Gnade erbitte ich mir, der ich dich aus so mancher Todeskrankheit gerettet habe, mir die Todesart selbst wählen zu dürfen.«
Das bewilligte ihm Constantius, obwohl Eusebius dringend verlangte, vorher dem armen Buckligen auf der Folter seine wirksamsten Heilmittel auszufragen. Als Rache sandte der Arzt ihm eine Phiole mit dem Zettel: »Das tötet rasch und schmerzlos. Ich wählte dies Gift und schenke dir den Rest. Verwahr ihn wohl, du brauchst ihn bald, sagen die niemals lügenden Sterne. ›Euthanasia‹, leichter Tod, ist den Sterblichen das zweithöchste Gut! Das höchste ist, gar nicht geboren zu sein. Ich gehe ein zum Frieden – das heißt zu ›Irene‹.«
Er starb zu Antiochia, das Wort »Irene« auf den Lippen. Irene . . . es ist auch der Name meiner Mutter; sie waren befreundet von Jugend auf. Tief dankbar, gerührt gedenke ich des treuen Freundes.
Nach diesem Mord – so berichteten mir die beiden wackern Germanen mit wahrem Abscheu – beriet Constantius gar oft mit Eusebius und seinen neuen Ärzten (darunter Niger), in welcher Weise er mich, nachdem ich gefangen, am langsamsten und qualvollsten den Tod erleiden lassen könne. Denn daß er mich überwinden werde (wie bisher freilich alle inneren Feinde), daran zweifelte er nicht.
»Aber Zeus«, sagt Sophokles, »liebt nicht den Sprecher großer Worte.« Denn des Philippus Weissagung sollte sich rasch erfüllen an Eusebius. Alsbald nach dem Aufbruch aus Antiochia – Ende Oktober – erkrankte Constantius zu Tarsus in Kilikien. Reuevoll rief er jetzt nach dem Arzt, dem Helfer! Mit Anstrengung schleppte er sich noch nach dem nur wenige Meilen entfernten Mopsukrene am Fuße des Taurus, starb aber hier alsbald – am fünften Oktober – an einem hitzigen Fieber unter den Tröstungen eines arianischen Bischofs.
Vierundvierzig Jahre hat er gelebt (das dünkt mich schon ein hohes Alter!), vierundzwanzig Jahre hat er geherrscht! Und was hat er getan in all der Zeit für die Unsterblichkeit? Alexandros hatte mit dreißig Jahren die Welt erobert. Ich habe bis dahin noch drei ganze Jahre vor mir. Die Welt werde ich nun zwar nicht erobern in dieser Frist, aber das Reich erneuern und die Götter!
Nun entstand unsagbare Verwirrung in dem führerlosen Heer; alsbald erscholl das Gerücht, der Perserkönig, der schnell jene massagetischen Räuberscharen verscheucht, habe bereits Nachricht von der Verwaisung des römischen Ostreichs und schon rücke der Gefürchtete in Eilmärschen an die Grenze.
Was nun tun? Ausgezogen war das Heer des Constantius, mich zu vernichten, in seinem Dienst. Er war nicht mehr. Für wen sollten sie jetzt gegen mich kämpfen? Oder sollten sie umkehren und erst den äußeren Feind abwehren. Aber unter wessen Führung? Die Wahl eines Nachfolgers des Constantius war unvermeidlich. Da entfaltete Eusebius die ganze Kunst seiner Ränke. Himmel, Erde und Hölle setzte er in Bewegung, vor allem die Stimmen von mir abzulenken, die sich gleich von Anfang zahlreich erhoben.
Er wollte seinen Vetter durchsetzen, jenen Barbatio, dem angeblich der Verstorbene den Purpur bestimmt habe. Doch war keine Aufzeichnung hierüber zu finden. Und man hatte wohl genug am Hof und im Heer von seiner und der andern Eunuchen Vorherrschaft seit so vielen Jahren. Die Feldherren beriefen eine allgemeine Versammlung der Truppen, und kaum hatte der Comes Gomohar (wieder ein Germane!) meinen Namen genannt, als plötzlich das ganze Heer jubelnd in den Zuruf ausbrach: »Julianus Imperator Augustus!«
Wie damals zu Paris! Wer erkennt hier nicht dankbar, fromm, in ehrfurchtsvoller Scheu, das Walten der Götter, die den weiten Himmel bewohnen, der sich von Gallien bis nach Kilikien dehnt? Zwar soll auch der heilige Geist der Galiläer solch einmütige, plötzlich ausbrechende Begeisterung bewirken; aber er wäre doch ein allzuwenig scharfblickender Geist, hätte er mich vorgeschlagen!
Da nun aber Eusebius, trotzig und herrschaftsgewohnt, nicht nachgeben wollte, vielmehr in die heftigsten Schmähungen gegen mich ausbrach, ergrimmten die Leute gegen den langverhaßten Eunuchen, verfolgten den Fliehenden bis an sein Haus und drohten ihm qualvollen Tod. Als sie die Tür aufbrachen, trank er aus des Philippus Phiole und starb sofort.
Das Heer jedoch beschloß vor allem, dem drohenden Bürgerkrieg zuvorzukommen, stehenzubleiben, wo es stand, um nicht zu weit von der Persergrenze sich zu entfernen, mir aber durch jene Gesandtschaft seine Huldigung zu überbringen. Von nun an verwandelte sich meine Heerfahrt gegen Byzanz in einen Triumphzug! In allen Städten und Dörfern auf meinem Weg über Philippopel, Hadrianopel, Perinthus ward ich mit Jubel begrüßt; auf bekränzten Schiffen fuhren sie mir auf dem Hebrus entgegen. Aus Byzanz aber strömten mir Tausende (viele kannten mich von meinem früheren Aufenthalt daselbst) bis nach Perinth entgegen (das sind über fünf Stunden!) und holten mich unter nicht endendem Jubel in die Hauptstadt ein. Das war an den Iden des Dezembers im zweiten Jahre meines Imperiums.
Meine erste Pflicht galt der gebührenden Bestattung meines toten Feindes, Vetters, Schwagers (o wie wird sich Helena in ihrer Verklärung freuen, daß ich nicht das Schwert mit ihm kreuzen mußte!). Feierlich ließ ich die Leiche durch meinen Magister Militum Jovianus aus jener ersten Ruhestätte abholen; in ehrenvollstem Geleit ward sie zu Byzanz bestattet in der Basilika der Arianer. Ich selbst, im Privatgewand, in Trauerkleidung, schritt als der erste Leidtragende hinter seinem Sarg; und die Tränen, die ich dabei vergoß, waren nicht geheuchelt: Galten sie auch nicht dem Toten – sie flossen um der Menschheit allgemeines Weh! Und ach, um Helena!
Nun aber ward dem Toten sein Recht – nun soll im vollen Maß ihr Recht den Lebendigen werden!
Was eines Menschen, eines Herrschers Wille, Liebe, Kraft, Begeisterung leisten kann, sein Volk zu beglücken, das soll geschehen – allen Göttern gelob ich's. Und ich fühl's, sie werden mir beistehen.
Aber auch du steh mir bei, mein geliebter Lehrer! Komm, eile, fliege (jetzt können die Verehrer der alten Götter wieder sicher reisen durch das ganze Reich der Römer!), komm sofort zu mir nach Byzanz; du mußt mir helfen bei dem schwierigen Werk, die Götter zu erneuern, ohne irgend die Galiläer zu verfolgen, denn niemals werd ich solches dulden. Edler Sinn, der selbst unterdrückt war, wird nie unterdrücken: Er kennt das Unrecht und den Schmerz.
Wohl weiß ich (schmerzlich hab ich's aus deinem Schweigen wie aus deinen spärlichen, kurzen Briefen gefühlt!), uns trennen immer noch die alten Abweichungen in der Auffassung der Götter. Aber ich hoffe und vertraue, nein, ich weiß gewiß – du wirst mich verstehen lernen, du wirst meine Lehren selbst annehmen und sie mir verbreiten helfen über den römischen Weltkreis. Du wirst vor allem die so äußerst schwierigen Maßregeln in Behandlung der Galiläer mir raten, vorschlagen und – nach meiner Genehmigung – ins Werk setzen.
Du aber wirst mir auch die erfreulichere Hilfe leisten, die Tempel der Götter wieder zu erschließen, die verlassenen Altäre zu bekränzen, den Olympiern wieder aus duftender Schale zu sprengen! Schon seh ich den Tag, da ich hinter dir (wie damals!) den steilen Pfad zum Kapitol hinaufsteige, gefolgt von den vestalischen Jungfrauen, und dem Jupiter des Kapitols das erste Opfer bringe.
Das ist der Lohn, mein Lysias, den ich dir zugedacht: Ich kenne keinen höheren, wie ich selbst nicht den imperatorischen Purpur für meine höchste Ehre halte, sondern daß ich Pontifex Maximus meinem Reiche bin und Archon des Orakels des didymäischen Apoll. Zum obersten Priester deines Gottes, des Apollo von Heliopolis, zum Patricius, zum Senator meiner zweiten Hauptstadt und zum Gliede meines geheimen Rates, zum Comes Consistorianus, ernenne ich dich hiermit zugleich. Aber was bedeutet das gegen den Titel: »Lysias und Julian, die beiden Erneuerer der Götter!« Ich schließe, trunken vor Seligkeit.