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ZEHNTES KAPITEL.

NEUE RÄTHSEL.

Die sonore Stimme eines Mannes klang ihm entgegen, als der Bediente die Portière hob, um dem Gebieter den Eintritt zu erleichtern. Fast mitten im Zimmer stand der junge polnische Fürst Bulabicki. Sein reicher Pelz von fremdartigem Schnitt hing ihm malerisch auf der Schulter. In der Rechten hielt er die helle Conföderatka, während sein ausdrucksvolles Gesicht, von dem gelockten goldblonden Haar umspielt, sich Hildegarde zukehrte, die ihren Sitz am hohen Bogenfenster eben verlassen hatte und mit gleichsam verklärter Schüchternheit den ritterlich galanten Gruß des auffallenden Fremdlings durch eine stumme Verbeugung erwiderte.

Hildegarde war offenbar erfreut, den Grafen zusehen, denn das Erscheinen des Fremden, über dessen Nationalität sie keinen Augenblick im Zweifel sein konnte, belästigte sie doch. Das Auftreten des Fürsten hatte etwas unwiderstehlich Gebietendes. Er sah so genial wild, so originell phantastisch aus, daß Neugierde und Furcht im Herzen des Mädchens um die Oberhand stritten. Ein Mann wie dieser Sarmate war Hildegarde noch nicht begegnet, und sie fühlte, daß er nur ernstlich wollen dürfe, um sie sich schnell unterthänig zu machen. Fast flehend suchte die freudig Erschrockene unter heftigem Herzklopfen nach einem Gedanken, der sie vor der zwingenden Gewalt des seltsamen Fremden rette, und sie athmete leichter auf, als die würdige Gestalt ihres milden, oft so melancholisch gestimmten Lehrers, des Abbé Kasimir vor ihr geistiges Auge trat. Zu ihm, dem Priester, mußte sie flüchten, wenn der gefährliche Sarmate sie wider ihren Willen mit fesselnden Zauberbanden umstricken sollte.

Das Geräusch der sich öffnenden Thür und der Tritt des Grafen veranlaßte den Fürsten, seitwärts zu blicken. Hildegarde lispelte befangen, indem sie wieder Platz am Fenster nahm.

»Herr Graf von Serbillon!«

Bulabicki’s Begrüßung war gewandt und gefällig. Das ganze Wesen des jungen Polen zeugte von gesellschaftlicher Tournure. In seinem Auftreten wie in seinen Worten lag die Sicherheit männlichen Selbstbewußtseins. Er nannte seinen Namen und führte sich damit sogleich als eine dem Grafen bereits durch briefliche Mittheilungen bekannt gewordene Persönlichkeit ein.

Dieser empfing seinerseits den polnischen Patrioten mit unverhohlener Freude, sprach es frei aus, daß er schon längst eine Begegnung gewünscht habe, und bedauerte nur, daß das gegenwärtige Zusammentreffen, wie er vermuthe, aus keiner frohen Veranlassung entspringt.

Das flüchtig zu Hildegarde hinüberschweifende Auge des Fürsten ließ den Grafen die Nothwendigkeit einsehen, beide einander vorzustellen.

»Mein liebes Pflegekind, Fräulein Hildegarde Frei,« sagte er, auf die Tochter des Försters deutend. »Fürst Bulabicki aus Volhynien.«

Letzterer stand wie verzaubert, nur sein leuchtendes Auge, das Hildegarde auf sich ruhen fühlte, richtete mehr als eine Frage an das schöne junge Mädchen. Seine Lebensgewandtheit machte ihn aber vorsichtig. Er ließ es niemand merken, daß sein Freund Adolar mit ihm über Hildegarde gesprochen hatte, und daß er bis zu einem gewissen Grade in deren Vergangenheit und in ihre Schicksale eingeweiht sei. Er mußte Adolar von Kaltenstein recht geben in Bezug auf dessen Bemerkungen, und er begriff vollkommen, daß sein junger Freund sich mächtig zu dieser so herrlich sich entfaltenden Jungfrau hingezogen fühle. Wie aber kam das Mädchen nach Hammerburg? In welcher Verbindung stand Graf Serbillon mit dem Baron von Kaltenstein oder mit dessen Gattin?

Trotz der wichtigen patriotischen Angelegenheiten, die ihn nach Hammerburg führten, war Fürst Bulabicki doch sogleich fest entschlossen, dem sonderbaren Lebensgange dieser anziehenden Schönheit nachzuspüren, um womöglich auch hinter das Geheimniß der Flucht oder der heimlichen Entfernung Hildegardens durch Vermittelung der Baronin von Kaltenstein zukommen.

Hildegarde selbst fühlte sich dem Fürsten gegenübergebunden. Sie wollte sich entfernen, um ihre geistige Freiheit wiederzugewinnen, und doch hielt es sie fest, als banne sie ein unlösbarer Zauber.

Dem scharfen Auge Bulabicki’s würde diese schwankende Stimmung Hildegardens, die ihm das schon halb gefangene Mädchen nach kurzem, wenn auch vielleicht hartem Kampfe zuführen mußte, schwerlich entgangen sein, wären nicht bald darauf Oberst Malachowsky und Abbé Kasimir eingetreten. Die Gegenwart dieser Männer, welche alle den jungen Fürsten mit gleich warmem Interesse begrüßten und begierig waren, dessen vertrauliche Mittheilungen zu erfahren, gab Hildegarde die Freiheit wieder. Jetzt konnte sie ungefährdet in der Nähe des Fürsten bleiben, wozu sie sich auch sofort entschloß, falls der Graf oder der greise Oberst nicht etwa ihre Entfernung wünschen oder geradezu fordern sollten.

Solange die Unterhaltung nur auf allgemeine Gegenstände sich bezog, geschah dies nicht, als aber der Fürst seine Depeschen dem Obersten übergab und eine Erläuterung derselben nicht umgangen werden konnte, bemerkte Graf von Serbillon, seine Gattin werde es gern sehen, wenn Hildegarde ihr Gesellschaft leisten wolle.

Das Mädchen entfernte sich.

»Ein auffallend schönes Kind,« meinte Fürst Bulabicki, der Verschwundenden wohlgefällig nachblickend. »Die Trauer kleidet sie wunderbar! Ist das Mädchen eine Waise?«

Graf von Serbillon gab die nöthigen Ausklärungen, ohne sich auf Details einzulassen, worauf man zur Besprechung der politischen Tagesfragen überging, deren Erledigung eine ziemliche Zeit beanspruchte.

Das Endresultat hinterließ in den Versammelten eine recht trübe Stimmung. Ward das entscheidende Wort auch von keinem ausgesprochen, es schwebte doch jedem auf der Zunge. Das langsam, aber nur um so sicherer heranziehende Unglück, unter dem Polens Selbständigkeit vollends zusammenbrechen mußte, konnte sich kein die Verhältnisse vorurtheilsfrei erwägender Mann verhehlen.

»Wir sind verdammt zum politischen Tode!« sprach Abbé Kasimir, sich in einen der um den Kamin stehenden Sessel niederlassend und das bekümmerte Haupt auf seine Hand stützend. »Vielleicht erleben wir alle es noch, daß unsere Nationalität sich verliert wie mancher alte glanzumstrahlte Name!«

Er legte die linke Hand über seine Augen und athmete schwer wie ein Kranker.

Oberst Malachowsky strich sich den grauen Schnurrbart und maß, ab und an einen polnischen Fluch dumpf vor sich hinmurmelnd, das Gemach mit großen Schritten.

»Wir dürfen doch nicht alle Hoffnung aufgeben,« sagte Graf von Serbillon, die Hand des Abbé erfassend. »Staaten haben nicht selten ganz ähnliche Schicksale wie Menschen. Sie blühen und wachsen eine Zeit lang, dann tritt plötzlich ein Stillstand ein, irgendein unvorhergesehener Vorfall verwischt Glück und Glanz, und selbst die letzten Spuren des Lichts bedecken sich mit undurchdringlicher Finsterniß. Dennoch lebt der Mensch fort, im Verborgenen, unbekannt, für viele ein Todter. Er selbst zählt sich nur noch halb und halb unter die Lebendigen. Da zuckt ebenso rasch ein Funke auf, der die Nacht wieder zu erhellen beginnt, und nach Verlauf von einiger Zeit weicht diesem neuen Morgenroth die alte Nacht, und Friede, Freude, Ruhm und Glanz kehren reicher denn je zurück.«

»Sie sprechen die Hoffnungen eines Glücklichen aus,« meinte der Abbé.

»Ich glaube es selbst,« versetzte der Graf, »und zwar habe ich dabei eine bestimmte Person im Auge.«

»Wie das?« warf Abbé Kasimir ein, sein großes Auge ruhig zu dem Besitzer von Hammerburg aufschlagend.

Graf von Serbillon hielt den Blick des Geistlichen lange aus. Dann sagte er:

»Nicht wahr, lieber Abbé, die Familie Ludomirsky durfte sich ehedem unter die glücklichern Polen zählen?«

Der Abbé schlug die melancholischen Augen nieder, indem er betrübt zur Antwort gab:

»Weshalb erinnern Sie mich daran?«

»Weil ich dazu genöthigt bin,« versetzte der Graf, lauter sprechend, um auch den Oberst und den jungen Fürsten auf seine Unterhaltung aufmerksam zu machen. »Ich weiß, Sie haben seit einigen Wochen eine Entdeckung gemacht, die Sie vor mir geheim halten. Nur eine junge Person, ein neugieriges Mädchen zogen Sie mit ins Vertrauen ... Junge Mädchen aber sind schwer zum Schweigen zu bewegen, wenn das Herz nicht direct dabei betheiligt ist. So kam es denn, daß meine Frau in Mitwissenschaft gezogen ward. Nun, und daß glückliche Gatten einander nichts verheimlichen sollen, ist ja, glaub’ ich, ein Verlangen, das selbst die Kirche an jedes Ehepaar stellt.«

Abbé Kasimir hatte kein Wort des Grafen verloren. Der Fürst, welcher sich noch lebhaft mit dem Obersten unterhielt, wandte nur im Auf- und Niedergehen dann und wann sein Auge den beiden Sprechenden zu.

»Ich muß annehmen, Herr Graf,« sagte der Abbé, »daß Hildegarde von dem Porträt gesprochen hat, das mir dunkle Erinnerungen zurückrief.«

Der Name Hildegarde machte den Fürsten achtsam auf die Sprechenden. Er hörte nur noch mit halbem Ohr auf die Erwiderung Malachowsky’s und hielt diesen in der Nähe des Abbé fest.

»Es war eine Nachlässigkeit von mir, lieber Abbé, daß ich Sie nicht schon längst mit allen Räumlichkeiten von Hammerburg bekannt gemacht habe,« fuhr der Graf fort. »Wahrscheinlich hätten wir dann früher dem Porträt des Ulanenrittmeisters, der den Namen Sigismund Geldern offenbar bei Lebzeiten führte, unsere Aufmerksamkeit zugewendet. Seit ich von Diana das Wenige erfuhr, was Hildegarde ihr verrieth, war dieses Porträt mir ebenfalls nicht gleichgültig, und heute habe ich es abnehmen lassen, oder ich konnte nicht hindern, daß der Architekt, dem ich die Restauration des Ahnensaals vor Monaten schon übertrug, mit eigener Hand es abnahm. Dabei ist mir ein sonderbares Papier in die Hände gefallen.«

»Sie spannen meine Neugierde aufs höchste, Herr Graf,« erwiderte Abbé Kasimir, sich erhebend. Der Oberst war neben ihn getreten; hinter diesem, das blitzende Auge dem Grafen zugewandt, stand Fürst Bulabicki.

»Hat Ihr früh verstorbener Vater Ihnen den Stammbaum Ihrer alten Familie hinterlassen?« fragte der Besitzer von Hammerburg.

»Meinem Gedächtniß ist die Abstammung der Ludomirsky in allen ihren Verzweigungen sehr treu eingeprägt.«

»Der Ludomirsky!« sprach Fürst Bulabicki. »Diese Familie hält man in Polen bis auf den letzten Zweig für ausgestorben. Die Güter derselben fielen, als von deren letzten Sprossen trotz mehrmaliger öffentlicher Aufforderung keiner sich meldete, dem Fiscus anheim, und jetzt gehört der eigentliche Stammsitz derselben, wenn ich nicht irre, den Wertschinsky.«

»Den Wertschinsky!« wiederholte Kasimir, wie aus einem schweren Traume erwachend. »Mit einem Wertschinsky verschwand meine Tante Berenice! ... Ich gestehe, daß diese Mittheilung ... mich ungewöhnlich beunruhigt.«

»Ich bitte um Entschuldigung, Herr Abbé,« fiel Fürst Bulabicki ein. »Meine unzeitige Bemerkung ... «

»Im Gegentheil, mein Fürst, ich bin Ihnen dafür dankbar,« unterbrach ihn der Abbé.

»Wir sprechen mehr über diese Familie. Vorerst wird der Herr Graf gewiß die Güte haben, mir zu sagen, worauf ich die vorige Frage nach dem Stammbaume der Ludomirsky beziehen soll?«

Graf von Serbillon überreichte jetzt seinem Hausgenossen das aufgefundene Papier.

»Es verbarg sich hinter dem Gemälde des Ulanenrittmeisters im Ahnensaale,« sprach er bedeutungsvoll.

Die Augen der beiden Polen richteten sich fragend auf den Abbé, während dieser das Blatt prüfend durchlas. Sein Aussehen ward dabei immer melancholischer. Als er es sinken ließ, sprach er resignirt:

»Es ist die richtige Stammtafel des Wojwodengeschlechts der Ludomirsky, leider enthält sie nur gerade über diejenigen Punkte keine Aufschlüsse, die auch mein verstorbener Vater nicht zu deuten vermochte! Die leer gebliebenen Blätter hier, was anders sagen sie, als daß meine verschollene Tante Berenice eine uns Verlorengegangene bleibt?«

»Ich würde diese Ansicht theilen, lieber Abbé,« versetzte der Graf, »wenn das Porträt, hinter welchem sich das Papier versteckte, nicht Familienzüge trüge, die außer mir auch andern bereits aufgefallen sind. Unser tapferer Oberst Malachowsky, um von andern nicht zu sprechen, ist mein Zeuge, daß die Aehnlichkeit des Porträts mit einer Persönlichkeit seiner Bekanntschaft aus frühern Tagen mich zuerst veranlaßte, dasselbe mit größerer Aufmerksamkeit zu betrachten. Dabei begegnete mir nun etwas Seltsames. Ich fand nämlich, daß mein Urtheil mit dem eines uns beiden bekannten jungen Mädchens auffallend übereinstimmte.«

Den Abeé setzten diese Worte offenbar in einige Verlegenheit, den Fürsten Bulabicki dagegen machten sie neugierig, da er sogleich an die schöne Hildegarde, die Angebetete seines Freundes Adolar, denken mußte. Ein anderes junges Mädchen konnte seiner Ansicht nach der Graf kaum meinen, da aus allem hervorging, daß nur Hildegarde die Stelle einer Pflegetochter im Schlosse Hammerburg einnehme.

»Meine wißbegierige Schülerin hat ein klares Auge und, wenn nicht Laune oder Eigensinn es trüben, auch ein sehr scharfes und richtiges Urtheil,« erwiderte ausweichend Abbé Kasimir.

Graf von Serbillon konnte nicht wissen, daß Hildegarde sich gegen den Abbé nicht bestimmt über die Aehnlichkeit ausgesprochen hatte, die ihr zuerst im Bilde des polnischen Ulanenrittmeisters so aufgefallen war. Er glaubte daher, der Priester wolle nur zurückhalten, um in Gegenwart des jungen Fürsten nicht Familienangelegenheiten zu berühren, die eben weil sie einer Erläuterung, einer nachsichtigen und liebevollen Beurtheilung bedurften, nur mit Vorsicht zum Gegenstand eines Gesprächs gemacht werden konnten. Ganz schweigen aber mochte und wollte er nicht, weil ja möglicherweise unvorhergesehene Störungen die kaum entdeckten Spuren wieder völlig verwischen konnten. Darum sagte er:

»Sie müssen sich durchaus, ehe wir diesen Dingen weiter nachforschen, an meine Frau wenden. Diana ist als mütterliche Vertraute besser unterrichtet als ich, auch spricht sich Hildegarde gegen sie offener aus als gegen mich. Und endlich kennt sie eine Person, von deren Erklärung sehr viel abhängen dürfte, genauer, als ich mich dessen rühmen kann. Da Sie nun, lieber Abbé, sich in ganz gleichem Falle, was diesen Punkt betrifft, mit der Gräfin befinden, so wird es keine Schwierigkeit machen, eine gegenseitige Verständigung herbeizuführen.«

Abbé Kasimir blieb diese Bemerkung des Grafen unverständlich. Ihm war es längst schon nicht mehr zweifelhaft, daß zwischen dem auf Hammerburg verstorbenen Sigismund Geldern und ihm verwandtschaftliche Beziehungen bestanden haben müßten, ja er glaubte sogar auf der rechten Fährte zu deren Entdeckung zu sein; allein die Hindeutung des Grafen auf ein Gespräch mit dessen Gattin wollte ihm fast abenteuerlich erscheinen. Dies auszusprechen, hielt er um so mehr für seine Pflicht, als ihm viel daran gelegen war, jede neue Verwickelung unmöglich zu machen.

»Ich bekenne, daß mein Scharfsinn in dieser Beziehung mich völlig verläßt,« sprach er, das Papier mit der Stammtafel der Ludomirsky dem Grafen wieder überreichend.

»Diese herrliche Eigenschaft bevorzugter Naturen wird sich in ihrer ganzen Bedeutung zeigen, wenn Sie mit Diana über die Baronin von Kaltenstein längere Zeit sich unterhalten.«

Abeé Kasimir wollte den Blick des Grafen auffassen, durch eine zufällige Wendung aber, welche dieser gegen den Obersten Malachowsky machte, traf sein Blick das vielsagende Auge des Fürsten. Der Abbé war Menschenkenner genug, um aus dem unabsichtlich sprechenden Auge des jungen Polen eine geheime Mitwissenschaft zu lesen, und der vorigen Aeußerung desselben über die Wertschinsky wieder gedenkend, ward ihm der Fürst plötzlich eine Person von Wichtigkeit.

»Das Vorrecht der Landsmannschaft läßt mich vielleicht etwas zudringlich erscheinen,« sprach er, dem Fürsten sich nähernd, »wenn ich Sie bitte, mir Auskunft über das zu geben, was Ihnen von den Verhältnissen der Wertschinsky bekannt geworden ist.«

»Nichts, Herr Abbé,« erwiderte Fürst Bulabicki völlig harmlos, »mein theilnehmender Blick galt einem mir lieben Freunde, dem jungen Baron von Kaltenstein, Adolar, dessen Mutter eine geborene Geldern ist ... «

»Geldern?« fielen Malachowsky und der Graf dem Fürsten zugleich ins Wort, während der Abbé seine Hand mit Wärme erfassend, voll Ausdruck wiederholte:

»Eine geborene Geldern?«

Bulabicki sah ein, daß er zu weit gegangen war, und daß er in seiner Harmlosigkeit leichtfertig das Geheimniß der Geburt seines Freundes preisgegeben hatte. Das gleichzeitige Erstaunen aller und die fieberhafte Aufregung, in welche der Abbé gerieth, ließen ihn erst die Thorheit seines Handelns in ihrer ganzen Größe erkennen. Er wollte einlenken und seinen Fehler durch Entschuldigungen wieder gutmachen. Damit waren aber seine Zuhörer nicht zufrieden. Sowohl der Graf wie der Abbé drangen mit ernsten Worten so lange in ihn, bis er sich zu einer rücksichtslosen Mittheilung dessen entschloß, was Adolar ihm unaufgefordert erzählt hatte, ohne zu ahnen, welche Folgen daraus entstehen könnten. Der Eindruck dieser Mittheilung würde noch von weit größerer Bedeutung gewesen sein, hätte er sich nicht zu einem neuen dunkeln Räthsel geformt durch die Abreise des verstimmten Adolar zu seinen Aeltern. Der Veranlassung dieser Abreise nachzuspüren, gelang dem Abbé ebenso wenig wie dem Grafen. Fürst Bulabicki erklärte mit Festigkeit, daß seine Kenntnisse hier zu Ende gingen, daß er überhaupt in die Familienverhältnisse Adolar’s nur ganz oberflächlich eingeweiht sei, daß er aber allerdings die Vermuthung hege, es müsse im Schose derselben irgendein Ereigniß sich zugetragen haben, das Adolar ganz besonders tief berühre. In gewissem Sinne beruhigend wirkte nur die Aeußerung des Fürsten, daß er einer Nachricht von seinem Freunde mit Zuversicht entgegensehe, ja der leicht erregte Pole ging so weit, dem Abbé sich durch ein bestimmtes Versprechen zu verbinden, indem er diesem verhieß, er wolle, falls Adolar sich zurückhaltend zeige, diesen um nähere Aufschlüsse über die Familie Geldern und deren verwandtschaftliche Beziehungen angehen.


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