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Gleichwohl versuche ich den Weg der Verständigung. Ich schrieb ihm einen wahrheitsgetreuen Bericht des Geschehenen. So aufrichtig, daß ich, als Imperator, nur da fortfuhr, wo ich in jener Nacht als Cäsar zu schreiben aufgehört hatte, aufgeschreckt vom Ruf des Gottes durch die Tuba.
Ich hob hervor, daß ich erst nach wiederholter Bedrohung mit dem Tode nachgegeben (daß ich den Purpur nahm, nicht um mich, um das Reich zu retten, kann ich ihm doch nicht sagen!). Ich bat ihn, sich in die mir abgedrungnen Tatsachen zu finden. Ich wolle mich auf Gallien und Britannien beschränken, er solle auch für diese Provinzen alle obersten Beamten ernennen! Ich versprach ferner, ihm für den Perserkrieg aus meinen Provinzen an Truppen zu schicken, was irgend möglich sei, und hierin fortzufahren, solange ich lebe. Nur jene Scharen, denen er und ich versprochen und geeidet, in Gallien bleiben zu dürfen, seien weder freiwillig noch gezwungen in ferne Lande zu verschicken. Ich selbst müsse für untunlich erklären, durch deren Entfernung das kaum gewonnene Land rettungslos den Barbaren preiszugeben. Und bescheiden unterzeichnete ich mich nur als »Cäsar«. Wüßten es die Meinen, mein Leben wäre wiederum bedroht.
O Lüge! Unwahrheit nach allen Seiten! Lüge! Gegen meinen rechtmäßigen Herrn, wie gegen die vertrauenden Herzen, die alles auf mich gesetzt haben. Ist das die Verstrickung, die Folge der Schuld des ersten Schrittes vom geraden Pfad der Pflicht hinweg? Aber nein doch! Ich habe ja nur um der Pflicht willen die Pflicht verletzt!
Bevor die Entscheidung des Constantius eintrifft, ist es meine Pflicht (oh, wie klammere ich mich so gern an dieses Wort), meine Provinz so stark gegen die Barbaren zu sichern, daß ich sie nötigenfalls mit gutem Gewissen verlassen kann, muß ich denn doch ausziehen – zu dem Kampf um die Welt! Noch einmal trag ich – zum viertenmal! – meine Waffen über den Rhein! Die Barbaren sollen den Eindruck bekommen, daß sie vor mir nie sicher sind, hab ich auch noch so viele andere Sorgen!
Vorher entließ ich Serapion abermals in die Heimat, langen Abschied (für immer vielleicht) zu nehmen von dem greisen Vater, falls ich gegen Constantius in den Osten ziehen muß. Der Treue will mich begleiten. »Das ist dein gefährlichster Weg«, sprach er, »für dich und deine Ehre!« Als er im Sattel saß, sprach er zu mir vom Gaul herunter: »Welch seltsame Verkettung der Dinge!
Germanen waren es zu allererst und zu allermeist, die in jener Dezembernacht über den Thron des Römerreichs verfügten. Und zwar zu deinen Gunsten! Des Helden, der ihnen seit undenklicher Zeit den stärksten Widerstand geleistet hat. Wird je ein Nachfolger ähnliches leisten? Ich hoffe nein! Ich hoffe, du, Julianus, bist der letzte Römer! Und dich rufen nach Asien Constantius, Perser und Parther ab. Und du bist es, der die alten Götter erneuern will? So würden Zeus und Apollon den Germanen ihre Wiederaufrichtung verdanken – wäre sie nicht unmöglich.« Der Trotzige! Er ist wie starres Eis! Jedoch der Strahl des Helios schmelzt auch das stärkste Eis. Ich ersehne die Stunde, da ich auch im Wettringen der Geister, wie dort bei Straßburg mit dem Schwert, diesen Germanen bezwinge.
Schon im März überfiel ich die Chattuaren auf beiden Ufern des Unterrheins, südlich vom Einfluß der Lippe – ohne Kriegserklärung (mit dem Völkerrecht kann man es wirklich nicht allzu genau nehmen, will man etwas Erkleckliches ausrichten). Rasch zwang ich sie, um Frieden zu bitten, den ich gern gewährte. Sie mußten versprechen, nie mehr weiter westlich vorzudringen. »Sie versprechen's«, meinte Jovian achselzuckend. »Aber hat Serapio recht, so brechen sie ihr Wort so notwendig, wie du das deine brachst.« Liebenswürdig ist das nicht von meinem künftigen Schwager.
Denn jetzt wird er's wohl werden: von allen Sterblichen hat dies Liebespaar den zweifellosesten Vorteil von meiner Erhebung. Ich warte auf sein Werben. Ich warte schon seit Monaten. Ich kann ihm doch die schöne Juliana – die Schwester eines römischen Imperators – nicht antragen! Oder sollte sie ihn abgewiesen haben? Er ist so viel ernster, trauriger. Und sollte nun doch voll frohester Hoffnung sein! Ich versteh ihn manchmal nicht mehr recht.
Aus dem Lande der Chattuaren zog ich langsam stromaufwärts bis Basel, überall zum Abschied die Befestigungen und Besatzungen verstärkend und vermehrend, so den Rhein sichernd, falls ich ihn nie wiedersehen sollte, und ging dann über Besançon nach Vienne. Hier erwarte ich, auf das äußerste gespannt, die Antwort des Constantius. Jeder Tag der Zögerung mindert meine Aussicht, zu siegen. Denn diese hatte auf der Überraschung beruht. Er aber, er wartet, wartet und – rüstet.
Er antwortet nicht. Wie lang noch soll ich harren? Bis er, vollgerüstet, mit erdrückender Übermacht die Kräfte des ganzen Reiches gegen Gallien heranführt? Ich weiß gar nicht, wo er zur Stunde weilt. Ach, manchmal beschleicht mich die Hoffnung (Traumgesichte bestärken sie mir), das Eingreifen des schweigsamsten der Götter, des Thanatos, erspart dem Reiche den Bürgerkrieg. Neulich sah ich im Traum einen offnen Sarg, aus dem der Purpurmantel niederwallte. Da ich ihn sah, war es wohl nicht mein Sarg. Oder doch vielleicht?
Noch immer keine Antwort! Ich aber kann Gallien nicht verlassen, sie mir zu erzwingen. Denn neue Germanenstürme drohen! Derselbe Alemannenkönig Vadomar, vor dem ich im Vorjahr mit einer Verbeugung umkehren mußte, weil er mir die Schutzbriefe seines Freundes Constantius vorwies, hat, in schnödem Bruch des mir gelobten Friedens, die Grenzgebiete Rätiens am Oberrhein überfallen und verheert. Derselbe arglistige Barbar, der mir nach der Erhebung zum Imperator schmeichlerische Briefe schrieb, in denen er mich »Augustus«, »seinen Herrn«, »einen Gott« nannte!
Seine Raubscharen lockten, gerade während die Briefe an mich abgingen, unsere Grenzwacht bei Säckingen am Oberrhein in einen Hinterhalt und hieben die unvorsichtigen (hitzige Petulantes-Gallier, samt ihrem unvorsichtigen Führer) nieder.
Eine Schlappe darf nicht mein letztes Erlebnis in Gallien sein. Ich muß noch einmal über den Rhein. Sie müssen Furcht lernen.