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»Mit Athanasius beginne ich«, hob dieser an, »mit Lysias muß auch ich schließen. Du befahlst, dir in Kürze zusammenzufassen, was jener gewaltige Priester unter deinen Vorgängern getan und gelitten. Vor vielen Jahrzehnten war's. Da wandelte der fromme Bischof Alexander von Alexandria am Gestade des Meeres. Er sah einige Knaben, die dort spielten; sie spielten ›Priester‹. Einer unter ihnen nahm an einem Kleineren die Handlung der Taufe vor, so richtig, so genau nach allen Vorschriften der Kirche – er tauchte das Kind ein wenig im Meer unter –, zugleich aber mit so weihevoller Begeisterung, mit so tief aus dem Innersten quellender Frömmigkeit, seine Taufrede war so gedankenreich, daß der Bischof, nachdem er mit Staunen hinzugetreten war und erfuhr, daß jener Kleinere bis dahin ungetauft gewesen, feierlich erklärte, er sei nun gültig getauft durch diesen wunderbaren Knaben. Dazu ist ja Priesterschaft nicht erforderlich, nur der heilige fromme Wille. Und den habe der junge Täufer im höchsten Maße bestätigt. Der Bischof nahm den vom Geiste Gottes erfüllten Knaben mit sich; er hieß Athanasius.
Bald war dieser Diakon. Auf dem Konzil zu Nicäa war der jugendliche Diakon der Vertreter seines Bischofs und der Hauptbekämpfer der Irrlehre des Arios. Er war die Seele dieser großen, wichtigsten Kirchenversammlung, der Verfasser ihres Glaubensbekenntnisses. Bald darauf bestieg er – ein Jüngling noch – als Nachfolger Alexanders den erzbischöflichen Stuhl von Alexandria. Und nun hat er über dreißig Jahre hindurch, in unablässigen Kämpfen, unter den grausamsten Verfolgungen, für dies, für das katholische Bekenntnis gelitten und gestritten gegen Constantin, gegen Constantius, gegen dich, gegen die Arianer und ungezählte andere Ketzer. Wahrlich, das Christentum – es ist Athanasius; der katholische Glaube, in ihm ist er verkörpert.
Constantin hat den Standhaften verfolgt, er sollte einen arianischen Bischof erschlagen haben. Athanasius stellte ihn frisch und gesund vor seine Richter! Ein erbärmliches Konzil zu Tyrus setzt ihn ab. Er wirft sich in eine Barke, segelt nach Byzanz, fällt dem gewaltigen, allgefürchteten Constantin, wie der auf der Straße reitet, in die Zügel, zwingt ihn so, ihn anzuhören. Die Panzerreiter des Imperators weigern sich, Hand zu legen an den Wehrlosen, dessen Rede sie kaum verstehen, dessen Auge sie aber bändigt. Er muß freigesprochen werden. Gleich darauf verbannt ihn Constantin wegen neuer Anklagen auf Hochverrat aufs neue, diesmal nach Trier.
Unter Constantius nach Alexandrien zurückgekehrt, soll er auf dessen Befehl, da der Imperator nun für die Arianer gewonnen ist, getötet werden. Gegen die Kirche des heiligen Theonas, wo der Erzbischof nächtlichen Gottesdienst hält, stürmt Syrianus, der Dux von Ägypten, mit zwei Kohorten heran. Vergebens beschwören den Bedrohten seine Priester, seine Gemeinde, zu fliehen. Unerschrocken fährt er fort, am Altare Psalmen zu singen. Die Krieger erbrechen die verschlossenen Türen, sie dringen ein, mit wildem Geschrei; ihre Rüstungen schimmern in dem Glänze der Altarleuchter. Die Frommen werfen sich ihnen entgegen, sie opfern sich für ihren geliebten Bischof, sie lassen sich schlachten; und wie durch ein Wunder ist der Bedrohte entrückt.« – »Ich kenne diese Wunder«, spottete Julian. »Aber solche Treue kennst du nicht – denn du kennst nicht die Germanen –, wie Bischof und Gemeinde sich nun gegenseitig hielten. Zum Tode verurteilt wird er selbst, zum Tode auch jeder, der ihn verbirgt. Aber sechs Jahre trotzt der Kühne jeder Gefahr. Er verschwindet zuweilen in der Wüste, unter den Einsiedlern der Thebais, in Felsen und Höhlen. Vergebens setzte Constantius hohe Preise auf seinen Kopf, vergebens schrieb er sogar an die Häuptlinge der Äthiopier, ihm in ihren Wüsten in der Jagd nach einem Priester beizustehen, gegen den ein Heer von Beamten, Häschern, Kriegern aufgeboten ward. Zu Dutzenden ließen sich die Mönche töten, aber das Geheimnis seines Verstecks, in einer trockenen Wüstenzisterne, verrieten sie nicht. Jedoch er taucht immer wieder auf, mitten in Alexandria, wenn die Not der Kirche ruft! Vor den Augen der Henker; sie können ihn nicht fassen! Unzähligemale tritt er dem Tod entgegen; zwanzig Jahre verbringt er in verschiedenen Verbannungen. Die andern vermag Constantius auf der Synode zu Rimini durch Kerker, Kälte, Hunger, Todesdrohung zum Abfall von ihrer Überzeugung zu bringen, auch der römische Bischof verleugnet zuletzt den katholischen Glauben; auch Liberius nennt aus Menschenfurcht Christus nur ›gottähnlich‹. Nicht so Athanasius. Viermal darum von Constantius, dem »Bischof der Bischöfe«, vertrieben, kehrt er viermal als Sieger zurück, im Triumph eingeholt von seiner treuen Gemeinde. Mit Wort und Schrift und Tat hat er, ein wehrloser Greis, den bluttriefenden Constantius, den grausamen Herrn der Erde und so vieler Legionen, überwunden, den ersten Herrscher eines Staates, den die Kirche besiegt hat; wer wird der zweite, wer der letzte sein? Offen hat er ihn den Antichrist genannt und den Imperator – ihn und all seine irrgläubigen Bischöfe – sittlich und geistig gedemütigt vor aller Welt. Die Kirche hat gelehrtere Gelehrte, aber keinen größeren Mann. Nicht sein Wissen; sein Wille, sein Charakter macht ihn allsiegreich, und er hat in vierzigjährigen Kämpfen und Mühen der Seelsorge solche Kenntnis des menschlichen Herzens erlangt, daß er voraussagen kann, wie Feinde und Freunde handeln werden. Weissagung nennen das seine Frommen.
Zu Fuß – am Pilgerstab, nicht in vergoldeten Prunkwagen, von sechs Rossen gezogen, wie seine Amtsgenossen – wandert der greise Metropolit von Alexandria Jahr für Jahr durch die Diözesen seiner hundert Bischöfe, von den Mündungen des Nil bis an die Zelte der Äthiopier, die vorgeschriebene Prüfung vorzunehmen. Da ist kein Krüppel an der Straße, den er nicht anspricht, beschenkt, tröstet, kein frommer Einsiedler der Wüste, vor dem nicht dieser größte Fürst der Kirche demütig das weiße Haupt zur Erde neigt; das Haupt, das zwei Imperatoren nicht zu beugen vermochten.
Und mit diesem Manne nun beginnt dein Stellvertreter Lysias einen vom Zaun gebrochenen Streit! Im Purpur und mit goldenem Zepter schreitet er in die Tempel, von allen Ägyptern angestaunt und bejubelt als ihr geborener Führer. Ich unterdrücke den sehr gerechten Argwohn, daß Lysias es war, der heimlich den Haß der ›Hellenisten‹ gegen den arianischen Bischof Gregor, den Kappadoker, so lange schürte, bis . . .«
»Ei«, unterbrach Julian heftig, »den brauchte er nicht mehr schüren. Der Elende! Mit Schlangenbissen hat er sie gepeinigt, schreibt mir Ammianus Marcellinus, das bischöfliche Amt hat er zu elender Angeberei bei Constantius mißbraucht. Er riet schmeichlerisch diesem Habsüchtigen, alle Häuser der Stadt als fiskalisches Eigen einzuziehen, da ja »sein Vorgänger in der Regierung« – Alexander der Große! – die ganze Stadt aus Staatsmitteln erbaut habe, vor sechs Jahrhunderten! Wucher und Gewalttat wechselten ab bei diesem Musterbischof.«
»Wohl! Mußten aber deshalb die ›Hellenisten‹ ihn und zwei Freunde mit den Füßen zertreten und halbtot mit Kamelen an das Meer schleifen und dort verbrennen? Wie sagt euer gedankentiefster Dichter Lucretius? ›Solchen Frevel vermag nur die Religion zu befehlen.‹« – »Das war«, lächelte Julian, »eine beneidenswert glückliche Anführung eines beneidenswert glücklichen Verses.«
Jedoch Serapio fuhr fort. »Du aber, anstatt die Frevler zu strafen, begnügst dich, in einem deiner Briefe – wie du sie so gern schreibst – die ›Hellenisten‹ zu Alexandria zu ermahnen, daß sie von »Hellenen« stammen und daher auch »hellenische« Sitten bewahren sollen. Was würdest du wohl mit christlichen Mördern eines apollinischen Pontifex angefangen haben? Statt dessen glaubst du den völlig unbewiesenen Anklagen, die der wütende Lysias gegen Athanasius schleudert.« – »So? Völlig unbewiesen?« zürnte Julian. »So höre, du plötzlich so eifrig gewordener Galiläerbeschützer.« Er zog eine Anzahl von Rollen aus einer vor ihm stehenden Area. »Diese Berichte habe ich erst heute aus Alexandria erhalten. Vernimm! Dein Athanasius ward bei seiner Wiederkehr in Alexandria mit einem Jubelrausch aufgenommen. Jungfrauen, Greise rangen mit den Jünglingen um die Ehre, seine von Kränzen überhüllte goldene Sänfte tragen zu dürfen. So dankt man meiner Gerechtigkeit! ›Es ist ein Triumphzug, dieser Einzug‹, jubelten die Frommen. ›Der Triumphator ist unser Bischof.‹ Und man triumphiert nur über einen vollbesiegten Feind. Wer ist das? Der Staat.«
»Ohne Zweifel«, erwiderte Serapio. »Der Staat war im Unrecht, als er jenen Mann verbannte. Er ward mit Recht geschlagen. Mit Recht triumphieren die Kirche und das katholische Volk. Warum muß man auch bei euch bald katholisch, bald arianisch, bald heidnisch sein, um Vollbürgerrecht zu haben? Geschieht euch ganz recht! Warum mischt ihr Toren Staat und Glauben durcheinander wie der Bäcker Milch und Mehl? Ich opfere nie daheim, und niemand zwingt mich, zu opfern; niemand fragt mich, was ich glaube. Aber freilich, wir sind nur Barbaren!«
»Ich habe«, rief Julian heftig, »allgemeine Duldung verkündet. Aber Verbrechen, aus Religion begangen, werde ich bestrafen.«
»Ist es ein Verbrechen, sich von Jungfrauen in bekränzter Sänfte tragen zu lassen?«
»Franke, reize mich nicht! – Dein Athanasius wird ferner beschuldigt, an jenen Mordtaten beteiligt zu sein.« – »Das ist erlogen.« – »Er hat sie nicht gehindert.« – »Auch du nicht.« – »Weiter! Er hat alsbald nach jenem Schaugepränge seines Triumphzugs eine Kirchenversammlung seiner hundert Bischöfe nach Alexandria berufen.« – »Das ist sein Recht.« – »Das sind allgemeine Heeresmusterungen der Priestermacht.« – »Auch du musterst ja dein Heer.« – »Bedenkliche Beschlüsse sollen dort gefaßt worden sein. Ihre Ausführung zu verhindern, werd ich ihn wieder aus Ägypten verbannen. Ich schrieb bereits dem Präfekten.« Er ergriff einen Papyrus und las: »Beim großen Serapis! Ist dieser schlimmste Feind der Götter nicht vor den Kalenden des Dezember aus Alexandria und ganz Ägypten verbannt, zahlst du, o Ecdicius, hundert Pfund Gold.« – »Dieser Bischof bewirkt es, daß man alle Götter geringschätzt. Soll er doch abermals ein ganzes Häuflein vornehmer Frauen, bisher Verehrerinnen der Hera, zur Taufe beschwätzt haben. Ich verlange Gehorsam gegen das Gesetz des Staates vor allem und von allen, auch von Bischöfen. Athanasius hat diese Gehorsamspflicht verletzt. Aus Alexandria verbannt von Constantius, ist er sofort nach des Constantius Tod dorthin zurückgekehrt. Er hat nicht einmal meine Verfügung abgewartet, die bereits ergangen war, ihm die Rückkehr gestattend.« Jovianus wandte ein: »Er glaubte wohl, gerade nachdem ein Feind seines Glaubens den Thron bestiegen, dürfe der Hirt der Herde nicht fehlen.« Jedoch zornig fuhr der Herrscher fort: »Den Bürgern aber von Alexandria hab ich geschrieben, sie sollten sich schämen, also an Athanasius und an dem Galiläertum zu hängen. Eine Stadt, von einem Halbgott gegründet, dem Gott Serapis und der Göttin Isis geweiht! ›Euren Ahnen‹, schrieb ich, ›haben sie Sklavenfron geleistet, jene Hebräer, deren Sproß ihr nun als einem Gotte dient, Helios und Selene verschmähend, denen ihr alles verdankt.‹ – Ich will ihn vernichten, diesen Athanasius!« – »Julian! Heißest du Constantius?« mahnte Serapio, »willst du dieses Schwächlings Unrecht und Niederlagen durch jenen Mann wiederholen? Hüte dich! Ich warne dich!« – »Nein, nein denn! Aber fort muß er mir wenigstens aus Alexandria, von dem Hauptsitz seiner Macht. Wie schaff ich ihn fort ohne Rechtsbruch? Ei, ich hab's! Ich lade ihn vor mein Angesicht, sich zu rechtfertigen wegen all dieser Anklagen, da muß er folgen; und ich lade ihn erst, nachdem ich aufgebrochen bin gegen die Perser. Dann muß er mir nachreisen, immer nachreisen bis in den äußersten Osten! Hui, ich will ihn reisen machen, diesen jüngsten Apostel, weiter als die alten gereist sind. Ist das nicht ein guter Witz? Lacht doch, Freunde!« – »Ich lache nicht über Athanasius«, sprach Jovianus ernst. »Und dir, fürcht ich, werden noch die Witze über ihn vergehen«, warnte Serapio. »Ich bat so dringend: Meide den Kampf mit diesem Mann.« – »Aber woher deine Begeisterung, Bataver, für diesen Ägypter? Warum verehrst du ihn so tief?« – »Ich verehre höchstes Heldentum, wo ich es finde, ob in der Brünne, ob im Priesterkleid. Nicht nur wer dreinschlägt, ist ein Held.« – »Der erste, den du fürchtest, Germane.« – »Das Fürchten hab ich wirklich noch nicht gelernt.« – »Er greift mich an in den Beschlüssen jener Kirchenversammlung. Ich verteidige mich nur!« – »So sprachen von jeher alle Unterdrücker. Von Julius Cäsar gegen Ariovist, bis auf Julian gegen die Germanen und gegen Athanasius.« – »Wohlan, die Germanen . . . ich habe sie unterworfen.« – »O nein. Nur geschlagen.« – »Ich werd auch diesen unterwerfen, oder untergehen.« – »Oder untergehen; du hast's gesagt! Athanasius ist das Christentum, ist die Kirche, aber in ihrer Größe, ohne ihre Flecken und Schwächen. Hüte dich, mein Freund Julian.« Jedoch unwillig sprang dieser auf: »Genug! Genug! Ich brenne jetzt darauf, diesen Unsterblichen geistig zu töten. Ich lade ihn sofort, den tief Verhaßten. Das ganze Gift des Galiläertums steckt in dieser einen Schlange; ich werde sie zertreten.«