Henryk Sienkiewicz
Die Familie Polaniecki
Henryk Sienkiewicz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenundvierzigstes Kapitel

Was geht mich Frau Osnowski an und was kümmern mich ihre Liebeleien?« sagte sich Zawilowski am andern Tage, als er sich auf dem Wege zu Frau Bronicz befand. »Ich heirate ja nicht Frau Osnowski. Wozu habe ich mich denn gestern so gemartert und gequält?« Auf diese Weise mit sich selbst einig geworden, überlegte er nun, was er zu Frau Bronicz sagen solle, denn trotz der Versicherungen Herrn Osnowskis, trotz des Vertrauens auf Linetas Liebe und auf die Güte ihrer Tante, war seine Seele doch von Angst erfüllt. Er traf die beiden Damen allein, und durch die Erinnerung an den gestrigen Tag kühn gemacht, drückte Zawilowski einen Kuß auf Linetas Hand. Sie errötete tief und sagte: »Ich fliehe.« . . .

»Bleibe nur, Lineta,« sagte Frau Bronicz.

»Nein,« erwiderte sie, »ich fürchte mich vor diesem Herrn und vor Dir, Tante.« Damit warf sie noch einen Blick auf ihn und entfernte sich dann eilig.

Zawilowski war totenbleich vor Erregung, Frau Bronicz hatte Thränen in den Augen. Sie bemerkte wohl, daß ihm die Kehle förmlich zugeschnürt war und er nichts hervorzubringen vermochte, daher sagte sie: »Ich weiß, weshalb Sie kommen, denn ich sah schon längst, was zwischen Euch beiden vorging.«

Schweigend ergriff Zawilowski ihre Hände und drückte eine nach der andern an seine Lippen.

Sie aber fuhr fort: »O, ich habe in meinem Leben schon zu viel durchgemacht, als daß ich wahre Empfindungen nicht von falschen zu unterscheiden wüßte. Ja ich kann sagen: Das ist meine Specialität! Ich bin überzeugt, Sie lieben meine Nichte wirklich, und würden es nicht überleben, wenn sie Ihre Neigung nicht erwiderte; oder wenn ich Sie abwiese. Habe ich recht?«

Sie schaute ihn fragend an und er erwiderte: »Gewiß, gnädige Frau! Was mit mir geschehen würde, weiß ich nicht!«

»Nun, ich habe es ja gleich erraten,« erwiderte sie mit strahlendem Gesichte. »Ach, mein lieber Herr Zawilowski, mir entgeht nicht so leicht etwas. Ach, wo ist der Mann, der Niteckas würdig wäre! Einem Kopowski kann ich sie nicht geben, und ich thue es auch nicht. Sie kennen vielleicht Nitecka nicht so gut wie ich, aber ihm kann ich sie nicht geben.«

Trotz seiner Rührung wunderte sich Zawilowski über die Energie, womit Frau Bronicz sich über Kopowski ausließ, gerade wie wenn er für diesen und nicht für sich selbst geworben hätte.

Aber augenscheinlich von ihren Worten und der Situation begeistert, fuhr die Tante fort: »Nein, von Kopowski konnte nicht die Rede sein. Sie allein vermögen ihr das zu bieten, was sie braucht. Gestern erriet ich schon Ihr Vorhaben. Die ganze Nacht habe ich kein Auge zugethan. Wundern Sie sich nicht darüber. Mir war bange vor der heutigen Unterredung, denn ich wußte schon im voraus, daß ich Ihnen nicht widerstehen könne, daß Sie mich durch Ihre Beredsamkeit fortreißen würden, wie Sie gestern Nitecka fortgerissen haben.«

Zawilowski vermochte sich keine klare Rechenschaft darüber zu geben, worin eigentlich die Kraft seiner Beredsamkeit lag, und wann er Zeit gehabt hätte, sie zum Besten zu geben. Aber Frau Bronicz ließ ihn nicht lange über diese Frage nachdenken.

»Wissen Sie, was ich gethan habe? Nun das, was ich immer bei wichtigen Problemen des Lebens thue. Gestern hatte ich eine Unterredung mit Nitecka, und heute ging ich auf das Grab meines Mannes. Er liegt hier in Warschau begraben . . . Ach ja, ich sagte es Ihnen schon. O mein lieber Herr Zawilowski, welch ein Trost ist dies Grab für mich, und welch gute Eingebungen sind mir schon dort gekommen. Handelte es sich um die Erziehung Niteckas, oder um eine Reise, oder um die Anlage der von meinem Gatten hinterlassenen Kapitalien oder um ein Darlehen, das irgend jemand von meinen Verwandten oder Bekannten von mir forderte, immer eilte ich an jene geweihte Stätte. Und werden Sie es glauben? Oft schien die Hypothek gut, das Geschäft ausgezeichnet zu sein, oft hieß mich eine innere Stimme zu geben, was man von mir verlangte, aber sprach mein Mann aus seinem Grabe hervor: ›Thue es nicht,‹ dann that ich es nicht. Und schlecht bin ich noch nie dabei gefahren. Ach mein lieber Herr Zawilowski, Sie fühlen sicherlich mit mir und begreifen, wie ich heute betete und aus der Tiefe meiner Seele rief: ›Soll ich ihm Nitecka geben oder nicht?‹« Frau Bronicz drückte ihre Hände an die Schläfen und setzte weinend hinzu: »Doch mein Theodor erwiderte: ›Ja, gieb ihm Nitecka!‹ – Und so gebe ich sie Dir und meinen Segen dazu.« Eine Thränenflut hemmte jetzt den Strom ihrer Beredsamkeit. Zawilowski kniete vor ihr nieder; wie auf ein verabredetes Zeichen trat Lineta herein, warf sich ebenfalls vor ihr nieder, und segnend die Hände erhebend sprach Frau Bronicz unter Schluchzen: »Sie ist Dein, ja Dein! Wir geben sie Dir, Theodor und ich.« Plötzlich fing sie an zu lachen, und ihnen mit dem Finger drohend bemerkte sie: »Oh, ich weiß, was Ihr jetzt denkt, ihr möchtet allein sein, weil Ihr Euch viel zu sagen habt, nicht wahr?« – Als sie sich entfernt hatte, nahm Zawilowski Linetas Hände in die seinen und schaute voll Entzücken in ihre Augen. Sie setzte sich neben ihn und ihm ihre Hände lassend, legte sie ihren Kopf an seine Schulter. Zawilowski neigte sein Haupt zu ihrem Gesichte herab, allein bei seiner Jugend und Schüchternheit, bei seiner großen Verehrung für die Geliebte wäre es ihm vermessen erschienen, ihren Mund mit seinen Lippen zu berühren. Er küßte nur ihre goldenen Haare, dann verschwamm ihm alles vor den Augen, er wußte kaum mehr, was mit ihm vorging, er hörte nur das Pochen seines eigenen Herzens, fühlte nur den Duft der seidenen Haare, und ihn dünkte, darin läge seine ganze Welt.

Nach einiger Zeit öffnete die Tante leise die Thüre, und gleich darauf ertönten im Nebenzimmer die Stimmen des Osnowskischen Ehepaares. Aus den Armen ihrer Tante wanderte Fräulein Castelli in die Frau Anetas, während Herr Osnowski Herrn Zawilowski die Hand schüttelte und sagte: »Das ist eine Freude hier im Hause! Wir alle haben Dich ja herzlich lieb gewonnen, ich und die Tante und Aneta, von der Kleinen gar nicht zu reden.« Und sich an seine Frau wendend fügte er hinzu: »Weißt Du, Aneta, was ich Ignaz gestern wünschte? Daß sie beide so glücklich werden, wie wir es sind.« Dabei ergriff er ihre Hände und bedeckte sie mit leidenschaftlichen Küssen.

»Sie werden noch glücklicher werden,« entgegnete sie, »denn Lineta ist kein solcher Flattergeist wie ich, und Herr Zawilowski wird ihr nicht so ungestüm vor andern Leuten die Hände küssen. Laß mich, Jozio.«

»Möge er sie stets so lieben, wie ich Dich, mein Kind, mein einziger Schatz,« antwortete Jozio strahlend. Dann machte er einen Vorschlag, über den Zawilowski sich nur zu glücklich fühlte. »Przytulow läuft uns nicht davon,« sagte Osnowski. »Hier wohnen wir ja auch halb und halb auf dem Lande, und da wir es bis Ende Juni ausgehalten haben, so können wir gerade so gut noch ein paar Tage bleiben. Auch möge es Aneta und mir vergönnt sein, das Verlobungsfest zu veranstalten.« Ignaz war natürlich im siebenten Himmel, die Tante hingegen wußte ja nicht, welcher Meinung ihr Theodor gewesen wäre, und schwankte einen Moment. Doch schließlich war sie mit allem einverstanden.

Nach dem Mittagessen kam Kopowski, der tägliche Gast, und es zeigte sich, daß er das einzige Wesen in der Villa war, dem die Nachricht von der Verlobung des jungen Paares keine Freude machte. Auf seinem Gesichte drückte sich unverhohlene Verwunderung aus, und schließlich sagte er: »Das hätte ich mir doch nie einfallen lassen, daß Fräulein Lineta Herrn Zawilowski heiratet.«

Herr Osnowski stieß Zawilowski mit dem Ellenbogen an und flüsterte ihm zu:

»Siehst Du nun? Gestern sagte ich Dir ja schon, daß er in sie verliebt ist.«

Als Zawilowski spät am Abend nach Hause kam, schrieb er keine Verse nieder, obschon alles in ihm klang und sang; sondern er erledigte die Geschäftskorrespondenz, die während des Tages liegen geblieben war. Im Komptoir machte dies einen überaus günstigen Eindruck, und als Herr Bigiel mit seiner Frau den ersten Besuch bei Frau Bronicz machte, bemerkte er:

»Welchen Wert die Gedichte des Herrn Zawilowski haben, das ist Ihnen sicher bekannt, doch wissen Sie vielleicht nicht, was für ein gewissenhafter Mensch er ist. Ich spreche dies deshalb aus, weil derartiges hierzulande so selten vorkommt. Mit einem solchen Menschen zu thun zu haben, ist sehr angenehm, weil man ihm vollständig vertrauen kann.«

Der treffliche Kompagnon Polanieckis wunderte sich nicht wenig, daß solch hohes Lob so geringen Eindruck hervorbrachte und daß Frau Bronicz, anstatt ihre Freude zu äußern, sagte: »Ach, wir hoffen, daß Herr Zawilowski sich in Zukunft einer Arbeit widmen kann, die seiner Position und seinen Fähigkeiten besser entspricht.«

Nach einigen Tagen ließ auch sein Verwandter von sich hören. Zawilowski, der bis jetzt noch keinen Versuch gemacht hatte, sich mit seinem Oheim zu versöhnen, obgleich dies Frau Broniczs Wunsch war, erhielt von diesem folgenden Brief.

»An die Wildkatze! Du hast mich ganz unberechtigter Weise gekratzt, denn ich wollte Dich nicht beleidigen, und ich darf mir wohl erlauben, zu sagen, was ich denke, weil ich ein alter Mann bin. Hat man Dir nicht gesagt, daß ich Deine Angebetete auch ins Gesicht nicht anders als ›Halbteufel von Venedig‹ nenne? Und wie konnte ich ahnen, daß Du sie liebst und heiraten willst! Ich erfuhr es erst gestern, und jetzt begreife ich, warum Du mir beinahe ins Gesicht gesprungen bist. Da ich aber die Hitzköpfe den langweiligen Tröpfen vorziehe, und des verdammten Podagras wegen nicht selbst zu Dir kommen kann, so komme Du zu dem Alten, der es besser mit Dir meint, als Du glaubst.«

Noch an demselben Tage begab sich Zawilowski zu ihm und wurde mit einem gewissen Brummen, doch immerhin so herzlich aufgenommen, daß es ihm diesmal bei dem alten Manne sehr gut gefiel und er sich wahrhaft zu ihm hingezogen fühlte.

»Gott segne Dich und das junge Mädchen,« sagte der Oheim, »zwar kenne ich Dich noch nicht genau, aber ich hörte viel von Dir und wünschte, ich könne von allen Zawilowskis dasselbe hören.« Dabei drückte er ihm die Hand und sich an seine Tochter wendend, fügte er hinzu:

»Ein genialer Mensch, nicht?«

Als Zawilowski im Begriff stand zu gehen, sagte der alte Mann: »Nun, und der Theodor? Hat er Dir nicht zuviel zugesetzt.«

Der junge Dichter, dem im Grunde Theodor auch sehr komisch vorkam, lachte laut auf und erwiderte: »Nein im Gegenteil, er war auf meiner Seite.«

Sein Oheim schüttelte den Kopf.

»Jedenfalls ist dieser Oheim außerordentlich bequem. Nimm Dich vor ihm in acht, denn er ist sehr schlau.«

In Frau Bronicz' Augen war das Vermögen und die Stellung des alten Herrn so hoch anzuschlagen, daß sie ihn gleich am nächsten Tage besuchte und ihm für die liebenswürdige Aufnahme dankte, die er seinem Neffen hatte angedeihen lassen.

»Glauben Sie denn, daß ich nicht recht zurechnungsfähig bin?« rief er zornig. »Weil Sie schon von mir gehört haben, daß arme Verwandte oft eine Plage sind, meinen Sie, ich nehme ihnen übel, daß sie nichts haben. Einen anständigen, tüchtigen Menschen wie Ignaz schätze ich natürlich sehr.«

»Auch ich schätze ihn sehr,« entgegnete Frau Bronicz. »Sie werden doch zum Verlobungsfeste kommen?«

»C'est décidé; selbst wenn ich mich hintragen lassen müßte.«

Strahlend vor Freude kehrte Frau Bronicz nach Hause zurück und beim Frühstück konnte sie sich nicht enthalten, von den glänzenden Aussichten des jungen Zawilowski zu sprechen, die ihre geschäftige Phantasie sich ausmalte.

»Der alte Edelmann ist ein Millionär und hält etwas auf seinen Namen,« sagte sie. »Es würde mich also gar nicht wundern, wenn er unsern Ignaz zum Erben einsetzte, oder eines seiner Güter in Posen zu dessen Gunsten in ein Majorat umwandelte. Nein, ich würde mich gar nicht wundern.«

Niemand erhob einen Widerspruch, und nach dem Frühstück flüsterte Frau Bronicz ihrer Nichte ins Ohr: »Ja, ja, Du wirst vielleicht einmal Majoratsherrin.«

Abends sagte sie zu Zawilowski: »Sie dürfen sich nicht wundern, daß ich mich in alles mische, denn ich vertrete ja Mutterstelle bei Euch. Nun ist die Mutter außerordentlich begierig, zu hören, was Sie für einen Ring für Nitecka machen lassen. Sie werden gewiß etwas Schönes wollen, zumal eine Masse Leute bei der Verlobung sein werden. Auch haben Sie keinen Begriff, wie wählerisch dies kleine Ding ist. Sogar in den geringfügigsten Dingen ist sie ästhetisch und hat ihren eigenen Geschmack.«

»Für den Ring werde ich Steine aussuchen, welche den Glauben, die Hoffnung und die Liebe bedeuten, denn in Lineta ist mein Glauben, meine Hoffnung und meine Liebe verkörpert.«

»Ein reizender Gedanke! Haben Sie mit Nitecka darüber gesprochen? – Ich möchte Ihnen einen Rat geben: Lassen Sie in der Mitte eine Perle anbringen als Zeichen, daß das Mädchen eine Perle ist. Solche Symbole sind ja in der Mode. Sagte ich Ihnen schon, daß Herr Swirski sie immer ›La perla‹ nannte, als er ihr Unterricht gab? . . . Ach, ja, ich erzählte es Ihnen früher einmal. Sie kennen doch Herrn Swirski? – Er hat meine Nichte auch . . . Jozio Osnowski meint, er könne jeden Tag hier eintreffen . . . Also Saphir, Rubin, Smaragd und in der Mitte eine Perle? . . . Werden Sie zu dem Begräbnis gehen?«

»Zu wessen Begräbnis, gnädige Frau?«

»Zu dem Begräbnisse des Herrn Bukacki. Osnowski sagte mir, daß der Maler die Leiche hierherbringe.«

»Ich kannte ihn nicht, ich glaube sogar, ich habe ihn in meinem ganzen Leben nicht gesehen.«

»Umso besser. Nitecka wird es recht sein, daß Sie ihn nicht kannten. Der Allmächtige in seiner Barmherzigkeit möge ihm gnädig sein, obwohl er mir nie sympathisch gewesen ist und Nitecka seine Gegenwart nicht zu ertragen vermochte . . . Jedenfalls wird sich die Kleine über den Ring sehr freuen, und wenn sie sich freut, dann freue ich mich auch.«

Und die Kleine freute sich nicht nur über den Ring, sondern sie freute sich auch ihres Lebens. Denn die Rolle der Verlobten gewann immer mehr Reiz für sie. In den wunderschönen hellen Nächten, die jetzt kamen, saßen sie und Zawilowski stundenlang, dicht aneinander geschmiegt, auf dem Balkon. Von den Akazien unter dem Altane stieg ein betäubender Duft empor. Er schien die Sinne einzuschläfern, die Seelen in Ruhe zu wiegen. Hand in Hand sitzend, versenkt in ihre Träume, verloren die beiden beinahe das Gefühl einer getrennten Existenz und behielten nur das unbestimmte Bewußtsein ihres Glückes.

Als Zawilowski wieder aus diesem Halbschlafe erwachte und zum wirklichen Leben zurückkehrte, ward ihm klar, daß ein solcher Moment, in dem das Herz sich eins fühlt mit dem All und den gleichen Pulsschlag hat wie alles, was sich bewegt, sich liebt, zu einander gesellt im Universum, das höchste Glück ist, das die Liebe zu geben vermag, solch unermeßliches Glück, daß es bei längerer Dauer den Menschen unbedingt zu Grunde richten würde.

Zwar konnte sich Fräulein Castelli nicht zur gleichen Höhe emporschwingen, aber auch sie fühlte sich sehr glücklich. Frauen, die im allgemeinen gar nicht liebefähig sind, lieben oft die Liebe selbst oder zum mindesten die Rolle, welche sie dabei spielen. Zudem hatte man Lineta so viel von ihrer Neigung zu Zawilowski vorgeredet, daß sie schließlich selbst daran glaubte.

Einmal, als ihr Verlobter sie fragte, ob sie ihrer Liebe und ihres Herzens sicher sei, reichte sie ihm beide Hände und sagte:

»Oh! ja, jetzt weiß ich sicher, daß ich Dich liebe!«

Er drückte ehrfurchtsvoll ihre schmale Hand an seine Lippen und Augen, aber durch ihre Worte beunruhigt, fragte er:

»Warum erst jetzt, Nitecka? Glaubtest Du denn früher, Du könntest mich nicht lieb gewinnen?«

»Ach, wenn es sich um Herrn Kopowski handelte, wäre die Sache simple comme bonjour. Aber so! Vielleicht kann ich mich auch nicht gut ausdrücken, manchmal dünkt es mich indessen, als ob ich einen hohen Berg oder Turm besteigen müßte. Hat man einmal die Höhe gewonnen, so sieht man die weite Welt vor sich liegen, vorher jedoch muß man steigen und steigend sich müde machen, und ich bin solch ein Faulpelz.«

»Wenn mein lieber Faulpelz müde wird, dann nehme ich ihn auf meine Arme, wie ein Kind, und trage ihn, solange es nötig ist,« erklärte Zawilowski.

»Und ich werde mich anschmiegen und mich so leicht machen wie möglich,« antwortete Fräulein Castelli. Zawilowski kniete vor ihr nieder und küßte den Saum ihres Kleides. Aber auch sein Glück war nicht wolkenlos. Dem jungen Manne schien es, als ob er fortwährend beobachtet werde, als ob Frau Bronicz und Frau Osnowski sich allzuviel darum kümmerten, wie er seine Gefühle äußere. Ihm waren diese Gefühle etwas Heiliges, es widerstrebte ihm, sie beständig zur Schau zu tragen, und nun ward allem, was er that und sagte, nachgespürt.

Auch grollte er nicht wenig darüber, daß Kopowski nach Przytulow eingeladen wurde und mit den andern zugleich dahin abreisen sollte! Das noch nicht vollendete Bild Kopowskis bildete den Vorwand zu dieser Einladung, und Zawilowski begriff nur zu wohl, daß Frau Osnowski es so veranstaltet hatte, denn sie verstand es vortrefflich, den Leuten ihre eigenen Wünsche unterzuschieben.


 << zurück weiter >>