Henryk Sienkiewicz
Die Familie Polaniecki
Henryk Sienkiewicz

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Vierzehntes Kapitel

»Auf Geldgewinn bin ich niemals aus gewesen,« sagte Herr Plawicki, »wenn aber die Vorsehung in ihrem unerforschlichen Ratschluß es so wollte, daß wenigstens ein Teil dieses großen Vermögens in unsre Hände käme, will ich ihr nichts in den Weg legen. Für mich kommt dies ja freilich nicht mehr in Betracht, denn binnen kurzem werden vier Bretter alles sein, was ich nötig habe, und Marynia, für die ich lebte, wird mir heiße Thränen nachweinen. Aber hier handelt es sich vornehmlich um sie, um mein geliebtes Kind.«

»Ich bitte Sie, zu erwägen,« bemerkte Maszko kalt, »daß das erstens sehr ungewisse Aussichten sind.«

»Weshalb sollte man sie aber nicht wenigstens in Betracht ziehen?«

»Zweitens, daß Fräulein Ploszowski noch lebt.«

»Aber sie gleicht einer baufälligen Hütte und wird nicht mehr lange leben.«

»Drittens kann das Vermögen für gemeinnützige Zwecke testiert werden.«

»Als ob man dem nicht entgegentreten könnte!«

»Viertens ist Ihre Verwandtschaft mit der Familie Ploszowski eine außerordentlich weitläufige.«

»Es leben aber keine näheren Verwandten.«

»Polaniecki ist doch auch ein Verwandter von Ihnen?«

»Durchaus nicht. Er ist ein Verwandter meiner ersten Frau, das ist alles.«

»Und Bukacki?«

»Beruhigen Sie sich, er ist ein Vetter der Frau meines Schwagers.«

»Und andre Verwandte haben Sie nicht?«

»Die Gątowskis auf Jalbrzykow betrachten sich als Verwandte von uns. Mit welchem Recht? ich weiß es nicht. Die meisten Leute behaupten stets das, was ihnen schmeichelt.«

Maszko legte absichtlich alle Schwierigkeiten dar, um dann mit größerer Wirkung auf einen möglichen Erfolg hinweisen zu können, daher sagte er: »Bei uns zu Lande sind die Leute geradezu auf Erbschaften erpicht, und sobald sich auch nur die leiseste Hoffnung auf eine solche zeigt, fliegen sie von allen Seiten herbei, wie die Sperlinge auf den Weizen. In derartigen Angelegenheiten kommt es hauptsächlich darauf an, wer sich zuerst meldet, bei wem man sich meldet, und schließlich durch wen man sich meldet. Bedenken Sie, daß ein thatkräftiger Mensch, der in solchen Fragen Bescheid weiß, aus nichts etwas machen kann, während ein Mensch ohne Energie und Geschäftskenntnisse schwerlich etwas erreichen wird, wenn er auch scheinbar eine große Thätigkeit entfalten mag.«

»Das weiß ich aus Erfahrung,« entgegnete Plawicki.

»Außerdem würden Sie ein Spielball in der Hand der Advokaten sein und grenzenlos ausgebeutet werden.«

»Gegebenen Falles würde ich auf Sie, als auf unsern Freund rechnen.«

»Und Sie täuschten sich nicht,« erklärte Maszko feierlich. »Sowohl für Sie, wie für Fräulein Marynia hege ich eine so innige Freundschaft, als ob Sie Familienangehörige von mir wären.«

»Im Namen der Verwaisten danke ich Ihnen,« erwiderte Herr Plawicki, so gerührt über die eigenen Worte, daß er kaum weiter zu sprechen vermochte.

Maszko nahm eine sehr feierliche Miene an und bemerkte: »Mit der größten Bereitwilligkeit vertrete ich Sie sowohl in diesem Falle, in dem jedoch möglicherweise gar nichts erreicht werden kann, wie in allen andern – sofern Sie mir nur das Recht dazu einräumen.«

Der junge Advokat ergriff die Hände Plawickis: »Verehrter Herr,« rief er, »Sie ahnen, wovon ich sprechen will, ich bitte Sie daher, mich geduldig anzuhören.«

Dann dämpfte er, obgleich niemand außer ihnen im Zimmer anwesend war, die Stimme und sprach mit großer Emphase über die Selbstbeherrschung und Mäßigung, deren sich jeder Mensch befleißen sollte, über die Notwendigkeit, niemals zu vergessen, wer man sei und was man darzubieten habe. Plawicki schloß von Zeit zu Zeit die Augen und sagte am Schlusse der Unterredung:

»Gehen Sie in den Salon. Ich schicke Marynia dorthin. Was sie Ihnen antworten wird, weiß ich nicht. Gottes Wille geschehe. Ich habe Sie von jeher geschätzt, und deshalb . . .«

Er öffnete die Arme und Maszko neigte sich gegen ihn, indem er nicht ohne Rührung, wenngleich mit großer Würde wiederholte: »Ich danke, ich danke.«

Nach einigen Minuten befand er sich im Salon.

Marynia erschien, etwas bleich, aber ruhig. Maszko rückte ihr einen Sessel zurecht, setzte sich ihr gegenüber und begann folgendermaßen: »Ich bin mit Erlaubnis Ihres Herrn Vaters hier, durch Worte kann ich Ihnen nicht mehr sagen, als was Ihnen schon mein Schweigen ausdrücken mußte. Sie haben mich ja auch längst durchschaut. Jetzt scheint mir aber der Augenblick gekommen zu sein, um das Gefühl, das ich für Sie hege, beim Namen zu nennen, und ich thue es im Vertrauen auf Ihr Herz, auf Ihren Charakter. Ich liebe Sie, ich bin ein Mensch, an dem Sie eine Stütze haben werden, und ich bitte Sie inständig, mein Weib zu werden.«

Ein minutenlanges Schweigen trat ein. Marynia schien nach Worten zu ringen; schließlich erwiderte sie: »Ich fühle mich verpflichtet, Ihnen eine offene, unumwundene Antwort zu geben. Das Bekenntnis wird mir schwer, sehr schwer, aber ich möchte nicht, daß ein solcher Mensch wie Sie in einer Täuschung befangen bleibt; ich liebe Sie nicht, und kann niemals Ihr Weib werden.«

Maszkos stets gerötetes Antlitz wurde womöglich noch röter, seine Augen nahmen einen harten, kalten Ausdruck an.

»Ihre Antwort lautet sehr entschieden,« bemerkte er, sich gewaltsam zusammennehmend, »und ist für mich ebenso schmerzlich, wie unerwartet. Weshalb wollen Sie mich aber sofort abweisen und sich nicht einige Tage Bedenkzeit gönnen?«

»Sie sagten ja selbst, daß ich Sie wohl längst durchschaut habe. Ich hatte daher genügend Zeit, mit mir zu Rate zu gehen und meine Antwort genau zu überlegen.«

Maszkos Stimme wurde jetzt trocken und scharf.

»Wollen Sie nun selbst darüber urteilen, gnädiges Fräulein, ob Sie mir durch Ihr Benehmen nicht das Recht zugestanden haben, eine solche Bitte zu wagen?«

Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß Marynia ihm sagen werde, ihr Benehmen sei von ihm falsch gedeutet worden, sie sei sich keiner Handlung bewußt, die ihn zu irgend welcher Hoffnung habe berechtigen können, mit einem Wort: er war überzeugt, daß sie Ausflüchte gebrauchen werde. Aber sie richtete ihre klaren Augen auf ihn und sagte: »Mein Benehmen Ihnen gegenüber war keineswegs so, wie es hätte sein sollen; ich bekenne mich schuldig und bitte von Herzen dafür um Verzeihung.«

Maszko fühlte sich geschlagen. Eine Frau, die ihre Schuld eingesteht, entwaffnet jeden Gegner, der von Natur, oder wenigstens infolge der Erziehung noch einen Funken ritterlichen Gefühles besitzt.

Jeder Nerv an ihm bebte vor Zorn und gekränkter Eigenliebe, allein er bezwang sich, nahm seinen Hut und sich Marynia nähernd, führte er deren Hand an seine Lippen.

»Ich wußte, daß Ihnen Krzemien ans Herz gewachsen ist,« sagte er, »und ich kaufte das Gut einzig und allein zu dem Zwecke, um es Ihnen zu Füßen zu legen. Jetzt sehe ich, daß ich einen falschen Weg eingeschlagen habe. Für meinen Irrtum bitte ich um Verzeihung. Eine Schuld Ihrerseits hat nie bestanden. Ihre Ruhe gilt mir mehr, als mein eigenes Glück. Gewähren Sie mir daher eine einzige Gnade: Machen Sie sich keine Vorwürfe. Und nun leben Sie wohl.«

Er verneigte sich und ging.

Lange Zeit saß Marynia unbeweglich da. Ein tiefer Schmerz spiegelte sich auf ihrem bleichen Antlitz. Niemals hätte sie Maszko solch edler Regungen fähig gehalten, und immer und immer wieder kam ihr der Gedanke: Polaniecki beraubte mich Krzemiens, um zu seinem Gelde zu kommen, Maszko aber kaufte es, um es mir zurückzugeben. Noch nie zuvor war ihr jener so fern gestanden wie in diesem Augenblick. Sie bedachte erstens nicht, daß Maszko das Gut nicht von Polaniecki, sondern von ihrem Vater gekauft hatte, zweitens, daß er es sehr vorteilhaft erworben hatte, drittens, daß er es ihr zwar zu Füßen legen, es sich aber auch mit ihrer Hand wieder sichern und sich gleichzeitig von der Zahlung befreien wollte, die schwer auf ihm lastete. Maszkos Benehmen machte einen derartigen Eindruck auf sie, daß sie ihn fast zurückgerufen hätte, aber trotzdem sie sich sagte, sie sei dazu verpflichtet, fehlte ihr doch die Kraft zur Ausführung. Sie ahnte auch nicht, in welch verzweifelter, ja wütender Stimmung Maszko von ihr gegangen war. Denn in der That, ein gefährlicher Abgrund thut sich vor ihm auf.

Bei all seiner Berechnung hatte er sich getäuscht; mit seiner Werbung war er von dem Mädchen, das er thatsächlich liebte, abgewiesen worden, und wenn sie sich auch ihm gegenüber der schonendsten Worte bedient hatte, fühlte er sich doch gedemütigt wie noch niemals im Leben. Bei all seinen bisherigen Unternehmungen hatte er auf die eigene Kraft mit dem unerschütterlichen Glauben vertraut, daß ein günstiges Resultat gewiß sei. Die abschlägige Antwort Marynias raubte ihm diese Sicherheit. Zum ersten Male zweifelte er an sich, zum ersten Male überschlich ihn das Gefühl, sein Stern könne im Erbleichen sein, es gehe abwärts mit ihm.

Maszko hatte zwar Krzemien unter ausnehmend günstigen Bedingungen gekauft, aber das Gut war zu groß im Verhältnis zu den Mitteln, über die er verfügte. Hätte Marynia ihn nicht abgewiesen, würde er sich Rats gewußt haben; er wäre dann weder gezwungen gewesen, für die lebenslängliche Rente des Herrn Plawicki aufzukommen, noch an die Bezahlung der Summe zu denken, die, dem Vertrage gemäß, Marynia für Magierow zukam. Welchen Anforderungen sollte er gerecht werden! Marynia, Polaniecki und vor allem die auf Krzemien lastenden Schulden mußten bezahlt werden. Denn je länger er die Regelung der letzteren anstehen ließ, desto mehr vergrößerten sie sich und drohten völligen Ruin herbeizuführen. Dabei hatte er alles auf Kredit unternommen, der bis jetzt freilich unerschüttert war, den er aber aufs äußerste hatte anspannen müssen. Und wurde ihm der Kredit von irgend einer Seite gekündigt, so war alles verloren. Das fühlte Maszko sehr wohl.

Mittlerweile war Herr Plawicki in dem Salon erschienen, in dem Marynia noch immer saß.

»Du hast ihn abgewiesen,« begann er, »sonst hätte er vor seinem Weggehen sicherlich bei mir vorgesprochen.«

»Ja, Papa.«

»Was antwortete er Dir?«

»All das, was ein solch edler Mensch antworten kann.«

»Ein neues Unglück,« klagte Herr Plawicki. »Wer weiß, ob Du mir damit nicht das letzte Stückchen Brot raubtest! Doch ich wußte, daß Du keine Rücksicht auf mich nehmen würdest.«

»Ich konnte nicht anders handeln!«

»Ich will Dich zu nichts zwingen; lebe wohl, ich weiß, wo ich meinem Kummer freien Lauf lassen kann, wo jede Thräne des alten Mannes beachtet werden wird.«

Und er begab sich zu Lours, um dem Billardspiele zuzusehen. Zuerst hatte er daran gedacht, Maszko aufzusuchen, allein im Grunde betrachtete er ihn durchaus nicht als eine wünschenswerte Partie, und er sagte sich im stillen, daß sein Kind eine viel bessere Wahl treffen könne. Er nahm sich daher das Vorkommnis auch lange nicht so sehr zu Herzen, wie es den Anschein hatte.

Marynia suchte nach Verlauf einer halben Stunde Frau Emilie auf.

»Eine Last ist mir vom Herzen gefallen,« rief sie sofort, nachdem sie eingetreten war: »Ich wies Maszko heute entschieden ab.«

Schweigend schloß Emilie sie in die Arme.

Marynia fuhr fort: »Er thut mir leid, denn er benahm sich außerordentlich zartfühlend, und wenn ich auch nur ein Fünkchen Liebe für ihn empfände, würde ich ihn noch heute zurückrufen.«

Hierauf erzählte sie Emilie das ganze Gespräch mit Maszko. Er hatte sich ganz tadellos benommen, das unterlag keinem Zweifel, und Emilie gab ihrem Staunen darüber rückhaltlos Ausdruck, weil sie Maszko für gewaltthätig hielt und nicht erwartet hatte, daß er solche Mäßigung, solchen Edelmut zeigen werde.

»Meine liebe Emilie,« ergriff nun Marynia das Wort, »ich kenne Deine Freundschaft für Polaniecki; sei aber nun einmal gerecht, vergleiche diese beiden Menschen miteinander und beurteile sie nach ihren Handlungen, nicht nach ihren Worten.«

»Niemals werde ich diese beiden miteinander vergleichen,« rief Emilie, »das ist ja bei solch verschiedenen Naturen gar nicht möglich. Ich stelle Herrn Stanislaus ungleich höher als Maszko und finde, daß Du ihn ganz unbillig beurteilst. Du hast auch unrecht mit Deiner Behauptung, der eine habe Dich Krzemiens beraubt, der andere habe es Dir zurückgeben wollen. So liegt die Sache nicht. Herr Polaniecki hat Dir Krzemien durchaus nicht geraubt und würde es Dir, wenn er könnte, herzlich gern zurückgeben. Aus Dir spricht eine vorgefaßte Meinung.«

»Ganz und gar nicht. Ich gehe von Thatsachen aus, die nicht abgeleugnet werden können.«

»Und ich sage Dir, Marynia,« rief Frau Emilie, indem sie dicht vor ihre junge Freundin trat, »daß Du nicht mehr objektiv zu urteilen vermagst. Und weißt Du, weshalb? Weil Dir Polaniecki schon lange nicht mehr gleichgültig ist.«

Marynia zuckte zusammen, als ob Emilie in eine schmerzende Wunde gegriffen habe, und antwortete nach einigen Minuten mit völlig veränderter Stimme:

»Herr Polaniecki ist mir nicht gleichgültig. Du hast recht; aber die Sympathie, die ich für ihn hegte, hat sich in Abneigung verwandelt. Höre, Emilie, was ich Dir nun sage: wenn mir jetzt die Wahl zwischen diesen beiden Männern freistünde, würde ich, ohne einen Moment zu schwanken, Maszko wählen.«

Emilie senkte betrübt das Haupt, gleich darauf hing Marynia an ihrem Hals.

»Ich bedaure unendlich, daß ich Dir einen solchen Kummer verursache, aber ich muß die Wahrheit sagen. Ach, ich weiß nur zu wohl, daß auch Du schließlich aufhören wirst, mich zu lieben, daß ich völlig einsam auf der Welt sein werde.«

Die Freundinnen verabschiedeten sich zwar gleich darauf mit Kuß und Umarmung von einander, aber nichtsdestoweniger fühlten sie, daß etwas Fremdes zwischen sie getreten, daß ihr herzliches Verhältnis, wenn auch vorübergehend, getrübt worden war.

Mehrere Tage hindurch war Frau Emilie mit sich uneins, ob sie Polaniecki die Worte Marynias wiederholen solle, als er sie aber immer eindringlicher um die volle Wahrheit bat, hielt sie es schließlich selbst für besser, seinem Drängen nachzugeben.

Nachdem er alles gehört hatte, meinte er:

»Ich danke Ihnen. Wenn Fräulein Plawicki mich mit Verachtung abweist, muß ich mich darein schicken. Ich habe mein Möglichstes gethan. Sie, gnädige Frau, wissen, daß ich mich aufrichtig bemühte, alles wieder zu sühnen, was ich mir zu schulden kommen ließ, daß ich mich redlich bestrebte, Fräulein Plawicki zu versöhnen. Zu weiteren Zugeständnissen kann ich mich jedoch nicht verstehen. Eine schwere Zeit steht mir bevor, das leugne ich nicht. Ich werde aber die Kraft finden, meine Gefühle für Fräulein Plawicki zu unterdrücken. Das kann ich Sie heilig versichern.«

»Ich glaube Ihnen, aber Sie werden schwer darunter leiden.«

»Was kümmert mich das? Sobald ich es nicht mehr auszuhalten vermag, ernenne ich Sie zu meinem Sachwalter, und ich bin überzeugt, daß, wenn solch geschickte Hände für mich wirken, ein Erfolg nicht ausbleiben kann. Litka wird Sie sicherlich unterstützen. Doch glauben Sie mir, ich werde auch nicht ein einziges Mal murren.«

Nach diesen Worten verabschiedete sich Polaniecki und kehrte nach Hause zurück, ganz erfüllt von dem Glauben an seine Willenskraft, an seine Energie. Diese Stimmung hielt während einiger Tage an. Innerhalb dieser Zeit zeigte sich Polaniecki nirgends als im Bureau, wo er mit Bigiel ausschließlich Geschäftliches besprach. Dabei arbeitete er vom frühen Morgen bis zum späten Abend und gestattete sich auch nicht ein einziges Mal an Marynia zu denken.

In den schlaflosen Nächten konnte er jedoch seinen Gedanken nicht gebieten. Welch reiches Glück er sich verscherzt hatte, wurde ihm klarer und klarer, und diese Gewißheit erfüllte seine Seele mit tiefem Herzeleid. Da aber der Kummer an einem Menschen zehrt wie der Rost am Eisen, verschlimmerte sich der Gemütszustand Polanieckis von Tag zu Tag. Was hatte er mit all seiner Energie erreicht? Oede und leer lag die Zukunft vor ihm, sein Unglück hatte er selbst heraufbeschworen. Seine Liebe zu Marynia wurde immer leidenschaftlicher, ein maßloses Sehnen nach ihr ergriff ihn.

Trotzdem mied er sie. So oft sie bei Frau Emilie war, blieb er weg; über den Zwiespalt, der ihn erfüllte, vermochte er nicht Herr zu werden. Erst als Litka schwer erkrankte, begab er sich tagtäglich zu Frau Emilie, verweilte häufig ganze Tage bei ihr und blieb stundenlang mit Marynia zusammen bei dem kranken Kinde.


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