Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Anklage und Verteidigung

L. 44. Die herren jehent, man sülz den frouwen

    Die Herren geben schuld den Frauen,
Daß auf der Welt so schlimm es steh –
Sie sehn so froh nicht auf wie je
Und möchten stets zu Boden schauen.
   Doch hab ich Gegenred gehöret:
All ihre Freude sei zerstöret,
And längst schon seien sie verzagt
An Lebenslust und Lust zu leben,
Trost wolle niemand ihnen geben:
Entscheidet nun – hier ist geklagt!

    Die Herrin scherzt mir zu bedenklich
Und neckt: ich hätte ausgelobt.
Sie irrt; ich glaube gar, sie tobt!
Ich lobte nie so überschwenglich!
   O dürft ichs vor den Wandelbaren,
Ich lobte, die zu loben waren.
Doch das gebt auf in euerm Mut:
Ich lob sie nun und nimmer alle,
Wie es den Argen auch mißfalle,
Wenn sie nicht alle werden gut.

    Ich kenn sie wohl, die es nicht neidet,
Dafern man rühmt ein reines Weib,
Es blüht so rein ihr süßer Leib,
Daß sie der Reinen Lob wohl leidet.
   Ja, Reinheit und ein keusch Gemüte
Gab ihr zumal des Schöpfers Güte.
Der diese zwei zusammenschloß,
Wie konnt er doch so kunstvoll schließen!
Er sollte immer Bilder gießen,
Der dieses eine Bildnis goß!

    Es schadet Frauen, schadet Pfaffen,
Wenn Böse mit den Guten gehn:
Denn die den Bösen nahe stehn,
Die werden leicht auch Böses schaffen.
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Daß zwei so edle Stände doch
Mit diesen Unverschämten werben!
Denn sicher müssen sie verderben,
Wenn sie die Scham nicht bessert noch!


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