Felix Dahn
Julian der Abtrünnige
Felix Dahn

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Achtes Kapitel

Als der Jüngling die Augen wieder aufschlug, sah er sich in einem ihm unbekannten Gemach. »Wo bin ich?« fragte er Lysias, dessen Blick gespannt auf dem bleichen Antlitz ruhte.

»In Sicherheit vor den Menschen und nun – den Göttern sei Dank! – auch in Sicherheit vor dem Tode. Du rangest in diesen Tagen und Nächten schwer um dein Leben mit den Mächten der Finsternis. Aber die guten Götter des Lichtes und des Gedeihens haben mein Flehen erhört. Nachdem du heute – es ist der dritte Tag – das Bewußtsein voll wiedergefunden, ist die Krankheit gebrochen; es war ein Rückfall in das hitzige Fieber, das dich bei der Entlarvung der Mönche ergriffen hatte, erneut durch eine ähnliche Erregung. Du bist abermals genesen. Aber nun ist deines Bleibens nicht mehr in Rom. Du mußt fort – heute noch. Fliehen!«

»Fliehen! Warum? Vor wem?« – »Unseliger! Hast du vergessen, was geschehen? Dort in der Krypta!« – »O nein!« entgegnete der Bleiche, sich schaudernd aufrichtend. »Der Papst! Die Urkunde – die Fälschung, die er forderte . . .« – »Still! Nicht so laut! Wer weiß, ob seine Lauscher nicht sogar bis hierher . . .« – »Was ist das für ein seltsamer Raum? Unter der Erde, wie es scheint. Nur ein schmaler Lichtstreif fällt von oben durch mächtige Gewölbequadern. Und welche Bilder sind rings eingehauen in die Wand! Sonnen! Viele Sonnen! Ein ägyptischer Krieger, nein, ein Gott mit einem Sonnenschild. Und dort . . . das ist Phöbus Apollo! Wo bin ich?«

»In dem geheimen Gewölbe des Apollotempels nahe der Brücke Hadrians.« – »Wie? Unter den zähesten Heiden? Ich staune.«

»Du wirst bald noch stärker staunen. Versuche, ob du das Lager verlassen kannst. Siehst du! Es geht! So wird dich ein Maultier bei Einbruch der Dunkelheit davontragen, ehe deine Verfolger . . .« – »Aber wer verfolgt mich?« – »Der Heilige Vater. Er hat Verdacht geschöpft, du seiest doch noch nicht ganz reif gewesen für seine Pläne. Er ließ dich an deinem Krankenlager im Haus unseres Gastfreundes, wohin ich dich brachte, scharf überwachen. Mit Mühe gelang mir's, nachdem ich durch vertraute alte Freunde dich hierher geflüchtet, seine Späher glauben zu machen, du seiest – in einem Fieberanfall – mir entsprungen. Ich verabschiedete mich bei dem Heiligen Vater unter dem Vorwand, dich zu suchen. Du seist mir für jene Urkundenverfassung unentbehrlich.« – »Was kann er wollen? Doch nicht mich morden?« – »Das ist nicht nötig. Aber auf immerdar für jedes Menschenauge verschwinden lassen in einem der vielen Klöster, über die er unbedingter gebeut als der Imperator über seine Kastelle. Schon mancher ist so . . . verloschen, spurlos. Du aber sollst nicht, du Stern der Hoffnung für mich und für das Römerreich, ja für die Götter selbst, erlöschen in der Nacht eines Zellenkerkers.« – »Nein! Jetzt will ich leben – wirken! Ich will ihnen zeigen, diesen Priestern ohne Vaterland, ohne Staat . . .« – »Rege dich nicht auf. Spare deine Kräfte. Du wirst sie brauchen. Denn dein Weg ist weit.«

»Wohin . . .?« – »In die Freiheit.« – »Aber . . . der Imperator? Wird er nicht alsbald erfahren, daß ich nicht wieder in das Kloster . . .?«

»Bei dem Imperator, in dem ganzen Palast ist wieder einmal einer jener plötzlichen, rätselhaften Umstände eingetreten, die nicht eben selten sind. Wieder einmal ist zurückgedrängt der Einfluß seiner bösesten Geister: der Eunuchen und des Präpositus des Schlafgemachs, des elenden Eusebius, des bittersten Feindes deines Hauses. Der Imperator selbst hat befohlen, in vollem Wechsel der Gesinnung oder doch der Maßregeln – niemand begreift die Ursache –, daß du das Kloster vertauschen sollest mit der Stadt Macellum in Kleinasien.« – »Also bin ich frei!« jubelte der Jüngling. Dieser Gedanke schien ihm neue Kräfte zu geben; er sprang auf.

»Nicht nach des Tyrannen Meinung! Die Stadt ist eine Feste, und du wirst in ihren Mauern bewacht sein wie bisher in dem Klostergarten. Aber du sollst einen Lehrer erhalten: für weltliche Dinge.« – »O welche Freude!« – »Selbstverständlich einen eifrigen Christen. Aber getrost. Ich darf ihn dir auswählen; mir überließ das . . . nun, sagen wir, ein Ratgeber des Imperators.« – »Und du wählst?« – »Mich selbst. Allmählich bist du reif geworden, mehr zu vernehmen von meinem Gotte, ja nun darf ich es aussprechen: von meinen Göttern.« – »O mein Vater! Ich folge dir, wohin du führst.« – »Nur noch kurze Zeit! Alsbald wirst du mich führen. Mich und die Menschheit: zum Siege, zum Lichte, zum Siege des Lichts und aller großen Götter.«

 


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