Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Selige Minne

L. 109. Ganzer froiden wart mir nie so wol ze muote

    Freudenvoller ward noch niemals mir zumute:
Und ich fühle, daß ich singen muß.
   Wohl ihr, daß sie mir dies immer hält zugute!
Zum Gesang mahnt mich ihr lieber Gruß.
      Die mein immer hat Gewalt,
      Mag mir leicht den Kummer wenden
      Und mir senden
      Freude mannigfalt.

    Gebe Gott, daß mirs noch gut an ihr gelinget,
Seht, so wär ich für mein Leben froh.
   Die mir Herz und Leib mit Freuden reich durchdringet,
Nie bezwang ein Weib mich jemals so.
      Früher war mirs unbekannt,
      Daß die Minne zwingen sollte,
      Wie sie wollte,
      Bis bei ihr ichs fand.

   Süße Minne, du, seit deiner süßen Lehre
Folgend mich ein Weib gefangennahm,
   Bitte auch, daß sie mir ihre Gunst beschere,
Dann wird Rettung mir aus diesem Gram.
      Ihrer Augen heller Schein
      Hat mich also lieb empfangen,
      Daß zergangen
      Kummer mir und Pein.

    Stets beglückt es mich, daß ich so gutem Weibe
Dienen darf um minniglichen Dank.
   Und mit diesem Trost ich oft mein Leid vertreibe,
Daß mein Unmut machtlos niedersank.
      Endet so sich meine Not,
      Werd ich gern der Wahrheit inne.
      Daß es Minne
      Keinem besser bot!

    Minne, deine Gunst kann wunderselig machen,
Und dein Zwang vernichtet Freuden viel.
   Lehrst du nicht das Leid mit hellen Augen lachen,
Wo du lieblich übst dein Wunderspiel?
      Du kannst frohem Lebensmut
      Solche Wirrungen erlesen.
      Daß dein Wesen
      Wohl und wehe tut!


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