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ZWÖLFTES KAPITEL.

WIRKUNG EINES BRIEFS.

Zwischen der Feier des Weihnachtsfestes auf Schloß Kaltenstein und im Forsthause fand eine große Verschiedenheit statt. Dort herrschten Glanz und, wenigstens äußerlich, ausgelassene Freude, hier brannte kein Licht, regte sich keine Hand, um den Hausgenossen eine Freude zu machen. Selbst das Backen, dem sonst die wirthschaftliche Kathrine aus Neigung mit großem Eifer oblag, unterließ die tief betrübte Schwester des im Gefängniß sitzenden Försters. Sie hatte trotz allen Bemühens noch immer wenig Aussicht, den unglücklichen Bruder bald wiederzusehen. Indeß ließ sie den Muth nicht sinken. Der Aerger schon und ein immer stärker werdendes Gefühl des Hasses gegen die Anstifter des Unheils verliehen ihr Kräfte. Seit der Unterredung mit dem Baron, der eine nicht weniger energische Unterhaltung mit dem Domdechanten und wiederholte Besprechungen mit dem Stiftssyndikus gefolgt waren, schien Kathrine das Reden fast ganz verlernt zu haben. Sie war immer in Gedanken vertieft oder ihre ohnehin nicht eben sehr ansprechenden Züge hatten etwas verletzend Abstoßendes. Mitleidslose Härte und eiserne Entschlossenheit drückten sich in dem kalten Glühen ihrer tiefliegenden Augen aus.

Im Hause blieb Kathrine geschäftig wie immer. Hier sah sie auch in hergebrachter Weise auf Ordnung. Mit Magd und Jägerbursche schalt sie wenig, aber sie hielt sie streng. Den Hausschlüssel legte sie nie aus der Hand. Edmund Kohlrausch aber ward von der gealterten Jungfrau eigenthümlich bevorzugt. Ihm suchte sie jeden Wunsch abzulauschen und begegnete ihm so zuvorkommend, daß es den jungen Mann fast genirte. Er dachte nicht anders, als Kathrine habe eine leidenschaftliche Neigung zu ihm gefaßt, ein Gedanke, der ihn entsetzte. Mit dieser Annahme that jedoch Kohlrausch der Schwester Frei’s unrecht. Sie liebte nicht und konnte nicht lieben, aber es war ihr Bedürfniß, einen verständigen Menschen um sich zu haben, mit dem sie dann und wann über ihren Bruder sprechen konnte. Was in ihrem Herzen vorging, worüber sie in der Stille brüten mochte, das erfuhr niemand.

Clotilde von Kaltenstein mied natürlich das Forsthaus. Sie hatte in dem alten Gebäude nichts mehr zu suchen. Die abstoßende Wächterin desselben erregte ihr Abscheu und Furcht; denn die Baronin traute Kathrine alles Böse zu. Während sie von Anfang an den Förster für unschuldig gehalten hatte, obwohl es für sie unmöglich war, den Beweis dieser Annahme zu führen, hielt sie die Schwester Frei’s jeder Unthat fähig.

»Dieser widerwärtigen Person ist es auf die Stirn geschrieben,« äußerte Clotilde wiederholt zu dem Baron, »daß sie mit kaltem Blute ihre nächsten Verwandten vergiften kann. Ich bitte dich, Karl, laß mir dieses unheimliche Weib nicht ins Schloß!«

Der Baron hatte aus eigenem Antriebe Vorkehrungen getroffen, daß ein etwa wiederholter Besuch Kathrine Frei’s ihn nicht belästige. Er fürchtete die rücksichtslose Dame nicht, aber scheute sich, mit ihr nur sprechen zu müssen. Bei allen Verkehrtheiten während eines langen, abenteuerlichen Lebens, das ihn mit einer Menge Menschen von sehr zweideutigem Rufe zusammengeführt hatte, war er doch immer ein auf seine altadeliche Abkunft gewaltig stolzer Mann geblieben. Dieser Stolz machte sich jetzt, nun er, durch die Jahre gezwungen, solidern Lebensgenüssen sich wieder zuwandte, besonders stark geltend, und er sah es ungern, wenn Leute aus dem Volke sich ihm vertraulich näherten. Wo er abgeschliffene Formen bemerkte, da übersah der Baron wohl die bürgerliche Abstammung, wenn aber diese Formen mangelhaft waren oder ganz fehlten, dann mußte er sich die größte Gewalt anthun, um nicht beleidigend sich zurückzuziehen. Das Schrecklichste von allem aber war ihm Formlosigkeit oder offen zur Schau getragene Derbheit bei Frauen. Darum flößte ihm Kathrine Frei wirkliches Entsetzen ein, und er begriff nicht, wie der viel höflicher geartete Förster es über sich gewinnen konnte, diese bäuerisch rohe, gegen niemand Rücksicht nehmende Schwester in seinem Hause zu dulden.

Seine unerläßlich gewordene Verheirathung mit Clotilde ertrug der Baron gerade deshalb mit so gutem Anstande, weil seine Gattin die Form meisterlich beherrschte. Wer es nicht wußte, daß sie bürgerlichen Ursprungs war, würde im Umgang mit Clotilde gewiß nie daran erinnert worden sein. Nur hörte der Baron ungern von vergangenen Tagen sprechen. Es tauchte dann so vieles vor ihm auf, dessen er sich zu schämen hatte; schämen aber wollte er sich nicht mehr, weil er sich dann eigenthümlich schwach fühlte und die Glorie, die er mit so glücklichem Takt um seine gegenwärtige Existenz zu weben verstand, bedeutend an Glanz verlor. Das Wiederauftauchen Sandomir Geldern’s, dieses verwegenen Spielers und raffinirten Lebemanns, den er durch große Opfer seit seiner Verheirathung mit Clotilden sich fern gehalten hatte, ängstigte ihn. Dieser Mann, den er leider vor langen Jahren Freund nannte und der in alle Geheimnisse seiner Vergangenheit eingeweiht war, hatte sich schon im Spätsommer brieflich an ihn gewandt und um Unterstützung gebeten. Die Leidenschaft des Spiels, der Geldern rettungslos verfallen war, bereitete ihm fort und fort neue Verlegenheiten, und da der Baron voraussah, es würde dereinst eine Zeit kommen, wo der ihm auf seltsame Weise verwandt gewordene Lieutenant ihm auch zur Last fallen könne, hatte er sich für immer von ihm loszukaufen gesucht. Daß Geldern, arg bedrängt, sich schließlich doch nicht daran kehrte, wissen wir bereits. Auch der Baron vermuthete die Ankunft des unangenehmen Schwagers, weshalb er derselben vorzubeugen suchte. Er hatte zuletzt sogar an Sandomir Geldern geschrieben, um ihn nur ja nicht wiederzusehen. Dennoch kam der Gefürchtete, und sein Auftreten bewies dem Baron und Clotilden, daß sie sich des Schlimmsten zu versehen hätten, wenn es nicht möglich war, seine geschwätzige Zunge zu fesseln.

Das Zusammentreffen mit dem Bruder hatte die Baronin wirklich krank gemacht. Das eigene Leid, die Sorgen, die sich berghoch vor ihr aufthürmten, ließen Clotilde sogar einige Zeit Hildegarde vergessen. Erst der Besuch Kathrinens auf Kaltenstein, der ihr nicht verborgen blieb, wendete ihre Gedanken wieder dem jungen Mädchen zu, das sie schon darum liebte, weil es in sehr vielen Dingen nach ihr geartet war, und weil sie wußte, daß ein Wort von ihr für Hildegarde mehr Werth hatte als von andern eine ganze Predigt.

Der Baron, den Clotilde wiederholt aufforderte, der Entflohenen nachzuspüren, versprach dies, ohne jedoch sein Wort zu halten. Er hatte seine Gründe, daß er es nicht that, diese Gründe aber konnte er niemand mittheilen. Deshalb suchte er immer neue Ausflüchte zu machen, wenn Clotilde mit Bitten und Thränen in ihn drang, ohne doch je nur eine Hand zu rühren. Um nun den Gedanken seiner Gattin womöglich eine andere Richtung zu geben, überhäufte er sie zu Weihnachten mit den seltensten und kostbarsten Geschenken.

Diese Diplomatie verfehlte ihres Zweckes nicht. Clotilde ward von der Freigebigkeit des Barons dergestalt überrascht, daß sie ihm wieder ungekünstelt zärtliche Blicke zuwarf und ein nochmaliges Erwachen längst erkalteter Zuneigung für nicht unmöglich hielt. Die Geschenke waren so schön, so reich, so geschmackvoll, daß eine Dame von Welt, die für Glanz, Putz und äußern Schein schwärmte, wohl einige Zeit Wohlgefallen daran haben konnte. Clotilde vergaß über diesen Weihnachtsgaben wirklich Hildegarde, und der Baron wurde von keinen neuen Mahnungen belästigt.

In dieser Gefühlsschwärmerei, aus unlöblicher Selbstsucht erzeugt, überraschte Clotilde die Anmeldung eines Herrn am Ort. Das Kammermädchen überreichte ihrer Herrin gleichzeitig die Karte des Fremden, der in wichtigen Angelegenheiten um die Ehre einer Unterredung bat.

Die Baronin kannte keinen Mann dieses Namens, weil er aber doch adelich klang und das Kammermädchen als Empfehlung die Bemerkung hinzufügte, der Fremde sei ein ganz stattlicher Herr, nahm die gefallsüchtige Dame den Besuch an.

Joseph am Ort besaß genug Weltbildung, um durch gewandtes Auftreten sich auch Vornehmen und Hochgestellten empfehlen zu können. Er machte den besten Eindruck auf Clotilde, die ihn mit freundlicher Herablassung empfing, seine entschuldigenden Worte huldvoll lächelnd anhörte, und mit verzeihlicher Neugierde den Brief in Empfang nahm, den der Factor, wie er selbst sagte, der gnädigen Frau im Auftrage einer jungen Dame einzuhändigen verpflichtet sei. Den Namen dieser Dame verschwieg er. Clotilde blickte Joseph am Ort sehr freundlich an, bat ihn Platz zu nehmen, und entfernte sich dann. Nach einer Viertelstunde erst trat sie wieder ins Zimmer, wo der Factor ihrer Rückkunft harrte. Sie sah sehr vergnügt, aber ungewöhnlich aufgeregt aus.

»Für diese Nachricht bin ich Ihnen tief verpflichtet, Herr am Ort,« sprach sie, dem Factor zutraulich die Hand reichend. »Ich und vielleicht auch andere haben schweren Kummer getragen um das liebe Kind, dem in so seltsamen Weise ein so großes Unglück zugestoßen ist! Ach, und dabei haben wir dem armen Geschöpfe noch dazu unrecht gethan! ... Im Fieber, besinnungslos verirrte sich das gute Kind! Und Sie, Herr am Ort, wurden ihr Retter! ... Aber, Gott sei Dank, Hildegarde ist wieder genesen! Sie schreibt so klar, so klug, wie ich es an ihr stets gewöhnt war ... Sie ist ein sehr wohlerzogenes, sehr gebildetes Mädchen, das ich liebe, wie meine eigene Tochter, und deren Bestes mir stets am Herzen liegen wird! ... Seit dem Tode ihrer Mutter, die leider ein recht trauriges Leben führte, vertrat ich bei der Verwaisten die Stelle einer Mutter und Erzieherin. Darum hängt sie mir auch mit so unbegrenzter Liebe an und setzt unbedingtes Vertrauen in mich und meine Rathschläge. Hoffentlich werden auch Sie, Herr am Ort, dem Hildegarde so viel zu verdanken hat, diesen meinen mütterlichen Rathschlägen nicht entgegenhandeln.«

Joseph am Ort fühlte sich durch das vertrauensvolle Entgegenkommen der Baronin ungemein geschmeichelt und freute sich, eine so wohlwollende Dame von so bedeutender Lebensstellung als mütterlich vorsorgende Freundin eines Mädchens kennen zu lernen, das ihm längst nicht mehr gleichgültig war.

»Ihre Wünsche, gnädige Frau Baronin, werden für mich stets Befehle sein,« sagte er vollkommen zufrieden gestellt.

Clotilde lächelte sehr gnädig.

»Leider,« fuhr sie fort, »ist es mir nicht möglich, gerade die wichtigste Bitte der guten Hildegarde auf der Stelle zu erfüllen. Sie wissen, daß das liebe Mädchen auch an ihren Vater geschrieben hat. Nach dem in letzter Zeit Vorgefallenen muß ich fast dem Himmel für die Krankheit danken, die er gnädig über Hildegarde verhing. Sie ist dadurch einer furchtbaren Prüfung entgangen. Ihr Vater

– Sie haben vielleicht davon gehört?«

»Fräulein Frei weiß nichts von der Verhaftung ihres Vaters, gnädige Frau, die, wie ich zuversichtlich erwarte, demnächst aufgehoben wird.«

»Möchten Sie wahr sprechen, Herr am Ort!« sagte Clotilde. »Wir alle, die wir den Förster, seine Verhältnisse und seinen Charakter kennen, sind von Anfang an von der Unschuld des armen Mannes überzeugt gewesen. Allein noch ist er seiner Freiheit beraubt, da bis jetzt hinlängliche Beweise seiner Unschuld nicht beigebracht werden konnten. Ich besorge nun, daß Hildegarde einen Rückfall bekommen könnte, erführe sie das schreckliche Schicksal ihres Vaters. Deshalb wünsche ich ihr dasselbe vorläufig noch zu verheimlichen. Meiner Ansicht nach aber kann dies nur geschehen, wenn mir ganz freie Hand gelassen wird. Meinen Sie nicht auch, Herr am Ort?«

Der junge Factor glaubte nur klug und im Sinne seiner Auftraggeberin zu handeln, wenn er der wohlwollenden, milden Baronin unbedingt beipflichtete.

»Diesen Brief Hildegardens an ihren Vater,« fuhr die Baronin fort, »werde ich vorerst dem Herrn Stiftssyndikus Liebner senden. Dieser mit der Untersuchung des so betrübenden Falls betraute Mann ist vorsichtig und will nur das Beste des Angeklagten. Er wird die geeignete Form am leichtesten zu finden wissen, um dem armen Vater diese Nachricht mitzutheilen. Inzwischen kehrt Hildegarde aus ihrem bisherigen Asyl zurück und bleibt vorerst bei mir. Pflichten Sie diesem Vorschlage bei, Herr am Ort, so bin ich bereit, noch heute mit Ihnen nach Bürgstein abzureisen oder – es fällt mir eben ein, daß dies noch besser sein könnte – Sie eilen mir voraus, um Hildegarde vorzubereiten, und ich folge Ihnen dann morgen.«

Joseph am Ort nahm keinen Anstand, diesen Vorschlag gutzuheißen. Er fühlte sich von dem einnehmenden Wesen der Baronin beruhigt und pries im stillen das Glück Hildegardens, die in dieser gebildeten Dame von Stande eine so treue, mütterliche Freundin gefunden hatte. Voll Vertrauen empfahl er sich von Clotilde, um unverweilt nach Bürgstein aufzubrechen. Die Baronin aber setzte sich hin, schrieb ein paar höfliche Zeilen an den Stiftssyndikus und legte diesen den Brief Hildegardens an den Förster bei. Wie sie in Besitz dieses Schreibens gelangt war, gab sie nicht an, auch sendete sie den Brief erst nach ihrer Abreise ab, damit ja niemand ihre Plane kreuzen oder gar zunichte machen könne.

Als Liebner das Billet Clotildens mit Hildegardens Brief erhielt, war er gerade entschlossen, dem Förster seine Entlassung aus dem Gefängnisse anzukündigen. Eine abermalige Vernehmung des Einäugigen setzte die Unschuld Frei’s am Tode des Wilderers außer allen Zweifel. Der Bleidieb war von der Kugel eines andern durchbohrt worden.

»Gottlob!« sprach er, die schnell mit Freudenthränen sich füllenden Augen trocknend. »Die schelmische kleine Hexe hat den gescheidtesten Zeitpunkt gewählt, in die Arme ihres Vaters wieder zurückzukehren. Aber wo mag sie denn stecken? Na, das wird wohl in dem Briefe stehen. Es soll die erste Freude sein, die ich dem vielgeprüften Cousin nach so vielen Wochen langen Leidens heute bereiten will!«

Der Stiftssyndikus beeilte sich, dem Förster die Freiheit und die Auffindung Hildegardens anzuzeigen. Andreas Frei nahm beides mit gerührter Ergebung in sein Schicksal hin. Man sah es ihm aber an, daß er Gott im Herzen für diese frohe Nachricht dankte. Den Brief der Tochter durchlas er mit Bangen.

»Sie bittet mich so rührend um Verzeihung,« sagte er zu Liebner, »daß ich ein Tyrann sein müßte, wollte ich sie jetzt nicht wieder in mein Haus aufnehmen. Lesen Sie selbst, Herr Cousin!«

Er reichte den Brief dem Stiftssyndikus, der sich während der Lectüre wiederholt die Augen abtrocknen mußte.

»Sehr schön stilisirt, das muß ich sagen,« sprach er. »Etwas überspannt aber ist das Mädchen doch. Im Eifer des Schreibens hat sie sogar vergessen, den Ort namhaft zu machen, wo sie steckt! Thut indeß nichts. Wir fahren zusammen sogleich auf Schloß Kaltenstein vor, damit der Baron Sie in Person wieder als Förster installirt und dadurch alles unnütze Gerede niederschlägt. Auf Kaltenstein werden wir den Aufenthalt Hildegardens ohne Zweifel erfahren.«

Der Förster ließ sich gern von dem Stiftssyndikus leiten. Allein in das Forsthaus zurückzukehren oder dem Baron wieder ohne Beistand unter die Augen zu treten, würde ihm sehr schwer gefallen sein. Als sie einige Stunden später den alten Edelsitz erreichten, erfuhren sie die Abreise Clotildens. Der Baron, welcher sich wenig um das Thun seiner eigenwilligen Frau kümmerte, wußte nur, daß sie ausgefahren war.

»Sobald sie wiederkommt, will ich sie fragen,« sagte er ziemlich gleichgültig, dem befreundeten Förster herzlich die Hand schüttelnd. »Mir ist’s nur lieb, daß Sie endlich wieder auf freiem Fuße sind, Frei, und daß Ihre Tochter noch lebt. Nun wollen wir allesammt ein Auge zudrücken und des Vergangenen gar nicht mehr gedenken; denn es kommt mir vor, als hätten wir alle, der eine mehr, der andere weniger Werch am Rocken, meine eigene Frau gar nicht ausgenommen,« setzte er lächelnd hinzu.

Beide, den Stiftssyndikuss und den Förster, lud der Baron hierauf ein, mit ihm zu speisen.

»Wir brauchen uns gar nicht zu geniren,« sprach er, »und können ganz cordial sein. Clotilde wird uns nicht stören, denn wenn sie sich so ganz stillschweigend empfiehlt, kommt sie vor abends selten zurück.«

Der Stiftssyndikus blieb gern, da er wußte, daß der Baron auserlesene Weine in seinem Keller liegen hatte, und Frei war es ebenfalls angenehm, nach der langen tödtenden Einsamkeit im Kerker wieder einmal unter alten Bekannten ein paar Stunden sorglos zubringen zu können.

Ueber Tische ward er von dem trefflichen Weine fast fröhlich, dem er, genöthigt, stärker als er gewöhnt war zusprach. Die Baronin kehrte aber nicht zurück. Ohne über das Verbleiben seiner Tochter nähere Auskunft erhalten zu haben, ließ er sich, nachdem es bereits Nacht geworden, von dem Baron und dem Vetter Stiftssyndikus begleitet, in das Forsthaus führen, wo die bereits von der Freigebung des Bruders in Kenntniß gesetzte Kathrine ihn mit stürmischer Heftigkeit, um ihre Rührung zu verbergen, empfing.

In derselben Nacht fuhr Hildegarde an Clotildens Seite der großen Kaiserstraße zu. Dem Factor hatte die Baronin versprochen, über das fernere Verbleiben ihres Schützlings schon nach einigen Tagen Nachricht zu geben. Der junge Mann sah dem schönen Mädchen, das seiner Sorgfalt und Ritterlichkeit Ehre und Leben verdankte, mit feuchtem Auge nach. Er hatte eine dunkle Ahnung, daß vielleicht das prophetische Wort des alten Ritters von der Dub sich an ihm erfüllen könne.


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