Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Fehler und Tugenden

L. 58. Der alsô guotes wîbes gert, als ich dâ ger

    Wer edeln Weibes so begehrt, als ich es pflag,
Wieviel der Tugend haben sollte!
Nun Hab ich leider nichts, was sie belohnen mag.
Nur wenig – wenn sie wenig wollte!
   Ich hab zwei Tugenden, die jede sonst gefiel.
Die Scham, die Treue.
Die schaden jetzt! Wohlan, ich acht es als ein Spiel!
Mir bringts nicht Reue:
Bin wem ich gut, bin ichs ohn Maß und Ziel.

    Die Herrin, wähnte ich, wär allen Makels frei.
Nun hör ich andre Märe sagen:
Daß nichts auf dieser Welt durchaus vollkommen sei.
So muß auch sie Wohl Mängel tragen.
   Doch finden kann ich nichts, was ihr denn übel steh.
Als dies allein:
Sie kränkt die Feinde nicht und tut nur Freunden weh;
Ließ sie das sein,
So fänd ich sicher keinen Tadel eh!

    Da ich nun ganz verriet, was sie an Makel drückt,
(Zwei Fehler nannt ich, die es waren)
So sollt ihr wissen auch, was sie an Tugend schmückt –
Auch die ist zweifach – gleich sollt ihrs erfahren!
   Ich nennte tausend euch, doch weiter nichts ist da,
Als Schönheit, Ehre!
Die zieren sie vollauf! Ei wirklich? Freilich, ja!
Wozu denn mehre?
Nun lob sie mich – da ihr mein Lob geschah!


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