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'S Murerchlause Xaveri.

Me het em dr Murerchlausi gseit. Nes brävers Mannli het's nit gä unter dr Sunne. Er het imene chlyne, einsame Hüsli gwohnt, am Bähnlistutz äne, dört, wo dr Wegwyser stoht und 's steinig Chrüz drnebe. Das Hüsli, nes ghübliges Acherli, nes magers Chüeli, si ehrlich Name und acht unerzogeni Chinder, das isch si ganz Rychtum gsy. Und doch het'r si dur Flyß und Sparsamkeit wacker dure gschwunge, ihn und die großi Familie, i gueten und böse Tage. – Einisch aber am ene Morge het's gheißen im Dorf: »'S Murerchlause Frau isch hinecht gstorbe, am Bluetsturz. Dr Chlausi tüe gar schröckli letz und wüß em schier nit z' helfe.«

Nes Unglück chunnt selten ellei. I paar Wuche druuf chunnt dr Chlausi dr Rotlauf über am linggen Arm; d' Gschwulst loht si im Herze zue, und i drei Tage lyt au er ufem Lade, bleich und styff ... »O jere, die arme Chind!« hei d' Lüt gseit: Und d' Gmeinröt si hi gange i das Hüsli am Rein und hei Alls ufgschribe und gschatziget. Und dr Amme het gseit: »So, dihr guete Chinder, jetzt müeßt dr halt usenand! Es sy ordli Schulde da, und d' Lüt wei Gäld. Und dihr sid halt z'jung für z' huse. Drum wird jetz Alls verchauft; die Größere chönne 's Äße sälber verdiene: die Chleinere aber werde vrchostgäldet. So het's dr Gmeinrat bschlosse.«

Do hei die Bueben und Meitschi afo briegge, 's isch zum Erbarme gsy; und 's Eveli het 's chlei Büebli ume Hals ume gnoh und het gschraue: »I goh nit vo dr ewägg, gäll Hansli!« – Nume dr größer Bueb, der Xaveri, het nit gschraue; dä isch im Ofeneggeli gsäße und het i eis Loch ine gluegt. – »Und du, Xaveri, was wottsch du afoh?« – »Was ig afoh well? Do blybe will i!« Und er luegt die Manne mit syne ehrlige Auge fest a: »Do blybe will i! Und myni Gschwisterti blyben au do, ha's im Vatter sälig versproche, i syr letste Stund! Wei i eusem Hüüsli binand blybe und huusen und schaffe ...« – »Aber was dänkst au, Xaveri, bisch no so jung, erst Sächzähni ...« Dr Xaveri aber stoht uuf und streckt si und seid: »Ha mim Vater scho nes ganzes Johr hulfe mure, ha gschafft wie ne Große. Und dr Niklausi isch bold Vierzehni und 's Anneli Zwölfi; die chönnen au schaffe, und die andere werden all Tag größer. Nume nes bitzeli Hilf vo dr Gmein und vo guete Lüte – und mr wei's luege z' mache!« – »Jä weit'r de bim Xaveri blybe?« frogt dr Amme, »und em schön folge?« – »Jo, jo!« schreie die Chinder.

»Me cha's probiere,« hei d' Gmeinröt zsäme gseid; »aber 's wird chumm welle guet goh.«

Tags druuf isch dr Xaveri mitem Amme zue de Kreditore ggange und het aghalte, sie selle no nes Rüngli Geduld ha. Si hei all zuegseit, und d' Müllere het em no ne große Laib Brot gä hei z' träge und Hömmeli für d' Chinder.

Und de Morge früeh, bim erste Sunneblick, isch dr Xaveri uufgstande, het Gras gmäht für 's Chüeli, het gmulchen und gmistet; druuf het'r 's Anneli gweckt und dr Niklausi, aß si selle d' Milchsuppe mache und d'Chinder uufnäh. Schlags Sächsi aber isch 'r uf d' Arbeit gange, go mure. Und dr Meister, ne guete brave Ma, het em dr glych Lohn gä, wie im Vater sälig.

Doch gly het'r gseh, daß deheim, bi dene unerwachsene Chinder, Alls drunter und drüber goht, daß ghändlet wird vo Morge bis Nacht. Wenn nummen er deheim chönnt blybe! Aber 's Gäld, wo's Gäld härnäh und nit stähle? Lang het'r drüber nohgsinnet; aber 's het em nüt Rächts welle i Sinn cho. Do list'r im ene Zpytigsblatt, won er uuf dr Stroß gfunde het, nes Artikeli über d' Strauflächterei, wie die Lüt mit gringer Müeh so gstyff Gäld verdiene und Alls mit Huusarbeit. Mit Huusarbeit, das isch 's Wahri! het'r denkt. Und am Sunntig Nomittag nimmt'r nes sufers Blettli Papyr und schrybt ne schöne Brief a dä Fabrikant z' Wohlen unte, im Ärgäu, wie's im Blettli gstande isch ...

Und i acht Tage druuf, am ene Mäntig de Morgen am Zwei, si er und dr Niklausi, ne Bitze Brot im Sack und nes Chrüegli Milch, abgmarschiert, uf Wohle zue. D' Tante Lisebeth aber het versproche, uf die Chlyne Obacht z' gäh. Und z' Nacht am Elfi isch der Xaveri wider hei cho, müed wie ne Jagdhund, und het gseit: »So, jetze blybt dr Niklausi nes Chehrli furt. Die Herre si so früntlig gsy, dr glaubet's nit, Tante! I acht, nün Wuche, meine si, chönn dr Bueb wider hei cho; i der Zyt chönn er Alls ordli lehre, wenn'r echli difig sig. Aber jetz, Fritz, hört für di 's Gvätterlen uuf, muesch halt im Anneli hälfe as Niklause Gstell! Und du Anneli, paß mr uuf und spar mr brav! Lueg das isch jetz 's letste Gäld, do im Seckeli inne. Und dä Winter chan i jo schier nüt meh vrdiene.«

Und vo dört a het dr Xaveri sälber hulfe die chlyne Gschwisterti alegge und wäschen und strähle wie ne Mueter, und het mit ne bättet de Morge und z' Nacht. D' Tanten isch vo Zyt zu Zyt cho d' Hösli plätze und d' Röckli.

Z' Liechtmis ist dr Niklausi entlig heicho. Und z' Ostere scho het's i's Murerchlause Stuben inn uusgseh, me het si müeße verwundere. Am Bode sy's Bürdeli Roggestrauh gläge, fyn putzt und bleicht; und sächs Chinder si drum ume gsäße und hei ghandiert von Morge bis z' Nacht; do si Hälmli gspalte worde, druus het me Drähtli gwunde, die Drähtli aber si zämegflochte worde, – das isch gange wie dr Tusig! Dr Niklausi het 's Kommando gfüehrt, und wenn das nit battet het, de isch dr Xaveri ine cho, vo dr Burenarbet weg und het sys Wörtli gseit. Das Wörtli aber hei si respektiert, die Chlynste wie die Große, aß chäm's vom eigene Vatter. Und dr Xaveri het dinne gluegt und dusse, i Huus und Fäld, und het d' Buechhaltig gfüehrt und d' Kasse. Jo d' Kasse, die isch langi Zyt gar mager gsy und chly. De zerst isch's mit dem Strauhflechte gar schwerfällig und langsam zuegange. Notisno aber hei si meh Gschick übercho, hei drei bis vier Feuflyber verdienet per Wuche. Die Feuflyber aber het dr Xaveri ordli zäme gha. Und hei syni Kamerade au gcheiglet und gspilt und ghaseliert – euse Xaveri het mr i keim Wirtshuus inne gseh. Bloß het'r, wie dr Verdienst gwachse isch, au ne besseri Chost ygfüehrt und gueti warmi Chleider gchauft für ihn und sini Gschwisterti. Do isch für keis ne Usnahm gmacht worde.

Dr Posthalter het's vrplauderet, wie streng die Gäldpäckli arucke usem Ärgäu ufe. Und d' Lüt si schmatzerig worden und si cho froge, ob si dr Niklausi nit au das Strauhflächte well lehre um Gäld und gueti Wort.

Und i churzer Zyt het 's halb Dorf Strauh gflochte, und der Xaveri het d' Fergstube gha und het Gäld verdienet wie Laub. Die jüngere Gschwisterti aber het'r lo Handwerk lehre; »de,« het'r gseit, »au 's Strauhflächte nimmt einisch nes Änd.« – Und mängs agsehnigs Meitli het si Blick uf de hübsch und aschicklig Chnab gworfe; dr Xaveri aber het gseit: »Bis 's letst vo mine Gschwisterti sis guet Usbringe gfunde het, denken ig unter keine Umstände as Hürate. Will euse Chindere Vatter si, wien i's versproche ha sällmol i dr trurige Zyt ...«

Hütt aber isch dr Xaveri Gmeinamme und Amtsrichter und füehrt mitem Niklausi nes zimlig großes Handelsgschäft. Und die öltere Lüt säge zue de Chindere: »Sy Rychtum, syni Ehr und sys Glück het dä Ma volluuf verdienet dur sy Flyß, sys Bravsi und a syne Gschwisterti.« Machet's au eso!

Joseph Joachim (Solothurn).

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