Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Liebesglück

L. 118. Ich bin nû sô rehte frô

    Ich bin jetzt so von Herzen froh,
Daß schier ich Wunder schon zu tun beginne.
   Und leicht mag es sich fügen so,
Daß ich erringe meiner Herrin Minne.
O seht, dann steigen mir die Sinne
Wohl höher als der Sonnenschein –
   O Gnade, Königinne!

    Nie, dessen bin ich mir bewußt,
Hab ich zu ihr mein Auge aufgeschlagen,
   Daß es mir nicht gestrahlt vor Lust!
Den harten Winter ließ michs leicht ertragen,
Die andern mocht er weidlich plagen,
Mir war indes, als käm der Mai
   Mit seinen blauen Tagen.

   Hier diesen wonniglichen Sang
Hab ich gesungen meiner Frau zu Ehren.
   O wisse sie mir dafür Dank,
Stets will ich andrer Lust um sie vermehren.
Und mag sie auch mein Herz beschweren,
Was machts, wenn sie mir Leides tut?
   Sie kanns in Freude kehren!

    Es sollte niemand raten mir,
Daß ich mich trennte von dem holden Wahne.
   Entfremd ich meine Liebe ihr,
Wo fänd ich eine also Wohlgetane,
Die nie etwas von Falschheit ahne?
Sie ist so schön, doch besser als
   Helene und Diane.

    Vernimm, o Freund, wies mit mir steh,
Mein trauter Walther von der Vogelweide,
   Wie ich um Rat und Hilfe fleh:
Die süße Herrin tut mir viel zu leide.
O könnten wirs ersingen beide,
Daß ich mit ihr erst Blumen bräch
   Wohl auf der lichten Heide!


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