Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Vanitatum vanitas

L. 41. Ich bin als unschedelîche frô

    Freu ich mich, so freu ich harmlos mich,
Daß man mir mein Glück wohl gönnen kann.
Heimlich brüstet meine Freude sich:
Was ist wert ein prahlerischer Mann?
   Wehe denen, die so manche Fraun
Schon in bösen Ruf gebracht!
Heil mir, daß ich dies bedacht:
Ihnen soll ein edles Weib nicht traun!

    Jedes Ehrenmannes Trefflichkeit
Will ich hören und gern weitersagen.
Wer da anders handelt, tut mir leid,
Und ich will es ruhig nicht ertragen.
   Doch der Prahler und der Lügner Schar
Soll erfreuen nicht mein Sang,
Mir ists nicht zu Lust und Dank –
Freute er sie nur ein wenig gar!

   Mancher klagt, dem reiches Glück gewährt;
Aber ich trag ständig frohen Mut.
Wenn mein Herz auch keine Freude nährt,
Kommt es dennoch meinem Sinn zugut.
   Soviel wahre Freuden mich entzückt,
Herzeleid war stets dabei;
Blieb ich von Gedanken frei,
Wüßt ich wahrlich nichts, was mich bedrückt.

    Wenn Gedanken meinen Geist befehden,
Kommt wohl mancher, spricht mir freundlich zu.
Schweigend hör ich hin und laß ihn reden,
Denn was will er, daß ich andres tu?
   Lieh ich ihm noch Ohr und Auge da.
Könnt ich wissen, was er spricht. –
Doch ich habe beides nicht,
Und so weiß ich weder Nein noch Ja.

    Nie auch ging mir nur ein halber Tag
Ganz in ungemischter Lust dahin;
Wenn ich jemals ganzer Freude pflag,
Ich doch heut von ihr verlassen bin.
   Alle Freuden dieser Welt verblühn,
Wie die Blumen welken hin,
Darum soll auch nicht mein Sinn
Mehr um falsche Freuden sich bemühn.


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