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SIEBENTES KAPITEL.

DER STIFTSSYNDIKUS UND DERFÖRSTER.

Nach diesem Einblick in die Vergangenheit der Försterfamilie wenden wir uns jetzt der Gegenwart wieder zu.

Corneliens Tod, die man drei Tage früher noch in stolzer Lebensfreudigkeit gekannt hatte, machte allgemeines Aufsehen. Das feindselige Verhältniß beider Schwägerinnen kannten, wenigstens oberflächlich, alle Umwohnenden, und wenn schon die meisten der vornehm gearteten Försterin ihres hochfahrenden Wesens halber und der geringen Achtung wegen, die sie allen andern zollte, nicht eben hold waren, so stand doch Kathrine bei dem Volke noch weit weniger in Gunst. Als eine Art Hausteufel bekannt, trauten ihr viele eher Böses als Gutes zu. Es war daher ganz natürlich und in den Gewohnheiten des Volks und der Gegend, wo unsere Geschichte sich zutrug, begründet, daß man das Gerücht aussprengte, die ›verfumfeite‹Kathrine – so nannte man des Försters Schwester wegen ihrer Blatternarben – habe Cornelie etwas angethan. Weiter als bis zu diesem ›Anthun‹ ging man nicht, daran aber hielt man um so fester, je allgemeiner der Glaube an die Möglichkeit, jemand absichtlich und unvermerkt Böses zuzufügen, in der Masse des Volks verbreitet war.

In frühern Zeiten würde Kathrine der Gefahr ausgesetzt gewesen sein, für eine Hexe gehalten zu werden. An Hexen glaubte aber schon längere Zeit auch in diesem von der Welt abgeschnittenen Gebirgswinkel niemand mehr. Nur dem Einflusse böser Wünsche, unheimlichen Schaffens bei Nacht und Nebel war die Mehrzahl noch immer zugänglich, und man begabte mit so gefahrvollen Eigenschaften am liebsten Personen starren oder unliebenswürdigen Charakters. Kaum also verbreitete sich die Kunde von dem plötzlichen Tode Corneliens, so hieß es auch, das hat die böse Kathrine der hübschen Frau angethan!

Bedenklich war das heimliche Flüstern und Vermuthen der Menge dennoch. Die Frau starb, was auch sehr bald bekannt wurde, ohne daß man einen Arzt gerufen hatte, in Abwesenheit ihres Mannes, mit dem sie seit Jahren nicht mehr in gutem Einvernehmen lebte. Dies Zusammentreffen merkwürdiger Umstände griff sofort nach erhaltener Todesanzeige der Stiftssyndikus Liebner auf.

Noch in der Nacht hatte Förster Frei einen reitenden Boten an diesen nächsten Verwandten seiner verewigten Frau abgefertigt, und schon Tags darauf lange vor Mittag hielt der Wagen des Stiftssyndikus vor dem Forsthause.

Liebner war ein mittelgroßer, behaglicher Mann, von Natur arglos, etwas verschmitzt und als Jurist nicht ängstlich gewissenhaft. Er war nie verheirathet gewesen, weil er sich nicht binden mochte; denn er hatte große Bedürfnisse, lebte sehr verschwenderisch und brauchte demnach viel Geld. Als Advocat erfreute er sich eines wohlverdienten Rufs. Die Landleute pflegten ihm nachzurühmen, daß er alles durchsetze. Wer also eine Streitsache hatte, die sehr verwickelt oder nicht ganz rein war, der wandte sich an den pfiffigen, immer lächelnden Liebner. Abgewiesen ward sicherlich keiner von dem stets heitern und immer schnell entschlossenen Manne. Liebner griff die Dinge ganz anders an als seine Collegen, und da er Glück hatte, gelang ihm vieles durchzuführen, das andere gar nicht anzugreifen wagten.

Damit erwarb sich der gescheidte Anwalt ein reichliches Einkommen, ohne doch Vermögen sammeln zu können. Bei ihm hieß es wörtlich: Wie gewonnen, so zerronnen! Und als später die Praxis nicht mehr zunahm, auch jüngere seinem Beispiele nachzuahmen sich beflissen, mußte Liebner, um seinen Neigungen fröhnen zu können, sich nach einer sichern und reichlich fließenden Erwerbsquelle umsehen. Er fand diese in dem Syndikat des nahen Stifts, eines der Grenze nahe gelegenen Nonnenklosters. Der seitherige Stiftssyndikus hatte wegen vorgerückten Alters die Stelle niedergelegt. Advocat Liebner erhielt dieselbe, da er mit dem Domdechanten in Mariendorf, welcher ein intimer Freund des Bischofs war, in nahen Beziehungen stand und häufig in der gastfreien Dechanei verkehrte.

Die Nachricht von dem plötzlichen, durchaus nicht vorgesehenen Tode seiner Nichte entsetzte den Mann.

Auch er kannte die trüben Verhältnisse im Försterhause, obwohl Cornelie ihm nie ihr Leid geklagt hatte, und – ein fürchterlicher Gedanke beschlich ihn. Was war nicht alles möglich bei so ganz abnormen Zuständen! Ein einziges übereiltes Wort konnte da zum Aeußersten führen! Aber er verschloß seinen Verdacht in seinem Innern und beeilte sich nur, das Forsthaus, in dem so urplötzlich der Tod eingekehrt war, zu erreichen.

Andreas empfing den Verwandten auf dem Hofraume. Er sah angegriffen, beinahe verstört aus. Der Stiftssyndikus, welcher den Förster seit Monaten nicht mehr gesehen hatte, fand ihn auffallend verändert. Der Mann und seine ganze Haltung schienen ihm verdächtig. Er begehrte nach kurzem Gruße, zur Leiche Corneliens geführt zu werden.

Der Förster willfahrte diesem Verlangen. In tiefe Trauer gehüllt, traf hier der Stiftssyndikus Hildegarde, die sich nicht von der entseelten Hülle der Mutter trennen mochte. Die Nachtwachen, die heftigen Gemüthserschütterungen, die Thränen, welche das junge Mädchen in Menge vergossen hatte, erhöhten noch den anmuthigen Reiz ihrer Erscheinung. Hildegarde war in ihrer Trauer, ihrem ungekünstelten Schmerze bildschön. Der Stiftssyndikus begriff, daß diese feine, schwebende Gestalt mit den regelmäßigen, sanft gerundeten Zügen, mit diesen großen feurigen und doch schmachtenden Augen der harten Tante mit ihren eckigen Formen und plumpen Gewohnheiten, die sie für Zutraulichkeit ausgab, ein Dorn im Auge sein müsse. Er küßte die Weinende auf die Stirn und sagte ihr einige milde, tröstende Worte. Dann wandte er sich der Verstorbenen zu, die er lange Zeit sehr aufmerksam betrachtete. Der Förster ging indeß, wiederholt tief aufseufzend, im Zimmer auf und nieder. Draußen ließ sich die dröhnende Stimme Kathrinens hören, die der Hausmagd befahl, die Kuchendeckel dreimal abzuscheuern und sie dann ins Freie zu stellen, damit sie langsam abtrocknen möchten. Die zuverlässige Wirthschafterin dachte wirklich schon an das übliche Leichenmahl, und da ein Förster sich nicht lumpen lassen darf, wollte sie bei Zeiten dafür sorgen, daß es recht stattlich ausfalle und sie bei den Trauerleuten auch Ehre einlege.

Außer einem tief schmerzlichen Zuge um den Mund der Todten konnte der argwöhnische Liebner nichts Auffallendes an Cornelie entdecken.

»Sie waren nicht zugegen bei dem Tode Ihrer Frau, lieber Cousin?« fragte er, vom Bett zurücktretend, den Förster.

»Leider, leider nicht!« versetzte dieser mit ungeheucheltem Schmerze. »Daß es auch so kommen mußte! Es bringt mich dieser jähe Todesfall um die Ruhe meines ganzen Lebens!«

Der Stiftssyndikus nahm den Arm des Erschütterten, indem er sich die Augen trocknete, und sagte in zutraulichem Tone:

»Wollen Sie mir einige Minuten Gehör schenken?«

Der Förster drückte ihm die Hand.

»Ich möchte allein und ungestört mit Ihnen sprechen,« fuhr der Stiftssyndikus fort.

Andreas nickte und führte den Cousin in sein Privatzimmer. Auf dem Tische am Fenster, das gerade auf den Wald hinaussah, lag ein aufgeschlagenes, sehr zerlesenes Buch, daneben ein Kugelbeutel.

Der Stiftssyndikus setzte sich auf den Stuhl am Fenster, griff nach dem Beutel und ließ die darin befindlichen Kugeln spielend hin- und herrollen. Er hatte sich angewöhnt, bei jedem Gespräche, namentlich aber bei ernsten Verhandlungen, immer etwas in den Händen zu haben.

»Mein lieber Cousin,« begann Liebner die Unterredung mit dem Förster, »der auffällige Tod Corneliens, den ich bis zur Stunde mir selbst noch nicht erklären kann, wird sehr unangenehmes Aufsehen machen. Ich möchte deshalb rathen, lassen Sie die Verstorbene öffnen. Es ist nur, um jedem dummen Gerede von Anfang an den Mund zu verstopfen!«

»Mein Gefühl sträubt sich dagegen,« versetzte Andreas. »Ich hatte Cornelie so lieb – und nun –«

»Eben weil Sie meine Nichte lieb hatten, müssen Sie meinen Rath befolgen!« sagte der Stiftssyndikus bestimmter. »Ein officielles ärztliches Gutachten schlägt alle Verleumdung nieder.«

Der Förster blickte den Juristen zornig an.

»Können Sie mir so etwas zutrauen?« fragte er entrüstet.

»Mein lieber Cousin,« versetzte der Stiftssyndikus, »wir sind allzumal Menschen – Sünder will ich nicht sagen – und unser aller Ruf ist unter Umständen nicht fleckenlos.

Mich hält man z. B. für einen Rechtsverdreher, comme il faut, obwohl ich mein Gewissen frei weiß von jeder unerlaubten Handlung. Von Ihnen sagt man, Sie seien gegen Ihre Frau in den letzten Jahren kalt und unfreundlich gewesen, und was man von Ihrer Schwester hält, brauche ich wohl nicht in Worte zu kleiden. Sehen Sie, lieber Cousin, das sind Häkchen genug, um eine Kette daraus zu schmieden, die sie beide zu Boden werfen könnte, sie lassen sich aber in treibendes Sommergewebe auflösen, wenn Sie auf mich hören wollen.«

»Meine Schwester ist ebenso unschuldig am Tode meiner Frau wie ich selbst,« erwiderte Andreas. »Auf diese Gefahr hin könnten wir einer gegen uns eingeleiteten Untersuchung mit vollkommenster Seelenruhe entgegensehen.«

»Das alles bezweifle ich nicht,« entgegnete der wohlwollende Stiftssyndikus. Es wäre mir aber doch lieber, wenn überhaupt niemand auf den Gedanken käme, eine Untersuchung nur in Antrag zu bringen. Ich will Ihnen auch meine Gründe sagen, lieber Cousin. – Durch den Tod meiner Nichte sind Sie ein beklagenswerther Witwer und ist Hildegarde eine noch beklagenswerthere Waise geworden. Für die Zukunft dieses niedlichen Kindes muß in bester Weise gesorgt werden. Es könnte dies Schwierigkeiten machen, wenn Corneliens Tod zu Nachfragen Anlaß gäbe; unterbleiben diese, so ist es leicht, dem hübschen Dinge mit ihren Elfenaugen Freunde zu verschaffen. Und Sie selbst, Herr Cousin, und Ihr Fräulein Schwester – na, ich denke, Sie verstehen mich!«

»Nicht ganz, Herr Stiftssyndikus,« sagte der Förster, den es verdroß, daß sein Verwandter blos deshalb, weil Cornelie plötzlich gestorben war, an die Möglichkeit eines Verbrechens denken konnte.

»Nicht?« fragte Liebner gedehnt. »Wirklich nicht, Cousin?«

»Auf Ehre und Seligkeit nicht!«

»Nicht so hoch hinaus, lieber Cousin!« fuhr der Stiftssyndikus fort. Er klapperte mit den Kugeln im Beutel und setzte lächelnd hinzu:

»Was ist das?«

»Der gelehrte Herr Cousin wird sich das von einem ungeschulten Jägersmann nicht sagen lassen,« erwiderte Andreas etwas spitzig.

Der Stiftssyndikus wiegte lächelnd seinen Kopf und ließ die Kugeln auf das zerlesene Buch fallen.

»Man muß erst sehen, ehe man urtheilt,« versetzte er. »Jetzt, mein lieber Cousin, kann ich als ehrlicher Mann sagen, daß es neue, blanke Bleikugeln sind. Treffen sie gut?«

Der düstere Blick des Försters, der jetzt seine Gestalt hoch aufrichtete, schien bis in die Eingeweide des so seltsam Fragenden dringen zu wollen.

»Das kümmert doch wohl mich ganz allein?« antwortete er ausweichend.

»Mir persönlich kann es jedenfalls gleichgültig sein,« fuhr der Stiftssyndikus fort, »eine wohlwollende Obrigkeit aber, deren Pflicht es ist, Gesetze und Sitten zu überwachen, hat meines Erachtens auch das Recht, mitunter nach Kleinigkeiten sich zu erkundigen. Es darf ihr z. B. nicht gleichgültig sein, ob die Jäger mit erlaubten oder mit unerlaubten Kugeln schießen.«

»Kugel ist Kugel,« sagte Andreas trotzig.

»Man sollte es meinen,« erwiderte der Stiftssyndikus, »und doch habt ihr Jägersleute darüber euere eigenen geheimen Ansichten. Mir sind einige bekannt, die noch immer an die alte Fabel von den Freikugeln glauben, und sich dergleichen zu verschaffen suchen, wo und wie sie können.«

Andreas ward unruhig und verfärbte sich.

»Das sind Märchen,« erwiderte er unachtsam.

»Ich war bis vor kurzem auch dieser Meinung, lieber Cousin, jetzt bin ich eines Bessern belehrt worden. Kennen Sie den Kreuz-Matthes?«

Andreas schwieg.

»Er sitzt seit vier Tagen im Stift, weil sie ihn wieder einmal auf seiner alten Liebhaberei, von den vermorschenden Kreuzen die Bleitafeln und Beschläge zu stehlen, ertappt haben. In frühem Jahren, wo er als Wilddieb bekannt war, nie aber beim Wildern betroffen wurde, gab der verwegene Mensch vor, Handel mit dem so gewonnenen Blei zu treiben. Diesmal ist man ihm besser hinter die Schliche gekommen. Die Nachtgensdarmen verfolgten den Dieb, ohne ihn zu greifen, in der Absicht, seine Helfershelfer kennen zu lernen. Der Kreuz-Matthes ahnte nichts. Er passirte die Grenze, schlich, wie ein Fuchs, durch die dickste Waldung und machte endlich Rast beim Schalksteine. Den Schalkstein kennen Sie doch, Cousin?«

»Gewiß, gewiß!« sagte Andreas, in die Brusttasche seines Jagdrocks langend.

Der Stiftssnydikus stand auf, in der einen Hand die neuen Bleikugeln, in der andern das zerlesene Buch. Er schritt dem Förster entgegen, indem er fortfuhr:

»Dort, in der versteckten Höhle, die ein schmaler Feuerschein an den Wipfeln der Tannen verrieth, überraschten die Verfolger den wilden Gesellen beim Kugelgießen. Es waren Freikugeln, Cousin, ganz so wie diese hier geformt, und just nach dem Recepte da gegossen! ... Lassen Sie nur, Cousin, ich bin doch unterrichtet! ... Aber wenn Sie gescheidt sind und das Wort eines aufrichtigen Freundes beherzigen wollen, so lassen Sie von heute an die dunkeln Wege seitwärts liegen! Wer weiß, ob Cornelie nicht noch lebte, wenn Sie Manns genug gewesen wären, trügerische Verlockungen entschlossen von sich zu weisen. Meine Nichte ist nicht mehr zurückzurufen ins Leben, aber ihre Tochter, die hübsche Hildegarde wird, denk’ ich, noch zu retten sein, wenn nur der Vater dem Blendwerk und verwirrenden Spielzeuge entsagt, das der Teufel ihm nachts auf waldigen Kreuzwegen vor die Füße warf.«

Förster Frei ließ es ruhig geschehen, daß der Stiftssyndikus ihm die Kugeln aus der Hand nahm, die er eben der Brusttasche seines Jagdrockes entnommen hatte. Der große, sehnige Mann stand wie ein Verbrecher vor dem kleinen, untersetzten Juristen.

»Jetzt ist’s gut, lieber Cousin,« fuhr der Stiftssyndikus nach einer Pause fort. »Was hier gesprochen wurde, bleibt unter uns. Es wird Ihnen aber jetzt einleuchten, daß Sie meinem Rathe folgen müssen. Die Geschichte von Ihren Nachtläufereien, Ihrem Verkehr mit dem Kreuz-Matthes und so manches andere könnte ins Volk dringen, und dann müßte sich die Obrigkeit das alte Forsthaus genauer ansehen. Ich will das nicht, Ihnen und mir selbst zu Liebe. Also geschwind nach Arzt und Chirurg geschickt! In meinem Beisein soll die Section vorgenommen werden! Daß sie überflüssig ist, weiß ich, es ist aber noch viel überflüssiger, wenn es durch einen landläufigen Schurken constatirt würde, daß der ehrenwerthe, unbescholtene Förster Frei aus gestohlenem Kirchhofsblei Freikugeln gießt, den Kugelsegen auswendig lernt und mit einem Ringe, der sich aus den Eingeweiden eines Hahns unter schrecklichen Zaubersprüchen gebildet hat, des Nachts durch die Wälder streift, um Schätze zu entdecken.«

»Können Sie mir verzeihen, Herr Cousin?« sprach nach dieser Anrede, die ihn sein ganzes Thun in den letzten Monaten wie in einem Zauberspiegel vorhielt, der niedergeschlagene Förster. »Ich war so unglücklich, und wollte das verloren gegangene Glück auf andere Weise an mich ketten.«

»Mit Narrenspossen, Förster Frei?«

»Wer den Glauben daran hat, dem könnten sie doch wohl helfen.«

Der Stiftssyndikus ward ärgerlich.

»Lieber Cousin,« sagte er, »wenn ich nicht so ein grundgutmüthiger Kerl wäre, ich könnte Sie – Gott verzeih’ mir meine Sünde – kurz und lang nennen! Unter hundert Männern hat nicht einer eine Frau, die meiner Nichte nur das Wasser reicht. Und Sie lassen das arme Weib schutzlos bei einem Zankteufel sitzen, Sie geben zu, daß diese verwunderliche Person Ihr ganzes Haus auf den Kopf stellt, Ihr eheliches Glück zerstört, Frau und Tochter Ihnen entfremdet und Sie selbst den Kindern der Nacht zuführt? – Ich kann mir das erklären, wenn ich annehme, daß Sie geistig krank sind. Dafür halt’ ich Sie auch und deshalb, lieber Cousin, will ich diese Scharteke hier mit sammt den Kugeln, die dazu beitragen könnten, Sie im unglücklichen Falle vogelfrei zu machen, in aller Stille confisciren. Sollte gelegentlich einmal bei allen Förstern nach solchen Dingen Nachfrage gehalten werden, so findet man bei meinem aufgeklärten Herrn Cousin keine einzige. Eine gute gezogene Doppelbüchse, gewöhnliche Rehposten, ein fester Blick und ein reines Gewissen brachten von jeher dem Weidmanne von echtem Schrot und Korn das meiste und dauerndste Glück.«

Andreas schwieg. Wenn die Freundlichkeit des wohlwollenden Verwandten ihn beruhigen mußte des zweideutigen Verkehrs wegen, den er mit notorisch schlechten Menschen vorübergehend gepflogen hatte, so überzeugte ihn die verständige Rede desselben doch nicht von dem gänzlich Nutzlosen seines Beginnens. Hindern wollte und durfte er den Stiftssyndikus nicht, da er ganz in dessen Macht gegeben war, und so machte er keinen Versuch, ihm Kugeln und Kugelsegen wieder abzuschwatzen. Den letztern hatte er ohnehin sehr fest seinem Gedächtnisse eingeprägt, und den Ring, der ihm mehr als alles werth war, weil er an die Kraft desselben unbedingt glaubte, hatte zum Glück der Stiftssyndikus nicht zu sehen verlangt. Um den Forschenden zu beruhigen, reichte der Förster ihm schnell die Hand und sprach mit jener gewinnenden Treuherzigkeit, über die er, wenn er nur wollte, recht gut gebieten konnte.

»Sie sollen nicht wieder Ursache haben über mich zu klagen, gelehrter Herr Cousin. Verlassen Sie – ich bitte jetzt darum – mein Haus nicht eher wieder, bis das Unvermeidliche geschehen ist. Thun Sie später, was Sie vermögen, meinen Leumund unbefleckt zu erhalten, und nehmen Sie sich meines halbverlassenen Kindes mit derselben Liebe an, die Sie früher Hildegardens Mutter zuwendeten!«

Der Stiftssyndikus steckte Kugeln und Buch zu sich, schüttelte dem Förster die Hand und versetzte, indem er sich wieder eine hervorquellende Thräne abtrocknete:

»Gut, gut! Lassen Sie uns jetzt gemeinschaftlich handeln!«


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