Henryk Sienkiewicz
Die Familie Polaniecki
Henryk Sienkiewicz

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Zweiundvierzigstes Kapitel

»Sie sehen also, meine Damen und Herren,« erzählte Zawilowski bei Bigiels, »daß ich den gewünschten Besuch abgestattet habe. Man betrachtete mich anfänglich, als ob ich ein Panther oder ein Wolf sei, obwohl ich mich doch wie ein sehr zahmes Tier benahm; ich kratzte niemand, ich schlug nichts zusammen und ich beantwortete alle Fragen recht vernünftig. Ich sehe es immer mehr ein, es ist viel leichter mit den Menschen zu verkehren, als es den Anschein hat.«

»Mit einigen Worten lassen wir uns nicht abspeisen,« rief Frau Bigiel, »Sie müssen uns alles ganz genau erzählen.«

»Mit dem größten Vergnügen,« erklärte Zawilowski. »Ich gelangte natürlich zuerst an das Gitterthor, das zu der Villa führt, und als ich davor stand, wußte ich nicht recht, was ich anfangen sollte, ob ich Osnowskis und Frau Bronicz einen gemeinsamen Besuch abstatten dürfe, oder ob ich bei jedem besonders vorsprechen müsse.«

»Bei jedem besonders,« bemerkte Polaniecki. »Frau Bronicz wohnt für sich, obgleich beide Familien einen Salon gemeinschaftlich benutzen.«

»In eben diesem Salon traf ich alle beisammen. Frau Osnowski nahm sich sofort meiner an. Ich traf auch Frau Maszko und Herrn Kopowski. Das ist ja ein wahrer Adonis. Eigentlich sollte er für seinen Kopf ein Etui aus Samt haben, wie es bei den Juwelieren zu finden ist. Wer ist denn dieser Herr Kopowski?«

»Ein Schafskopf,« antwortete Polaniecki. »Damit ist alles Nötige gesagt; selbst in seinem Paß wäre keine weitere Bezeichnung nötig.«

»Jetzt verstehe ich die Situation, und auch verschiedene Bemerkungen, die ich hörte, sind mir nun klar geworden. Herr Kopowski wird von Frau Osnowski und Fräulein Castelli gemalt. Beide Damen trugen große Perkalschürzen über ihren Kleidern, und beide sahen wunderhübsch aus. Frau Osnowski scheint Anfängerin zu sein, während Fräulein Castelli schon eine gewisse Routine besitzt.«

»Wovon wurde denn gesprochen?«

Zawilowski wandte sich an Marynia.

»Die Damen erkundigten sich sofort, wie es Ihnen gehe, gnädige Frau, und ich konnte zu meinem Vergnügen versichern, daß Sie wieder viel besser aussehen.«

Daß er bei dieser Gelegenheit wie ein Schüler rot geworden war, erwähnte er natürlich nicht, sondern fuhr, um seine abermalige Verlegenheit zu verbergen, rasch fort: »Dann sprachen wir über die Porträtmalerei. Ich behauptete, Fräulein Castelli habe Herrn Kopowskis Kopf zu klein angelegt, allein sie erwiderte mir darauf, das habe nicht sie gethan, sondern die Natur.«

»Das ist ein kluges Mädchen.«

»Und sie sagte es ganz laut. Ich und alle Anwesenden mußten lachen. Herr Kopowski muß übrigens ein gutherziger Mensch sein, denn er stimmte herzlich mit ein. Im Laufe des Gespräches erklärte er auch, er sehe recht schlecht aus, und das komme einzig und allein davon, daß er sich nicht ausgeschlafen habe. Er sehne sich daher geradezu nach den Umarmungen des Orpheus.«

»Des Orpheus?«

»So sagte er, und Herr Osnowski verbesserte seinen Fehler ohne viel Umstände zu machen. Die Damen amüsieren sich ein wenig auf seine Kosten, malen ihn aber wegen seiner außergewöhnlichen Schönheit sehr gern. Fräulein Castelli ist eigentlich weit mehr Künstlerin als Dilettantin. Das Porträt, das sie von Herrn Kopowski malt, scheint sehr ähnlich zu werden, und allem Anschein nach ist sie ganz entzückt von dessen Schönheit, denn sie ereiferte sich über ›diese Linien und Töne‹ in höchst lebhafter Weise. Dabei sah sie wie eine Muse aus. Sie erzählte mir, sie male am liebsten Porträts, sie studiere daher jedes Gesicht, ob es sich zum Modell eigne, und von den besonders interessanten Köpfen träume sie gewöhnlich des Nachts.«

»Ah, da werden Sie ihr ja auch bald im Traum erscheinen und ihr Modell stehen müssen,« bemerkte Marynia. »Hat sie Ihnen noch keine Andeutung gemacht?«

»Nein, wenigstens keine direkte,« antwortete Zawilowski mit etwas unsicherer Stimme. »Einen solchen Dienst, erklärte sie, könne man nur von nahen Bekannten annehmen. Wenn Frau Bronicz nicht gewesen wäre, würde übrigens das Gespräch gar nicht darauf gekommen sein.«

»Frau Bronicz ist demnach der Muse zu Hilfe gekommen?« fragte Polaniecki.

»Das schadet doch gar nichts,« warf Marynia ein, »im Gegenteil, das ist recht gut.«

»Weshalb gut, gnädige Frau?« meinte Zawilowski, indem er ihr einen ängstlichen Blick zuwarf, da der Gedanke, daß sie ihn vielleicht absichtlich mit Fräulein Castelli zusammenbringen wolle, weil sie sein Herzensgeheimnis erraten hatte, ihm sehr peinlich war.

»Das will ich Ihnen gleich auseinandersetzen,« erwiderte Marynia. »Ich kenne zwar Fräulein Lineta kaum, allein so viel ich beurteilen kann, und nach allem, was ich von ihr höre, muß sie eine außergewöhnliche, tief angelegte Natur sein. Demnach ist's als ein Glück zu betrachten, wenn Ihr Euch näher tretet.«

»Ich kann auch nur nach dem ersten Eindruck urteilen,« ergriff Zawilowski, von diesem Ausspruch beruhigt, wieder das Wort, »mir kommt jedoch Fräulein Castelli weit weniger oberflächlich vor als Frau Osnowski. Diese Damen sind ja höchst angenehm und sehr schön, nur konnte ich das Gefühl nicht los werden, nachdem ich mich von ihnen verabschiedet hatte, als ob ich mit sehr anziehenden Ausländerinnen in einem Coupé gefahren wäre, die sich amüsieren wollen und sehr unterhaltend zu plaudern wissen, denen aber doch etwas Fremdes anhaftet. Man hat niemals das Gefühl, daß man auf einem Boden, unter einer Sonne mit ihnen gewachsen ist.«

»Welch richtige Intuition dieser Dichter besitzt,« bemerkte Polaniecki.

Zawilowski wurde bei dem Gedanken, sein Tadel gegen jene Damen schließe gleichzeitig ein Lob für Marynia in sich, so erregt, daß auf seiner Stirn die Adern wieder deutlich in Form des Buchstabens I sichtbar wurden, und er lebhaft fortfuhr: »Es giebt einen gewissen Instinkt, mit dem man das Wohlwollen der Menschen errät. Jene Damen sind zwar sehr zuvorkommend, allein das ist alles nur Form. Meiner Ansicht nach wird daher ein warmherziger Mensch im Verkehr mit ihnen viele Enttäuschungen erleben. Deshalb fürchte ich mich so sehr vor den Menschen, denn wenn ich mich auch einer gewissen Intuition rühmen darf, so weiß ich doch sehr gut, daß ich im Grunde höchst naiv bin und von jeder Enttäuschung auf das schmerzlichste berührt werde. Ich erinnere mich noch sehr gut, welchen Eindruck es in meiner Kinderzeit auf mich machte, wenn ich bemerkte, daß die Menschen in Gegenwart meiner Eltern weit liebenswürdiger mit mir waren, als in deren Abwesenheit. Das verdarb mir gar manche Stunden meiner Jugend. Mir erschien das unendlich gemein, und es quälte mich so, als ob ich selbst eine Gemeinheit begangen hätte.«

»Sie sind eben eine biedere Natur,« bemerkte Frau Bigiel.

Er aber breitete seine langen Arme aus, mit denen er stets zu gestikulieren pflegte, wenn er, seine Schüchternheit vergessend, unbefangen redete, und rief: »Ach, Wahrheit ist doch im Leben wie in der Kunst das Wünschenswerteste.«

Jetzt aber trat Frau Polaniecki für die Damen ein. »Die Menschen, besonders alle Herren,« behauptete sie, »sind häufig ungerecht und verwechseln Vermutungen und Annahmen mit wirklichen Thatsachen. Und Sie sind gar nicht so bieder, wie Frau Bigiel meint,« fügte sie schließlich hinzu, »denn jene Damen sind des Lobes voll über Sie, und Sie verleumden die armen Wesen.«

»Ach, Du bist gar zu naiv,« rief Polaniecki mit der ihm gewohnten Lebhaftigkeit, »und mißt alle Menschen mit Deinem eigenen Maße. Eine solch oberflächliche Höflichkeit beruht nur auf einem gewissen Egoismus, auf dem Wunsche, alles um sich her vergnügt und zufrieden zu sehen. Wenn Sie doch die Wahrheit und Aufrichtigkeit so vergöttern,« wandte er sich dann an Zawilowski, »da – hier sitzt sie, hier haben Sie einen echten Typus.«

»Das weiß ich, das weiß ich,« entgegnete Zawilowski eifrig.

»Und möchtest Du, daß es anders wäre?« fragte Marynia lachend ihren Mann.

Er lachte gleichfalls und sagte: »Nein, das möchte ich freilich nicht. Doch betrachte ich es andrerseits für ein großes Glück, daß Du nicht klein bist und um diesem Mißstand abzuhelfen, Korksohlen tragen mußt, denn sonst würdest Du über diesen Betrug der Menschheit gegenüber an einer chronischen Entzündung des Gewissens leiden.«

Zawilowski blickte unwillkürlich auf Marynias Füße, sie aber verbarg beide rasch unter dem Stuhle und fragte, um dem Gespräche eine andere Wendung zu geben: »Wird Ihr Buch bald erscheinen?«

»Es wäre schon längst erschienen,« erwiderte Zawilowski, »wenn ich dem Bändchen nicht noch zuletzt ein Gedicht hinzugefügt hätte, wodurch sich die Ausgabe verzögert hat.«

»Und darf man den Titel dieses Gedichtes wissen?«

»Die Lilie.«

»Ist es eine bestimmte Lilie – Lineta?«

»Nein, gnädige Frau, nicht Lineta.«

Marynia wurde plötzlich sehr ernst. Sie erriet sofort, daß das Gedicht an sie gerichtet war, und der Gedanke, mit Zawilowski ein Geheimnis zu haben, berührte sie unangenehm. Zum erstenmal sah sie ein, in welch seelischen Zwiespalt selbst die unschuldigste, treueste Ehefrau geraten kann, wenn sie einem fremden Mann nicht mehr gleichgültig ist, zum erstenmal war sie ärgerlich über Zawilowski, der dies mit seinen Künstlernerven augenblicklich empfand. Da es ihm indessen an jeder Erfahrung mangelte, nahm er die Sache gleich tragisch, stellte sich vor, Marynia verachte ihn nicht nur, sondern werde ihm auch sicherlich das Haus verbieten, und bei dem Gedanken, er könne sie nun nicht mehr sehen, erschien ihm die ganze Welt mit einem Schlage wie ein Jammerthal. Er war eine echte Künstlernatur, voll Egoismus, voll Phantasie und voll sensitiver, fast weiblicher Weichheit, die der Wärme und Liebe bedarf. Wie übrigens die meisten Künstler besaß Zawilowski bei der Fähigkeit eines idealen Gedankenaufschwunges auch leicht erregbare Sinne, nur hatte er Marynia mit einem solch heiligen Strahlenkranz umwoben, daß jede niedere Regung in ihrer Gegenwart schlief, ja, es hätte ihn aufs tiefste verletzt, wenn sie aufgehört haben würde, das für ihn zu sein, was sie tatsächlich war – ein fehlerloses Wesen. Weshalb sollte er sie aber nicht als sein Ideal verehren, weshalb durfte er nicht von ihr träumen, sie in Gedichten verherrlichen? Eines begriff er jedoch: er mußte sich besser beherrschen lernen, er wollte und mußte ein Mittel finden, um Marynia noch öfter sehen zu können, als dies bis jetzt der Fall gewesen. Er brauchte nicht lange zu überlegen, bald war er zu einem Resultat gelangt.

»Ich gebe mir den Anschein, in Fräulein Castelli verliebt zu sein,« sagte er sich, »und mache Frau Polaniecki zu meiner Vertrauten. Das wird uns jedenfalls noch näher bringen, als wir uns jetzt schon stehen. Ich darf dies ungescheut thun, denn sie ist mir eine Heilige.«

Seine reiche Phantasie kam ihm bei all dem ungemein zustatten. Er sah sich vor Marynia stehen, er sah, wie sie seinen Worten mit vor Mitleid feuchten Augen lauscht, wie sie ihm, gleich einer Schwester, beschwichtigend die Hand auf die Stirn legt, und so sehr versetzte er sich in die Situation, daß er über seine Beichte selbst tief gerührt war.

Während sich Marynia mit ihrem Manne auf dem Heimwege befand, kam ihr das Gedicht »die Lilie« nicht aus dem Sinn. Sie war einesteils ein wenig neugierig, andernteils ein wenig ängstlich. Bereiteten ihr doch die Schwierigkeiten Sorge, die sich möglicherweise aus ihrem Verhältnis zu Zawilowski entwickeln konnten.

»Weißt Du, worüber ich nachdenke?« wandte sie sich mit einem Male an Polaniecki. »Ein Mädchen wie Lineta wäre doch für Zawilowski das große Los.«

»Ich möchte mir wissen, weshalb Ihr Euch in den Kopf gesetzt habt, Zawilowski mit jener Bohnenstange zusammenzubringen!« bemerkte Polaniecki.

»Ich habe es mir durchaus nicht in den Kopf gesetzt,« erklärte Marynia, »ich finde nur, daß die Idee Aneta Osnowskis eine recht gute ist. Sie ist Feuer und Flamme dafür.«

»Ach was, Feuer und Flamme! Verrückt ist sie. Glaube mir nur, mit ihrer Naivität ist es nicht so weit her; bei allem, was sie thut, denkt sie zuerst an ihr liebes Ich. Hinter der ganzen Sache steckt etwas. Fräulein Castellis Wohl liegt ihr nicht allein am Herzen.«

»Was kann es aber sonst sein?«

»Darüber grüble ich nicht lange. Die Geschichte geht mich ja auch nichts an. Diese Frauen vermögen mir nun einmal kein Zutrauen einzuflößen.«

Die weitere Unterhaltung wurde durch Maszko unterbrochen, der gerade in dem Augenblick in einer Droschke vor dem Hause anfuhr, als Marynia und Polaniecki ihr Heim erreicht hatten. Maszko eilte sofort auf Marynia zu, um sie zu begrüßen, dann sagte er zu Polaniecki: »Gut, daß ich Dich treffe. Morgen verreise ich nämlich auf einige Tage, und da heute Termin ist, bringe ich Dir Dein Geld. Ich war eben bei Ihrem Vater, gnädige Frau,« wandte er sich hierauf wieder an Marynia. »Herr Plawicki sieht vortrefflich aus, sprach mir aber davon, wie sehr er sich nach der Bewirtschaftung eines Gutes sehne und deshalb überlege, ob er nicht ein kleines Grundstück in der Nähe der Stadt kaufen solle. Ich verwies ihn natürlich auf unseren Prozeß, denn falls wir ihn gewinnen, kann er Ploszow bewirtschaften.«

Da Marynia sich von der leichten Ironie, die in diesen Worten lag, etwas verletzt fühlte, wollte das Gespräch nicht recht in Fluß kommen, so daß nach einer Weile Polaniecki den jungen Advokaten aufforderte, ihm in sein Privatzimmer zu folgen.

»Es geht also alles nach Wunsch?« fragte er hier.

»Gewiß,« entgegnete Maszko. »Ich habe die Zinsen mitgebracht, die Dir von dem Kapitale zukommen. Sei so gut und quittiere mir die Zahlung.«

Nachdem Polaniecki die Quittung ausgestellt hatte, fuhr Maszko fort:

»Jetzt möchte ich übrigens noch eine andere Angelegenheit mit Dir besprechen. Ich verkaufte Dir seiner Zeit den Eichenwald in Krzemien unter der Bedingung, daß ich ihn jederzeit wieder bekommen könne, wenn ich den Preis und die Zinsen zurückzahle. Diese Bedingung erfülle ich nun. Hier ist der Preis, hier sind die Zinsen. Ich hoffe, daß Du gegen die Erfüllung der Bedingungen nichts einzuwenden hast, und ich meinerseits kann Dir meinen Dank abstatten, denn Du hast mir damals einen großen Dienst erwiesen. Ich bin jederzeit zu Gegendiensten bereit. Solltest Du mich daher zu irgend einer Zeit brauchen, so wende Dich ohne Umstände an mich. Du weißt, daß ich gern dankbar bin.«

Dieser Affe fängt wohl an, mich protegieren zu wollen, dachte Polaniecki, und zweifellos hätte er diesem Gedanken Ausdruck verliehen, wenn er nicht bei sich zu Hause gewesen wäre. So aber bezwang er sich und bemerkte nur: »Ich habe ganz und gar nichts einzuwenden. Ich betrachte das alles als reine Geschäftssache.«

»Um so mehr schätze ich Deine Handlungsweise,« erklärte Maszko in gütigem Tone.

»Doch erzähle mir einmal, wie es überhaupt bei Dir steht,« ergriff Polaniecki jetzt das Wort. »Wie ich sehe, fährst Du mit vollen Segeln. Was hältst Du von dem Prozeß?«

»Mein Gegner, der Vertreter der verschiedenen philanthropischen Anstalten, ist ein junges Rechtsanwältchen, Namens Sledz.Sledz soviel wie Häring. Ein schöner Name, nicht? Doch ich werde diesen Sledz gehörig verpfeffern und ihn einfach auffressen. Du willst wissen, wie der Prozeß steht. Der Prozeß steht großartig. Voraussichtlich werde ich nach dessen Beendigung die Advokatur niederlegen, die ohnehin keine passende Beschäftigung für mich ist, und mich dauernd in Krzemien niederlassen.«

»Mit barem Geld in der Tasche?«

»Mit barem Geld in der Tasche, und noch dazu mit viel barem Geld. Ich habe die Advokatur längst satt. Außerdem zieht es jeden, der auf dem Lande geboren ist, wieder aufs Land. Das liegt einmal im Blute. Doch genug davon. Morgen reise ich. Ach ja, ich habe es Dir ja schon gesagt. Ich möchte Euch nur noch meine Frau ans Herz legen. Sie wird ganz allein sein, da Frau Kraslawski gerade nach Wien zu einem Augenarzt gefahren ist. Die Osnowskis will ich auch noch bitten, sich ihrer ein wenig anzunehmen.«

»Wir werden uns mit dem größten Vergnügen häufig nach Deiner Frau umsehen,« erklärte Polaniecki. »Kennst Du die Osnowskis schon lange?«

»Oh ja! Meine Frau kennt sie übrigens schon länger. Er ist sehr reich. Da seine einzige Schwester jung gestorben ist, erbte er von einem Geizhals von Onkel ein großes Vermögen. Ueber Frau Osnowski läßt sich nicht viel sagen. Schon als junges Mädchen las sie alles, was ihr in die Hände kam, besaß schon damals die Prätension, für geistreich und künstlerisch beanlagt zu gelten, und war sterblich in Kopowski verliebt. Und was sie sich jetzt erst einbildet, läßt sich schwer sagen.«

»Und Frau Bronicz und Fräulein Castelli?«

»Fräulein Castelli gefällt den Frauen besser als den Herren. Wie ich höre, bewarb sich Kopowski um ihre Hand, oder vielmehr, er bemüht sich noch darum, und . . . Frau Bronicz wurde von dem Chedive persönlich auf die Pyramide des Cheops geführt, der verstorbene Alfons von Spanien sagte ihr tagtäglich in Cannes: »Bon jour, Madame la comtesse.« Musset schrieb ihr im Jahre 56 Gedichte ins Album, und Moltke saß stundenlang auf einem Koffer bei ihr in Karlsbad. In ihrer Einbildung wohnte sie auch allen Krönungen bei. Seitdem indessen Fräulein Castelli erwachsen ist, oder vielmehr seitdem sie fünf Fuß und etliche Zoll groß ist, setzt Tante Süße all diese merkwürdigen Erlebnisse nicht mehr auf ihr eigenes Konto, sondern auf das ihrer Nichte, wobei ihr seit einiger Zeit Frau Osnowski so getreulich hilft, daß es leicht zu erraten ist, was sie damit bezwecken. Herr Bronicz ist vor ungefähr sechs Jahren gestorben. Durch welche Krankheit er hinweggerafft wurde, läßt sich nicht feststellen, da Frau Bronicz jedesmal eine andere erfindet, wenn man sie darnach frägt. So, jetzt weißt Du alles, was ich weiß. Vanity fair! Lebe wohl, halte Dich weiter gut, und wenn Du meiner je bedarfst, so kannst Du auf mich zählen. Am liebsten möchte ich Dir das Versprechen abnehmen, Dich im Falle der Not an niemand anders zu wenden, als an mich.«

Nach diesen Worten schüttelte Maszko dem Freunde mit unbeschreiblichem Wohlwollen die Hand und empfahl sich. Polaniecki schaute ihm etwas verblüfft nach, dann murmelte er, die Achseln zuckend, vor sich hin: »Mich wundert nur, daß er mir nicht protegierend auf die Schulter geklopft hat. Vanity fair, Vanity fair. Er ist doch ein so schlauer, kluger Kopf und merkt nicht, wie entsetzlich eitel er selbst ist; schade, er war auf dem besten Wege, einfach und natürlich zu werden. Kaum ist aber die Not vorüber, gewinnt der Teufel wieder die Oberhand. Waskowski hat ganz recht mit dem, was er über die Eitelkeit und das Komödiantentum sagt. Und doch geht es solchen Menschen bei uns gut.


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