Felix Dahn
Julian der Abtrünnige
Felix Dahn

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Vierundzwanzigstes Kapitel

Viel schwerer als die Unzufriedenheit der weniger zahlreichen Heiden wog aber, daß die Stimmung der Christen zu Antiochia gegen Julian immer feindlicher wurde. Es erfolgten auch hier einige Zeit nach seiner Ankunft wiederholt Erdstöße, die mehrere Gebäude der Stadt niederlegten und ein paar Einwohner töteten. Alsbald predigte über diese »Wunder und Zeichen des Herrn«, wie er es nannte, in der Hauptbasilika der Stadt – der des Ignatius –, ein unbekannter, glaubenswütiger Mönch. Er fand großen Zulauf; auch das Geheimnis, mit dem er sich umgab, zog an, vor allem aber die Glut seines maßlosen Hasses. »Seht ihr denn nicht«, mahnte er, »im Herrn Geliebte, wie die Erde sich weigert, den Fuß des Gottlosen zu tragen? Wohin er wandert, da erbebt sie vor Entrüstung. Sie bäumt sich dagegen auf, die Sohle dieses Verruchten zu verspüren, der nicht bloß von Dämonen besessen, der selbst ein Dämon ist, wie längst das Volk in Nikomedia raunt, das allerlei Grauenhaftes von seiner Zeugung, seiner Geburt zu erzählen weiß. Eine bluttriefende Verfolgung – wie Diokletian – will er verhängen über alle Gläubigen. Weh uns, kehrt er lebend, siegreich aus dem Perserkrieg zurück! Und nicht nur mit Gewalt unterdrücken, durch alle Künste der Verführung gewinnen will er eure Seelen für die Hölle. Deshalb hat er in dem gottverhaßten Daphne den Apollotempel, den heiliger Eifer unter Constantius zerstört hatte, erneuert, was sag ich, prächtiger als je errichtet und mit allen Anlockungen für die Sinne umgeben; er, der sonst den Freudenverächter heuchelt. Allein, seine Tage sind gezählt! Seine und die jenes Tempels der Sünden, des Götzendienstes! Auch geringster Werkzeuge kann sich der Allmächtige bedienen, den Koloß mit den tönernen Füßen zu stürzen, und er legt seinen Blitz in die rächende Hand auch des niedrigsten unter seinen Knechten.«

Die Antiochener vergaßen bei diesen Worten, daß sie in der Kirche gesprochen wurden. Fortgerissen von wildem Haß, aufgestachelt von der rasenden Leidenschaft des Priesters, dem der Schaum vor den Mund trat, klatschten sie wütend Beifall, wie im Theater, und schreiend mit den Armen fuchtelnd, ergossen sie sich aus den Türen und über die Vortreppe der Basilika herab auf das Forum, hier ihre Zustimmung, ihre Freude, ihren Haß gegen den Gottlosen austobend.

Dieser Hauptplatz der Stadt, ehemals Merkur geweiht und mit einer Herme geschmückt, war unter Constantius dem Heiligen Geiste gewidmet, eine Büste des Herrschers war auf den Sockel der Herme gestellt worden. Die ängstlichen Senatoren der Stadt hatten am Tage vor dem Eintreffen Julians das Bild des toten durch eine Büste des lebenden Herrschers ersetzt, schon damals unter lautem Murren der christlichen Eiferer.

Auf diese Herme entlud sich jetzt die Wut der Kirchgänger. Im Augenblick war die Büste des Verhaßten angespien, besudelt, zerschlagen, mit den Füßen zu Staub getreten. »Nieder mit Julian! Nieder der Götzendiener! Der Gottlose! Der Dämon!« In hellem Aufruhr, obwohl unbewaffnet, wälzte sich der Schwarm der Männer, denen Weiber und Kinder schreiend folgten, von dem Forum hinweg gegen Süden nach dem Palatium, in dem Vorsatz, irgendwie dort ihren heißen Zorn zu kühlen.

Horch! Ein Hornstoß! Das war kein römisches Zeichen. Barbarisch scholl es, grauenerregend! Die Antiochener hatten dergleichen noch nie gehört. Auch die Hitzigsten stockten, hemmten den wilden Lauf, blickten erschrocken in die breite Seitengasse, die hier einmündete.

Da erschraken sie noch mehr!

»Barbaren! Wilde! Barbaren! Germanen über uns!« kreischten sie und stoben nach allen Seiten auseinander. Die hintersten Reihen rannten Kinder und Weiber über den Haufen, in wilder Flucht stampften sie über die Ächzenden, Fluchenden hin.

Es war die neue Leibwache Julians, die er in den letzten Wochen fast ausschließlich aus Germanen in seinem Sold, Angehörigen aller Stämme, zusammengestellt hatte. »Die Treuen«, »Fideles«, hatte er sie genannt. Diese, etwa tausend Helme, zogen soeben aus ihrem Lager westlich vor den Toren zum erstenmal in die Stadt, unter dem Schall ihrer heimischen Hörner. Prachtvolle wilde und hochgewachsene Kriegergestalten in ihrer stammtümlichen Tracht und Bewaffnung!

An der Spitze schritten Garizo, Sigiboto, Ekkard und Sigibrand der Sachse, der, zu des Mannes lebhaftem Erstaunen, von Julian unter dem Ehrennamen »der Theologos« zum Centurio befördert worden war.

Diese Schar bog jetzt in die von den flüchtigen Frommen geräumte Straße ein und zog auf das Palatium, mit dem schlichten Lagerlied, das vor kurzem bei ihren Wachfeuern, aus dem Stegreif gefunden, entstanden war:

»Jubelt und jauchzt ihm,
Dem jungen Julianus,
Dem herrlichen Helden,
Dem mildhändigen Herzog!
Folgt ihm, ihr Freien,
Durch Flammen und Fluten,
Prahlende Parther
Und prunkende Perser
Prächtig zu prügeln.
Heil ihm, dem Helden,
Dem Günstling der großen,
Der gabengütigen Götter!
Zu reichem Ruhm
Erhöhet ihn Eru!
Walvater weist ihm
Zum Siege die Wege,
Der waltende Wodan.

Wir aber wollen ihm freudig folgen
Von Schlachtfeld zu Schlachtfeld.
Jubelt und jauchzt ihm,
Tapfer und bis zum Tode getreu,
    Dem jungen Julianus!«

Als dem Imperator das Geschehene gemeldet wurde, fragte er nach dem Namen jenes Predigers, und als er erfuhr, man habe nun ermittelt, er heiße Theodoretos, befahl er, eifrig nach ihm zu fahnden. Aber der Mönch war spurlos verschwunden.

Im übrigen lachte Julian und sprach: »Mich freut, daß sie jene Büste auf der Herme zerschlagen haben, sie war allzu ähnlich, das heißt, sehr häßlich. Ruft mir Artemidor, den Bildhauer. Er soll – (auf Kosten dieser treuen Stadt) – zwölf Büsten von mir schaffen, aber stark verschönerte, mit der Binde und den Strahlen des Apollopriesters. Diese werden auf den Hauptplätzen – vor jeder der zwölf Basiliken – aufgestellt, neben jeder eine Wache aus meinen Germanen.«

»Herr«, meinte sein Quästor, »wir brauchen unglaublich viel Geld für die Kriegsrüstungen. Antiochia ist so reich! Willst du nicht für jene freche Verletzung deiner Majestät dieser mißvergnügten Bürgerschaft ein kleines Strafgeld . . .« – »Nein«, lächelte Julian. »Aber der fromme Senat wird jedem Germanen, solange sie hier lagern, täglich einen Sextar guten Weines liefern. Und Sigibrand, dem Theologen, immer zwei.«

Am Tage darauf ward in das Atrium des Palastes, um einen Stein gebunden, ein Papyrus geworfen, der eine unflätige Verspottung der Leibesgestalt des Imperators enthielt; zumal sein »ekelhafter Bocksbart« ward darin geschmäht. Sofort verfaßte der Gescholtene eine Gegenschrift: »Der Bartfeind«, und ließ sich durch die Mahnungen der Freunde, doch nicht zum Kampf mit ungenannten Sudelschreibern zu deren Tiefe hinabzusteigen, nicht von der Veröffentlichung abhalten; in zahlreichen Abschriften mußten sie die Buchhändler in den Bädern feilbieten. Es waren ihm darin einige Witze, die er – mit zweifelhaftem Recht – für gut hielt, gekommen, und er mußte sie an den Mann bringen um jeden Preis.

Kopfschüttelnd lasen Jovian und Serapion das seltsame Machwerk. »Es ist wahr«, meinte dieser, »geistreich sind zuweilen die Wendungen, in denen er scheinbar sich selbst, in Wahrheit die Antiochener verspottet.« – »Und wie er ihr Schwärmen für die ›Freiheit‹ geißelt!« – »Ja, Freiheit! So rufen von jeher alle, die andere zu ihrer Weise zwingen wollen!« – »Daß sie ihren Ehefrauen die Freiheit zur Unzucht, ihren Kindern die Freiheit zur Ungezogenheit, sich selbst aber die Freiheit zum Ungehorsam gegen die Gesetze zuerkennen.« – »Wie hübsch ist der Satz: ›In dieser guten, frommen und liederlichen Stadt gibt es mehr Schauspieler als Zuschauer. Wäre die Stadt eine Insel, ich nähme sie für die der Phäaken:

. . . wo Jünglinge lieben und Greise
Warme Bäder und buntes Gewand und gepolsterte Kissen,
Ewiglich dreht sich am Herde der Spieß und es dampfen die Schüsseln.

(Nur eine Jungfrau sah ich nicht von Nausikaas Keuschheit!)‹«

»Und ich trink ihm einen Becher zu für sein schönes Wort in diesem Büchlein: ›Die Germanen wissen nicht zu schmeicheln, sondern freimütig und einfach zu leben dort im hercynischen Wald, alle nach dem gleichen Recht.‹ Soviel hat er nun doch schon lernen müssen; vom Leben mit uns, nicht aus Tacitus, dem er ja nicht glauben wollte! Aber doch, wie mag er sich mit diesem Gezücht von Frömmlern und Lüstlingen herumbalgen!« – »Wie er die Zeit dazu findet«, staunte jener. »Er stahl sie wieder dem Schlaf.« – »Und daneben arbeitet er an den Kriegsplänen bis nach Mitternacht.« – »Mich wundert mehr«, schloß Serapio, »wo er die lustige Laune dazu findet. Es sieht nicht lustig aus in Antiochia! Und nicht in eurem ganzen Reich.« – »Ja«, seufzte Jovian, »er erzwingt sich die Laune.« – »Und so ist auch diese Schrift; meist erzwungenes Lachen.«

 

An einem Morgen, ganz früh, weckte Julian wieder einmal seinen Kämmerer. »Hörst du die Hähne krähen?« lächelte er. »Wenn diese Vögel so früh aufstehen, können wir's auch.« – »Du vergißt, Herr«, sprach Oribasius, hinzutretend, »daß der kluge Hahn nicht bis spät nach Mitternacht Öl verbrennt, wie . . . andere Leute.« – »Da! Nimm diesen Ring für die gute Antwort! Gib mir hurtig einen Mantel. Ich eile zu Serapio.« Bei dem Eintreten des Imperators in dessen Gemach fuhr der Franke erstaunt auf von emsiger Arbeit. Er verglich auf einer der besten Karten der staatlichen Sammlungen die Übergänge und Heerwege, die vom Niederrhein ab in das Innere Galliens führten. Auf die Namen Xanten und Duysborg (zwischen Löwen und Brüssel) hatte er eben die Schenkel des bronzenen Zirkels gesteckt gehabt, die Entfernungen vom Rhein auf den verschiedenen Straßen abmessend.

Julian sah's. »Ah«, sprach er lächelnd, »Erzfeind des Römerreichs! Du mißt schon die Wege aus für den Fall meines Todes. Ich darf dir's – nach unserem Vertrage – nicht verwehren und verdenken! Aber eine kleine Weile möchte ich noch leben, um den Kampf aufzunehmen und auszukämpfen mit deinem großen Schützling. Da! Lies! Heute nach Mitternacht brachte ein Eilbote diesen Brief aus Alexandria: seine Antwort. Ich flog zu dir. Aus dem Schlafe hätt ich dich geweckt. Aber du schläfst so knapp wie ich, du arbeitest für . . .« – »Für mein Volk. Wie du für das deine«, erwiderte der Franke ruhig, nahm ihm die kurze Rolle ab und las: »Deiner Einladung gemäß werde ich bei dir erscheinen. Ich bringe einen Anwalt mit. Einen noch stärkeren werde ich bei dir finden, der mich siegen und dich erliegen lassen wird. Athanasius, durch die Gnade Gottes Metropolit zu Alexandria.« – »Nun, was sagst du zu diesem Brief? Zu diesem Priesterhochmut? Zu dieser Kürze? Statt sich zu entschuldigen, gibt er mir Rätsel zu raten auf. Kannst du sie lösen?« – »Nein. Aber ich ahne keine dir günstige Lösung.« – »Oh, laß ihn nur kommen! Ich sehne ihn herbei. Das wird ein Zweikampf zwischen Helios und dem Galiläer.« – »Ein Kampf der Geister, mehr aber noch der Charaktere«, schloß Serapio. »Wehe dem Besiegten!«

 

Einstweilen hatte sich das Verhältnis der Antiochener zu ihrem hohen Gast zu offener, haßvoller Feindschaft gestaltet. Eines Morgens fand Julian in dem Garten des Palastes einen mit einem Pfeil über die Mauer geschossenen Zettel. Auf diesem stand: »Wir sehnen uns nach Ch. und C.«

»Nach Christus und Constantius!« deutete Julian. »O wenn sie doch, diese Antiochener, jener zu sich in den Himmel oder dieser zu sich in die Hölle holen wollte – nur fort aus meinem Reich!«

Aber es blieb nicht mehr bei boshaften Witzen und kleinen Plänkeleien auf beiden Seiten. Es ward bitterer Ernst. Die lang andauernde Dürre, welche die Ernte auf den Feldern verbrannt hatte, führte Teuerung, zuletzt wahre Hungersnot und, in derem Gefolge, bösartige Seuchen herbei. Zumal die Vorstädte, wo die kleinen Leute, die Krämer und Handwerker, wohnten, wurden von einer Krankheit heimgesucht, die Tausende hinwegraffte. Der Hunger rief rote Flecken auf der Haut, hohes Fieber, Delirien, raschen Verfall der Kräfte hervor, und jede Berührung der Erkrankten steckte an. Julian blieb nicht verborgen, daß in allen Kirchen diese »sieben Plagen« als die Strafen des Herrn für den Gottlosen gepredigt wurden. »Es sind nur vier«, spottete er: »Erdbeben, Dürre, Hunger, Seuche. Aber mit der Rechenkunst stehen die Frommen ohnedies nicht gut. Nur sonderbar, daß der Engel des Herrn die Seinen trifft und mich, seinen Feind, verschont.«

Gleichwohl war er unermüdlich bestrebt, die Not des armen Volkes zu lindern. Er befahl, sehr zum Verdruß seines Quästors und seiner Feldherren, aus den für den Perserkrieg angesammelten Vorräten, die entlang der Legionenstraßen in den Städten und Kastellen von Byzanz bis an den Euphrat aufgehäuft lagen, gewaltige Mengen herbeizuschaffen und unentgeltlich unter die Armen zu verteilen und den Vermögenderen zu niedrigen Preisen zu verkaufen. Aber diese Maßregel, die ihm später von seinem darbenden Heere nicht mit Unrecht zu schwerem Vorwurf gemacht werden sollte, wirkte auch in Antiochia ungünstig.

Die Reichen, deren Frömmigkeit weder Wuchereifer noch Genußgier ausschloß, kauften unter allerlei Verdunkelungen jene Vorräte in Massen auf, noch bevor sie an die Tore der Vorstädte gelangten, verpraßten sie in den altgewohnten üppigen Gelagen und verkauften das übrige zu Hungerpreisen an die Armen. Ja, die »Gesellschaft der Tafelfreunde« beschwerte sich bitter bei dem Herrscher, daß er zwar für Brot, Fleisch, Wein und Öl gesorgt habe, aber nicht für Meeräschen und gemästete Ortolane. »Ich wollte fast«, rief da Julian, »dies Völklein würde von den Persern belagert und lernte Ratten als Leckerbissen schätzen.« Er ließ aus Chalkis, Hierapolis und Ägypten vierhunderttausend Maß Weizen kommen, dann fünftausend, weiter siebentausend, endlich zehntausend Scheffel und schenkte all dies der Stadt. Dann setzte er den Preis für das Maß Getreide um ein volles Drittel zwangsweise herab, so daß fünfzehn Maß Weizen nur einen Goldsolidus kosteten. Dreitausend Joch Ackerland des Fiskus schenkte er der Stadt, ohne irgendwelche Bedingungen daran zu knüpfen.

Als alle Verbote und Warnungen nichts fruchteten, zog der Erzürnte die Stadtverwaltung, die Decurionen – größtenteils selbst die Schuldigen –, zu strenger Verantwortung. Durch ihren Trotz gereizt, entsetzte er sie alle und berief andere, die es nicht besser machen wollten oder konnten. So im Stich gelassen von der erbitterten, verstockten Bürgerschaft – die Absetzung der Senatoren empörte diese, die einflußreichsten Geschlechter der Stadt, die sie von jeher beherrscht hatten, auf das schärfste –, griff Julian zu dem alten, höchst verderblichen Mittel römischer Finanzkünste, das zuletzt noch Diokletian zu schwerstem Schaden des Reiches durchgeführt hatte: Er setzte Höchstpreise für jede Art von Lebensmitteln fest, welche die Verkäufer bei schwerster Strafe – sogar die Todesstrafe konnte verhängt werden – nicht überschreiten durften.

Das hatte selbstverständlich zur Folge, daß sofort alle Zufuhr ausblieb. Kein Händler, der nicht mußte, unterwarf sich jenem Zwange. Die Kaufleute, die sich eben angeschickt hatten, aus berechtigter Gewinnabsicht gewaltige Vorräte auf allen Landstraßen zu Wagen, dann zu Schiff von der See her und auch von Seleucia den Fluß Orontes herauf auf der Bergfahrt in die darbende Stadt zu schaffen, sofort kehrten sie um, sobald die Zwangspreise des Imperators bekannt wurden.

Diese Nachricht steigerte auf das äußerste die Wut der Hungernden gegen den »Gottlosen«, der offenbar aus Rache, weil sie treu an ihrem Glauben hingen und seine Eitelkeit oft gekränkt hatten durch ihren überlegenen Witz, absichtlich jene rettenden Wagen und Schiffe verscheucht und die Antiochener mit Bosheit dem Hungertode preisgegeben habe.

Wiederholt rotteten sich die Verzweifelnden auf den Straßen zusammen. Nachts wurden Angriffe auf den Palast unternommen. Grimmig, schonungslos wiesen »die Getreuen«, ihrerseits erbittert über den Undank der Stadt und die eigene schwere Bemühung in unablässigem Wachtdienst, diese Versuche zurück.

So sah Julian am folgenden Morgen vom Fenster seines Schlafgemaches aus breite Blutlachen auf dem Platz vor seinem Hause: »Bürgerblut!« seufzte er. »Das erste, das um meinetwillen vergossen wird.« Er rief die zorngemuten Germanen von ihrem Posten ab, ersetzte sie durch Byzantiner und gebot diesen, nur im äußersten Notfall die Waffen zu gebrauchen.

 

Eines Abends kam Serapio von einem Ritt durch die Stadt, den er an der Spitze einer Schar der »Getreuen« unternommen hatte, mit tiefernstem und besorgtem Antlitz zurück. »Was hast du?« fragte der Imperator erstaunt.

»Freund Julian, eine Bitte.«

»Es ist deine erste. Sie ist gewährt.« – »Sie gilt nicht mir. Ich komme aus den volkreichsten Straßen zurück. Die Not steigt. Mit ihr die Verzweiflung. Und der tödliche Haß gegen dich. Nicht nur die Blicke, schon auch das Geflüster, ja die uns zum Trotz ausgestoßenen lauten Rufe drohen dir den Tod. Dein Leben ist gefährdet.« – »Mein Leben schützt Phöbos Apollo!« – »Ach, bei allen Göttern, die es nicht gibt, verlaß dich doch nicht allein darauf! Nimm hier diesen Panzer. Aus bestem norischem Erz. Ich hab ihn dir sorgfältig ausgewählt unter all meinen Waffen. Trag ihn unter der Tunika, solang du in dieser Stadt von ungezählten frommen Hassern lebst.« – »Ich fürchte sie nicht.« – »Ich weiß. Aber ich fürchte für dich. Sieh, dies war meine Bitte. Du wirst sie gewähren.« – »Ich versprach's. Ich muß also. – Nur einmal im Leben«, seufzte er, »brach ich mein Wort. Ich weiß noch immer nicht, ob ich damit Recht getan.« – »Jedenfalls ist's nicht zu ändern. Und das möglichst Gute aus dem einmal Gegebenen gestalten, das ist meine Weisheit. Ich schnalle dir gleich selbst den Panzer an.«

 


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