Walther von der Vogelweide
Gedichte
Walther von der Vogelweide

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Der Kaiser als Spielmann

L. 62. Ob ich mich selbe rüemen sol

   Wenn ich mich selber rühmen soll,
Bin deshalb ich ein züchtger Mann,
Weil ich ertrage ohne Groll
Viel Unfug, den ich rächen kann?
  Ob ihn ein Klausner trüge?
  Glaubs nicht, daß er sich füge!
Fänd er Gelegenheit wie ich,
Und griff ihn dann ein Zörnelein,
Glaubt mirs: er rächte doppelt sich,
Doch ich – aus Sanftmut – laß es sein!
  Dies und noch mehr ertrüg ich froh,
  Doch hört nur erst: Warum? wieso?

   Einst lehrtet ihr mirs, Herrin, so:
»Wer euch beschwerte euern Mut,
Den wolltet ihr bald machen froh,
Dann hätt er Scham und würde gut.«
  Habt ihr mirs so erkläret,
  So seht, daß ihrs bewähret!
Ich freue euch, ihr schafft mir Pein!
Schämt euch! (Dies Wort ist herbe zwar)
Doch wollt ihr wahr dem Wort nach sein,
So werdet gut – dann spracht ihr wahr.
  Ihr seid so gut, ich weiß wie sehr,
  Und eurer Güte wird stets mehr!

   Wohl seid ihr, Herrin, schön und wert,
Doch stünde Gnade schön dabei;
Was tut es, daß man euch begehrt?
Gedanken sind ja wohl noch frei!
  Ich ließe gerne jeden
  Wünschen, träumen und reden!
Doch wenn ich zu vermessen bin,
Wer ists denn, der euch Lieder singt?
Wollt ihrs nicht hören, hört nicht hin.
Doch weiß ich, daß es Dank mir bringt.
  Wenn euch mein Lied bei Hofe tönt.
  So werd ich drob mit Ruhm gekrönt.

   Wohl habt ihr in ein Prachtgewand
Gekleidet, Frau, den reinen Leib,
Ein besser Kleid ich niemals fand:
Ihr seid ein reichgeschmücktes Weib;
  Segen und Heil erblicket
  Man sinnreich drin gesticket!
Getragnes Kleid, nie nahm ichs zwar.
Fürs Leben nahm ich gern dies Kleid.
Der Kaiser würd ihr Spielmann gar,
Wenn sies ihm zum Geschenke weiht.
  Wohlan, so rührt die Saiten froh,
  Herr Kaiser ... aber anderswo!


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