Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Gegen die Neider

    Verzagte Zweifler sprechen:   es sei nun alles tot,
Und keiner wäre, der noch singe.
Sie sollen doch bedenken   die allgemeine Not,
Wie alle Welt mit Sorgen ringe.
   Kommt Sangestag, so höret   man Singen Wohl und Sagen,
Man weiß noch Lieder:
Ich hört ein Vögelein   erst jüngst dasselbe klagen.
Das duckte nieder
Und sprach: Ich singe nicht, erst muß es tagen!

    Vor edeln Frauen schelten   die Losen meinen Sang,
Ich spräche als ein Weiberfeind.
Vereint euch dreist zum Streite,   mir ist vor euch nicht bang,
Ein Feigling, wer da mutlos greint!
   Wer sprach von deutschen Frauen   so schön ohn Unterlaß?
Nur daß ich scheide
Bei ihnen gut und bös.   Das ist ihr ganzer Haß!
Lobt ich sie beide
Mit gleichem Preis –   welch Rühmen wäre das?

   Doch lob ich eine Tugend   an euch, o Haß und Neid!
Daß, wenn man euch als Boten sendet.
Ihr bei den Biederleuten   so gern zu Hause seid
Und auch den eignen Herren schändet.
   Und wenn ihr keinen Biedern,   ihr Späher, könnt erspähn,
Den ihr beschweret,
So hebt in euer Haus   euch heim: es muß geschehn.
Daß ihr entehret
Verlognen Mund und mißgunstvolles Sehn!

Mit der allgemeinen Not spielt Walther auf die damals in Deutschland herrschenden politischen Wirren an.


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