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Ds Ungghür.

(Ein wirkliches Erlebnis.)

Mi Fründ hed mer äs hübs Gschichtli erzällt, das er in dr Jüngi erläbt hed, und das gwüß derwärd ist au Andern z'erzällä.

A-sen en Buob von ölf old zwölf Jahren ist er ämal am ä Herbst gän Gizi suochä in d'Vürschlößer Alpä und Verneza und i Vaninn. Es ist nah Hellagächrütstig gsin, bereits im Wimanat, wa mä schon überal entalpäget ghan hed und keis Veh nienä meh ummer; uf dä Stäfel is gsin, wia usgstorbä, erschröckeli ööd und still und rächt eisam zum fürchtä.

Du weist, was das für en großi Veränderig ist, wenn as hüt no alls Veh uf dr Alp ist, und ds Gschäll eis so anheimälät – und moradäsch am Abed ist wäder Staub no Flaug meh da, Alls so still wie ufem Fridhof!

Us demm Grund heind d'Lüt nah und nah sövl Ungghürgschichtenä vo dän Alpä erfundä, und Mengä, där scho lang zä ds Heerä Tisch ist gsin, hed's ergruset, wenn er allein um's Zuonachtä old später uf en Säß chon ist und verby hed müeßä, es hed en angfangä tschupä dür d'Luuseri uf und er ist en bitz gschwinder ggangä; und ättä vo Ychährä old Übernachtä – kei Red! liaber, wenn's sin muaß, under ä Püschä dunnä bim Alpzun.

Mi Martin, so heißt dr Buob, hed dört in denen Alpä dä ganz Tag a schinen Gizi gsuocht und schi nienä chönnä erratä; vergangä hed er schi nid; es ist ä hübschä Tag gsin und kein Bräntä ummer, und d'Chündi hed er dört gwüßt, fast wie i schim Hosäsack; längwilig hed's en au nid gäducht, er hed ds Gwehr bimä ghan und zwar nid ättä zerstmal; i chann där sägä, er hed in dem Alter, wie er duo gsin ist, schon mengä Haas und mengä Fugs gätürnet ghan, dasch' z'ufstahn für albig vergäßä heind. An demm Tag aber hed er glaubi nüd gschoßä.

Zlettst, wia's scho wacker gspatet hed, chunnd er no uf dä Vaninner-Säß und erstellt schi dört. Da ist zerst Alls still wia dr Tod. Nun äs Schneevögeli sitzt dört ufem Schärägwätt und äuglet äso zuo mä dür, as wenn's sägä wetti: »Du würst di denn ämal nid understahn, dys häxä Nothysä gäget mi z'richtä.« Uf dä Chüetaischä sind no es paar fugsroti Mistfläugä ummergschärmiziert und am Ferggel ufem Schottätrog hocket en dicki Brummleri und machet äs dumms Gsicht; schi hed im Augstä ä mächtigi Baizi ghan mid ämä lindä Ziger, und jez heindsch'en fortgnun, und schi meinti, schi hättend keis Rächt ghan. Suß hed er nüd Lebendigsch gsehn. Es ist äs chüels Lüftji gangä, wie's auf dä Bärgä gwöhnli dr Fall ist, wenn d'Sunnä vergold gaid; di chleinen Blacktjeni, dia no nahgwagsä sind, heind äso dür und här gschwanket, und er hed nid gwüßt, söll das heißä: »Willkommä!« old machend sch' des »Nei«, ättä, daß die Gizi nid da syend.

Wie er da so driluaget und denn gsied, daß d'Sunnä dört dänet am Rhätikon bald z'oberist dobnä ist, und wie er so deicht: »Jetz is höhi Zyt mi hein z'machä;« und wia mä duo grad no z'Sinnd chunnd: uf demm Säß da geisti's au – grad wia mä das dür dä Chopf fahrt, so gaid hinder mä i dr Hüttä en unheggläschä Läptig an! Das hed grumplet und kneblet und kärjosi Räägg glan und ist aaggangä, wie dr angstli Tüügger! So ättäs hätti wägschi au en Gwagsnä chönnä entlüpfä und in d'Sprüng bringä. Unschä Buob hed denn au ä vermaleschä Flaug gnun und denn noch einä; es ist nuu vil, daß er nid uf d'Nasä gkyt ist. Duo aber staid er still und chert schi um – deich au, wia fräch! aber es ist mä im Springä d'Sinnd chon, dr Ätti hei gseid: mä söll nid fliehn, wenn's ättes Ungradsch sy; suß springi's eim uf dä Rügg. Das wäri frili än erschröckelähi Gschichti! Ufem Rügg hed er nüd gmerkt, und wia er zrugg luoget, au nüd gsehn vor dr Hüttä; und au dinnä is für dä Augäblick erstillet. Jetz wäri Mengä erst rächt an äs Laufä, was d'gist, was d'hest, drdür ab und uus, äs ob mä en Huot wärfi.

Martin aber ist stahn blibä. Duo gaid dr Späktakel widrum an, as ob en Stab Roß ummerchneblend; äsie hed er gmeint, es sy im Chäschäller, äsie bi dr Füürgruobä, und äsie gar uf dä Gebsälattä. Ob sch'ättä mit dä Gebsän chäglend, und dr Aachübel wäri d'Chuglä? Er hed schi nid entstührä chönnä, was under Gott das au sy wärdi; ättes Rächtsch ämal gwüß nid, hed er gsinnet. Aber gflohä ist er nottä kei Schritt meh, dr tusigs Buob! Im Gägäteil, er hed es paar Schritt, frili nu chleini und gmachi gäget d'Hüttätür gätan.

Es ist mä nämli d'Sinnd chon, dr Ätti hei au zuo mä gsaid, är wüssi nid, ob's würkli Ungghür gäbi; aber das wüß er, daß mä schi nid z'fürchtä bruhi, wemm mä-näs guots Gwüßni hei – »und das han i!« said er fast luut und gaid widrum zwei, dri Tritt uf di Tür zuo. Jetz rumplet's dinnä vo Nüem, en barrä Häxätanz! Es fahrt mä en bitz in di Bein, sälb möcht i nid laugnä, i glaub äs wia viel hed er gäzitteret; aber nid lang. »I han denn au no ds Gwehr bi mer!« seid er ganz reeß und hebt's mid beden Händen und richtet's gäget di Tür – und so staid er da wia David in dr History und d'Hüttä ist sin Goliath. Ja, myn Buob! es guots Gwüßni und äs guots Gwehr sind uf all Fäll en guoti Werri! Und wenn ünschi Söhn im ganzä Vatterland mid erä söttä Usrüstig ufwagsä tätend, das gäb – weist was? das gäb das alt Schwyzerguraschi!

Martin hed schi duo so steetli dr Hüttä gäbijet, bis er entli mit dm Gwehrlauf dr Tür hed chönnä ä Stoß gän, aber wenn sch' au kei Schloß hed ghan, so isch' doch in dr Fallä gsin, und drum äbä uf schin Stoß nid offä ggangä. Er muoß mit dr Hand d'Fallä lüpfä, und drum in Gotts Namä noch äs Rückji vorwärts – und er tuot's! So, jetzt mag er d'Fallä glänggä, frili nu chluberli.

Jetz nümm di denn zämmä, my Liabä! Du staist da würkli, wia mä ättä i dän Büechern lißt, an »der Türschwelli der Entscheidig«, ob dys muotigs Härz Heer gahn söll old d'Angst vorm Ungghür! Aber – ds Gwehr, und ds Gwüßni und dr Ätti hed gseid! Und en Drah und ä Stoß und 1ratsch offä! gaischt, sälb wemm mer probierä – und schi gaid au offä, di Tür. Aber im glihä Augäblick tuad er au en paar Sprüng auf d'Sitä; i glaub, y und du hätten's au tuon. Ja es ist mä währli durft gsin, daß er gschwind zrugg ist, suß wär mä ds Ungghür ohni anders in die Bein old uf dä Rügg gsprungä. Wia er nämli schi duo widerum umchert, sä bräglet di ganz Geisterkammedi zr Tür uußer! Und was is gsin? ...

Deich au, nüd anders, as en ganzi Haab Gizi!

Aber du liabi Zyt, wia heind diä drin gsehn! Dr brandschwarz Hunger hed nen zu dn Augä ußer gluoget, strubi sind sch' gsin wia än Hächlä, und bschißni über und über. Schi heind nid getan, äs ob sch' en gsehend und vo vergält's Gott für d' Erlösig vom Hungertod ist kei Red gsin. Schi sind wia bsässä uf di Blacktjeni los und uf alls Grüens, wa sch' nu beglänggä heind mögä. I dr Vernöti hätten sch' aller Gotts Dingä di giftigen Böhnlä y'gworget und di nüdnutzigen Blutzä.

»So – o – das ist ds Ungghür!« seid der Buob und atmet uf; suß said er gar nüd; er nümmt ganz äristhaft ds Gwehr an d'Axlä, grad wie der Ätti; es ist mä in dämm Augäblick, as ob er hinicht en ganz Anderä sy, as am Morget. Er tuod noch en Blick in d'Hüttä, wia's au da usgsehi. Ja, da gsiat's hübsch uus, das chamm mä schi deihä, wo sövel Nößer wär weiß wövel Tag y'gspert gsi sind! Aber wär hed schi denn ygspert? Schy sälber heind's äso gschickt chönnä! Di Tür würd offä gsi sin, und duo sind sch' in d'Hüttä und dört hinder Alls yn und uf Alls uf, wia's di gschentigen Gaiß albig im Bruuch heind; und duo mid Ummerjoglä und Stoßä ist di Tür zuo und in d'Fallä gkyt und di armä Lüeder sind gfangä gsin. Söttigs passiert ättä-n ämal, und dr Gvatter Christä meint – nid nun dän Gizi!

Jetz machet Martin, daß er abaus chunnd; d'Nacht ist da, und vo Vaninn bis Jenaz gaid's no über mängs Egg und dür mängi Tollä. »Wägä dr Düchli«, said er zuo schim sälber, »wär's mer grad glych, aber dr Ätti würd blangä uf mi.«

Wia där uszücht! Mä möchti währli nid meinä, daß er dä ganz gschlagä Tag uf dä Beinä gsi wäri. Dür dä Stürchel uus chunnd er gä Mundjä und dört chert er schi noch ämal um und luoget zrugg gä Väninn, wenn er au vom Stafel nüd meh gsiat. Erst jetz bsinnt er schi rächt, was er denn eigentli hüt erläbt und dürgmachet hei, und duo sä stygt mä ds Hochmuotji en bitz in dä Chopf; und es hed au törfä, sälb säg i. Er hed äso um ds Merkä am Huot grückt, daß er es bitzji stotziger ufem Ohr sitzi; aber es hed's Niamet gsehn, as dia stillen Waldavoser-Tännä, und dia heind en nid vermüpft.

»I bin doch en Kärli!« hed er gmeint; aber au das hed Niamet ghört, as en altä Tannrolli, där us schym Nästloch irä halb dürrä Ronnä aper uf en ggäuget hed. »Mieran syest,« hed er gäbrummlet und hed uwillig schy langi Spächtnasä zrugg gäzogä inds Näst; »ämä Kärli ist nüd z'trüä!« –

Jetz aber gaid's widerum vorwärts dür d'Majasäßä uus und hein ohni Erschnufä. D'Stärnä glänzend dobnä am Himmel und i schym Gmüet ist dr Widerschyn, da glänzt rächtä jugentlihä Frohmuot. Er ist zfridä mid schym sälber und freut schi; am meista aber freut's en, daß er's chönni vorzuo den Ätti erzällä.

Andreas Wyß (Graubünden).

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