Edward Bulwer-Lytton
Die letzten Tage von Pompeji
Edward Bulwer-Lytton

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Zweites Kapitel.

Das Amphitheater.

Nydia, welche durch die Aussage Sosia's bei seiner Heimkehr die Gewißheit erlangt hatte, daß ihr Brief in den Händen Sallusts sei, faßte wieder neuen Mut und neue Hoffnung. Sicherlich, so dachte sie, wird Sallust keine Zeit verlieren, sondern eilends den Prätor aufsuchen – zu dem Egypter gehen – sie befreien – und den Kerker des Kalenus öffnen. Noch vor Tagesanbruch wird Glaukus frei sein. Ach! die Nacht verging – der Morgen dämmerte; sie hörte nichts als die raschen Schritte der Sklaven in der Halle und dem Peristyl, sowie ihr Geschrei bei der Vorbereitung zum Schauspiele. Von Zeit zu Zeit drang die befehlende Stimme des Arbaces an ihr Ohr – jetzt vernahm sie das Rauschen der Musik; der Zug ging nach dem Theater, um seine Augen an den Martern des Atheners zu weiden.

Der Zug des Arbaces bewegte sich nur langsam und mit großer Feierlichkeit bis zu dem Orte hin, wo diejenigen, welche in Sänften oder Wagen kamen, absteigen mußten. Arbaces begab sich sofort an das Thor, durch welches der vornehmere Teil der Zuschauer eingelassen wurde. Seine Sklaven, die auf die Seite des gemeinen Volks sich wandten, wiesen die mit Empfangnahme der Marken (die unsern modernen Opernbilleten nicht unähnlich waren) beauftragten Diener in die Popularia (die Sitze des Volks). Jetzt ließ Arbaces von seinem Platze aus die Augen über die zahllose und ungeduldige Menge, welche das gewaltige Theater füllte, hinschweifen.

In den obern Reihen, aber gesondert von den männlichen Zuschauern, saßen die Frauen, ihrer schönen Gewänder wegen einem Blumenbeete gleichend. Es braucht wohl schwerlich bemerkt zu werden, daß sie der gesprächigste Theil der Versammlung waren. Viele Augen blickten nach ihnen, besonders von den Bänken aus, welche die jungen und unverheiratheten Männer einnahmen. Auf den niederen Sitzen, rings um die Arena her, befanden sich die vornehmen und reichen Zuschauer – die obrigkeitlichen Personen, die Senatoren und Ritter.Die Ritter saßen unmittelbar hinter den Senatoren. Die Korridore, welche zu beiden Enden der ovalen Arena zu diesen Sitzen führten, waren auch die Eingänge für die Kämpfer. Starke, längs der genannten Gänge hinlaufende Pfähle schützten gegen die gefährliche Nähe der wilden Thiere und beschränkten dieselben auf die ihnen angewiesene Beute. Rings an der Brustwehr, welche über die Arena emporragte, und von der aus die Sitze stufenweise sich erhoben, erblickte man Gladiatoren, Inschriften und Freskomalereien, welche Scenen aus den Spielen , für die der Platz bestimmt war, vorstellten. Durch das ganze Gebäude liefen unsichtbare Röhren, welche bei vorgerückter Tageszeit einen kühlenden, erquickenden Thau über die Zuschauer ausgossen. Die Aufwärter des Amphitheaters waren noch damit beschäftigt, das ungeheure Zelttuch (Velaria), welches das Ganze bedeckte, auszuspannen. Dieses Dach, dessen Erfindung die Kampanier sich zuschrieben, war aus der weichesten apulischen Wolle verfertigt und mit breiten Scharlachstreifen durchzogen. Heute war es indes, mochte nun die Ungeschicklichkeit der Arbeiter daran Schuld sein, oder ein Fehler in der Maschine stattfinden, nicht mit solcher Genauigkeit und Gleichförmigkeit aufgespannt wie sonst, wiewohl der große Umfang des Theaters dieses Geschäft immerhin sehr schwierig machte und man bei rauhen und windigem Wetter nur selten damit zu Stande kommen konnte. Der heutige Tag jedoch war so ungewöhnlich heiter, daß in den Augen der Zuschauer die Nachlässigkeit der Arbeiter sich mit nichts entschuldigen ließ, und als immer noch eine große Öffnung in der Decke zu sehen war, weil ein Theil des Tuches trotz aller Anstrengung sich nicht ausspannen lassen wollte, wurde das Murren unter dem mißvergnügten Volke laut und allgemein.

Besonders blickte der Aedil Pansa, auf dessen Kosten das Schauspiel gegeben wurde, mit großem Ärger nach der Lücke in der Belaria, und schwur dem Villicus oder Aufseher über die Arbeiter, der sich jedoch vergeblich alle mögliche Mühe gab, bittere Rache.

Auf einmal zogen sich die Arbeiter zurück, das Volk wurde ruhig, die Öffnung in der Decke war vergessen, als unter lautem und kriegerischem Trompetengeschmetter die Gladiatoren in der schönsten Ordnung die Arena betraten. Sie maßen die ovale Rundung derselben mit langsamen und bedächtigen Schritten, damit die Zuschauer mit Muße ihre kampfesmuthigen Gesichter, ihre kraftvollen Glieder und muskulösen Arme betrachten und Wetten eingehen könnten, wie die Aufregung des Augenblicks sie veranlaßte.

»Oh!« rief die Wittwe Fulvia der Gemahlin Pansa's, als Beide sich von ihrer hohen Bank niederbeugten, zu, »siehst Du jenen riesigen Gladiator? Wie drollig ist er aufgeputzt?«

»Ja,« sagte die Frau des Aedils mit selbstgefälliger Miene, denn sie kannte alle Namen und Eigenschaften der Kämpfer; »er ist ein Retiarius oder Netzwerfer, und, wie Du siehst, bloß mit einem dreizackigen Speere und einem Netze bewaffnet; auch trägt er keine Rüstung, sondern nur die Binde und die Tunika. Er ist ein kräftiger Mann und muß mit Sporus fechten, jenem stämmigen Gladiator mit dem runden Schilde und dem kurzen Schwerte. Sporus trägt ebenfalls keine Rüstung; auch hat er seinen Helm noch nicht aufgesetzt, damit man sein Gesicht sehen kann; wie furchtlos blickt er drein! nachher wird er mit geschlossenem Visire kämpfen.«

»Aber sag einmal, sind nicht Netz und Speer unzulängliche Waffen gegen Schild und Schwert?«

»Wie unerfahren Du doch in dergleichen Dingen bist, meine liebe Fulvia; der Netzwerfer ist im Vortheil gegen ihn.«

»Aber wer ist jener schöne, fast ganz nackte Gladiator? Ist das nicht sehr unschicklich? Bei der Venus, wie herrlich geformt sind seine Glieder!«

»Es ist Lydon, auch ein Neuling in der Fechtkunst; er hat die Kühnheit, mit jenem andern ähnlich gekleideten – oder vielmehr nicht gekleideten Gladiator, welcher Tetraides heißt, kämpfen zu wollen. Der Kampf wird, nach griechischer Art, mit dem Cestus geführt; nachher legen sie eine Rüstung an und versuchen Schwert und Schild.«

»Ein hübscher Mann dieser Lydon; sicherlich sind die Frauen auf seiner Seite.«

»Jedoch nicht die erfahrenen Wetter; Klodius bietet Drei gegen Eins wider ihn.«

»O Himmel, wie schön!« rief die Wittwe aus, als zwei Gladiatoren vom Kopf bis zu Fuß bewaffnet auf leichten anmuthigen Pferden über die Arena ritten. Mit ihren Lanzen und runden, kunstvoll gearbeiteten Schildern glichen sie viel den Rittern bei den mittelalterlichen Turnieren; ihre eiserne Waffenrüstung bedeckte jedoch nur die Lenden und den rechten Arm; kurze, bis zum Sattel reichende Röcke verliehen ihrem Kostüme ein anmuthiges, malerisches Aussehen; ihre Beine waren nackt, an den Füßen trugen sie jedoch gerade über dem Knöchel befestigte Sandalen. »O, herrlich! Wer sind diese?« fragte die Wittwe.

»Der eine heißt Berbix – er war Sieger in zwölf Wettkämpfen; der andere führt den stolzen Namen Nobilior. Beide sind Gallier.«

Während dieses Gesprächs war die ceremonielle Einleitung zu dem Schauspiele getroffen. Hierauf folgte zwischen den für einander bestimmten Gladiatoren ein Scheinkampf mit hölzernen Schwertern. Besonders wurde der Geschicklichkeit zweier römischer Gladiatoren, welche man für diesen Tag gedungen hatte, allgemeine Bewunderung, und nach ihnen glänzte hauptsächlich Lydon in der Kunst des Wettkampfes; dieses Scheingefecht dauerte indes nicht über eine Stunde, und fand auch unter den Zuschauern nur wenig Beachtung, außer bei den Kennern der Arena, welchen die künstlerische Gewandtheit über den rohen Kampf ging. Der größere Theil der Zuschauer aber freute sich, als es vorüber war, weil er mehr eine Erschütterung durch Scenen des Schreckens liebte. Die Kämpfer wurden jetzt, wie zuvor verabredet, in Paare gereiht; ihre Waffen wurden geprüft, und die ernsten Spiele des Tages begannen unter dem tiefsten Stillschweigen, welches nur durch eine rauschende, kriegerische Musik unterbrochen wurde.

Es war im Alterthum sehr gewöhnlich, die Spiele mit dem grausamsten von allen zu beginnen. Ein Bestiarius, oder ein für die wilden Thiere bestimmter Gladiator, mußte als Einweihungsopfer zuerst sterben. Der erfahrene Pansa aber hielt es diesmal für angemessener, das blutige Schauspiel allmählig an Interesse zunehmen zu lassen und es sollte daher die Ermordung des Glaukus und Olinth die Schlußscene bilden. Der Anordnung gemäß mußten zuerst die beiden Reiter auftreten; dann, und zwar paarweise, die Gladiatoren zu Fuß; nach ihnen kam die Reihe an Glaukus, der durch seinen Kampf mit dem Löwen die Wildheit des Schauspiels zu steigern hatte, und für das Ende waren der Tiger und der Nazarener aufbewahrt. Bei den Schauspielen zu Pompeji muß übrigens der Kenner der römischen Geschichte seiner Einbildungskraft Schranken setzen, und darf namentlich nicht jene ungeheuren, abscheulichen Schlächtereien erwarten, womit ein Nero oder Kaligula die Bewohner der Kaiserstadt bewirtheten. Den römischen Schauspielen, welche die berühmtesten Gladiatoren und eine Anzahl ausländischer Raubthiere verschlangen, muß man es zuschreiben, daß in den kleineren Städten des Reichs die amphitheatralischen Scenen verhältnismäßig menschlich und selten waren; und in dieser, so wie noch in anderer Hinsicht, konnte man Pompeji das Minitaturbild, den Mikrokosmos von Rom nennen. Dessen ungeachtet waren die Schauspiele, welche daselbst gegeben wurden, immer noch grausam, und glücklicher Weise hat die neuere Zeit ihnen nichts Ähnliches an die Seite zu setzen. man denke sich ein ungeheures Theater, das sich stufenweise zu einer Höhe von fast fünfhundert Fuß erhebt und mit fünfzehn- bis achtzehntausend Menschen angefüllt ist, die keinem fingirten Spiele, keiner Bühnentragödie, sondern dem wirklichen Siege oder der wirklichen Niederlage, dem triumphirenden Leben oder dem blutigen Tode Aller, welche die Arena betraten, ihre Aufmerksamkeit schenkten.

Die zwei Ritter waren jetzt bei den Enden der Schranken (wenn dieser Name hierher paßt) und auf ein von Pansa gegebenes Zeichen sprengten die Kämpfer, jeder seinen runden Schild vorhaltend und seinen leichten, aber starken Speer schwingend, aufeinander los; drei Schritte von dem Gegner entfernt machte jedoch das Pferd des Berbix plötzlich Halt, drehte sich um, und als Nobilior rasch vorbeiflog, stieß Berbix mit der Lanze nach ihm. Nobilior aber fing den Stoß, der leicht hätte tödtlich sein können, durch eine geschickte Wendung des Schildes auf.

»Herrlich parirt, Nobilior!« rief der Prätor und gab dadurch der Aufregung des Volkes den ersten Anstoß.

»Wacker gestoßen, mein Berbix!« bemerkte Klodius von seinem Sitze aus.

Ein wildes, vielstimmiges Gemurmel hallte jetzt durch das Theater.

Obwohl die Visire beider Reiter (wie bei den Rittern späterer Zeit) vollkommen geschlossen waren, so wurden doch gegen den Kopf die Hauptangriffe gerichtet, und Nobilior, der jetzt sein Pferd eben so geschickt, wie sein Gegner, umlenkte, machte mit seinem Speer eine Finte gegen den Helm des Feindes. Berbix erhob den Schild, um sich zu decken; aber sein scharfblickender Gegner ließ plötzlich seine Waffe etwas sinken und stieß ihm dieselbe in die Brust. Berbix wankte und fiel.

»Nobilior! Nobilior!« jauchzte das Volk.

»Ich habe zehn Sesterzen verloren,« murmelte Klodius zwischen den Zähnen.

»Habet! Er ist getroffen!« sagte Pansa bedächtlich.

Das Volk, welches noch nicht grausam genug gestimmt war, gab das Zeichen der Gnade; aber als die Kampfwärter dem Verwundeten sich nahten, fanden sie, daß kein Mitleid ihm mehr etwas nützte; denn das Herz des Gladiators war durchbohrt und seine Augen hatte der Tod gebrochen. Sein Blut floß in schwarzen Strömen über den Rand der Arena.

»Es ist jammerschade, daß der Kampf so bald vorüber war – kaum der Mühe werth,« sagte die Wittwe Fulvia.

»Ja, ich hab' kein Bedauern mit Berbix. Jeder Andere hätte gesehen, daß Nobilior nur eine Finte machte. Sieh, jetzt befestigen Sie den Haken an dem Leichnam und schleppen ihn nach dem Spoliarium. Neuer Sand wird auf die Bühne gestreut. Pansa bedauert nichts mehr, als daß er nicht reich genug ist, um wie Nero die Arena mit Borax und Zinnober bestreuen lassen zu können.«

»War dieser Kampf auch ein kurzer, so folgt ihm wenigstens eben so schnell ein anderer – sieh' meinen schönen Lydon auf der Arena – und dort den Netzwerfer und die Schwertkämpfer! O herrlich!«

Sechs Gladiatoren befanden sich jetzt auf der Arena; Niger mit seinem Netze mußte gegen den mit Schild und kurzem, breitem Schwerte bewaffneten Sporus kämpfen; – Lydon und Tetraides, ganz nackt bis auf einen Gürtel um den Leib, waren jeder nur mit einem schweren griechischen Cestus bewaffnet – die beiden römischen Gladiatoren endlich trugen eine ganz stählerne Rüstung, so wie ungeheuer große Schilde und spitzige Schwerter.

Da der Kampf zwischen Lydon und Tetraides seiner Natur nach weniger lebensgefährlich sein konnte, als der zwischen den übrigen Fechtern, so blieben, als jene Beiden bis in die Mitte der Arena vorschritten, die andern wie durch eine gemeinsame Übereinkunft zurück, um die Enscheidung dieses Kampfes mit anzusehen und dann ein ernsteres Gefecht zu beginnen, als das mit dem Cestus war. Auf ihre Waffen gelehnt, und eine Partie von der andern gesondert, blickten sie auf das Kampfspiel, welches, wenn auch nicht blutig genug, um den Leuten vom Volke recht zu gefallen, dennoch ihre Bewunderung erregte, weil es, wie sie selbst, aus Griechenland abstammte.

Selten konnten auf den ersten Anblick zwei ungleichere Gegner zusammenkommen, als Tetraides und Lydon. Jener, obwohl nicht größer, als dieser, war doch um Vieles beleibter, und seine Muskelkraft wurde nach der Meinung der Zuschauer durch feste Fleischmassen noch erhöht, und da man allgemein der Ansicht war, daß die Korpulenz im Cestuskampfe stets dem weniger beleibten Gegner überlegen sei, so hatte Tetraides dieselbe gepflegt und aufs Höchste gesteigert. Seine Schultern waren breit, und seine strammen Beine leicht auswärts gekrümmt, welche Bildung der Stärke eben so viel hinzusetzte, als sie der Schönheit benahm; Lydon hingegen, obwohl etwas mager, war herrlich gebaut, und dem Kenner entging es nicht, daß seine Muskeln, wenn auch weniger in die Augen fallend, doch gedrungener und fester waren, als die des Tetraides. Was ihm an Fleisch abging, das gewann er verhältnismäßig an Behendigkeit, und ein stolzes Lächeln auf seinem entschlossenen Gesichte, welches seltsam mit der ernsten Schwerfälligkeit seines Gegners contrastirte, galt denen, welche es bemerkten, als ein hoffnungsvolles Zeichen. Trotz der scheinbaren Ungleichheit ihrer Körperkräfte erklärte sich daher die Stimme des Volks beinahe eben so laut für Lydon, als für Tetraides.

Wer mit dem modernen Boxen bekannt ist, und schon die schweren Streiche gesehen hat, welche eine geschickte menschliche Faust auszutheilen vermag, der wird leicht begreifen, um wie Vieles die natürliche in der Hand liegende Kraft noch vermehrt wird, wenn man den Arm bis an den Ellenbogen mit ledernen Riemen umwindet und an dem Handgelenke eine eiserne Platte oder auch ein Stück Blei befestigt. Aber gerade dadurch verlor vielleicht der Kampf an Interesse, anstatt zu gewinnen, denn er war nothwendiger Weise von kürzerer Dauer. Einige kräftig und geschickt beigebrachte Schläge reichten hin, um denselben ein schnelles Ende zu machen, und es ließ sich daher selten jene Energie und ausdauernde Kraft entwickeln, welche der Engländer in der Kunstsprache des Boxens pluck nennt, und die öfters gegen die Kunstfertigkeit das Feld behauptet, wodurch der Kampf interessanter und die Sympathie für den Tapferen gesteigert wird.

»Hüte Dich,« rief Tetraides, seinem Feinde sich immer mehr nähernd, während dieser sich um ihn herumdrehte, ohne jedoch zurückzuweichen.

Lydon antwortete nur mit einem verächtlichen Blicke seines glänzenden, lebhaften Auges. Tetraides schlug zu wie ein Schmied auf den Amboß; Lydon sank plötzlich auf ein Knie, – der Schlag ging über seinem Kopfe hinweg. Nicht so harmlos war Lydons Erwiderung. Er sprang schnell auf und stieß dem Gegner mit aller Kraft auf seine breite Brust. Tetraides wankte und das Volk brach in ein stürmisches Jauchzen aus.

»Du bist heute unglücklich,« sagte Lepidus zu Klodius; »Du hast bereits eine Wette verloren und wirst auch die zweite verlieren.«

»Bei den Göttern! ich muß m eine Bronzebilder im Aufstreich verkaufen, wenn dies der Fall ist. Ich habe nicht weniger als fünfzig Sestertien auf Tetraides gesetzt. Ha, ha! Sieh', wie er sich emporrafft! Das war ein guter Streich; er hat dem Lydon die Schulter aufgeschlagen. – Muth, Tetraides! Muth!«

»Aber Lydon ist auch noch nicht entmuthigt! Beim Pollux! wie wacker er sich hält! Sieh', wie geschickt er den Grobschmiedsfäusten seines Gegners ausweicht; wie er bald dahin, bald dorthin volitigirt – ach, armer Lydon! Er ist wiederum getroffen.«

»Noch Drei gegen Eins auf Tetraides! Was sagst Du dazu, Lepidus?«

»Gut; neun Sestertien gegen zwei – ich wette. Was! Lydon schon wieder? Er hält inne, er schöpft Athem. Bei den Göttern, er fällt! Nein; steht er nicht wieder aufrecht? Brav, Lydon! Tetraides erhebt ein lautes Gelächter und stürzt voll Kampfesmuth auf ihn zu.«

»Der Thor! er sollte vorsichtig sein, das Glück verblendet ihn. Lydons Auge gleicht dem eines Luchses!« bemerkte Klodius vor sich hin.

»Ha, Klodius! Siehst Du es? Dein Mann wankt! Noch ein Schlag – er fällt – er fällt!«

»Die Erde belebt ihn wieder. Er springt noch einmal auf, aber das Blut rollt über sein Gesicht herunter.«

»Beim Donnerer! Lydon trägt den Sieg davon. Sieh, wie er ihm zu Leibe geht. Dieser Schlag auf die Schläfe würde einen Ochsen niedergeschmettert haben; Tetraides ist gut getroffen. Er fällt abermals – er kann sich nicht mehr bewegen – habethabet!«

»Habet!« wiederholte Pansa. »Führt sie hinaus und gebt ihnen Rüstung und Schwerter.«

»Edler Editor,« sagten die Kampfwärter, »wir fürchten, Tetraides werde sich nicht so schnell wieder erholen, wir wollen es indes versuchen.«

»Thut dies.«

Nach wenigen Augenblicken kehrten die Kampfwärter, welche den schwerverletzten und besinnungslosen Gladiator hinausgeschafft hatten, mit bedenklicher Meine zurück. Sie fürchteten für sein Leben und jedenfalls konnte er heute nicht wieder die Arena betreten.

»In diesem Falle,« sagte Pansa, »nimmt Lydon als Subditius, sobald ein Gladiator besiegt wird, die Stelle desselben ein.«

Das Volk ertheilte dieser Anordnung lauten Beifall, worauf wieder tiefe Stille eintrat. Jetzt begannen die Trompeten zu schmettern, und die vier Kämpfer standen gerüstet und herausfordernd einander gegenüber.

»Kennst Du die Römer, mein Klodius? Gehören sie zu den renomirten Fechtern, oder sind es bloß ordinarii?«

»Eumolpus ist ein guter Schwertkämpfer zweiten Ranges, mein Lepidus. Den kleineren Mann, Nepimus, sah ich früher nie; aber er ist der Sohn eines kaiserlichen Fiskalis und in einer guten Schule erzogen; ohne Zweifel werden sie ihrem Stande alle Ehre machen. Aber das Spiel ist mir entleidet, ich kann mein Geld nicht wieder gewinnen. Fluch jenem Lydon! Wer hätte gedacht, daß er so geschickt oder so glücklich sein würde!«

»Ha, Klodius, soll ich Mitleid mit Dir haben und auf diese Römer wetten?«

»Zehn Sestertien auf Eumolpus gegen zehn, nicht?«

»Wie? während Nepimus ein Anfänger ist? Nein, nein, das ist nicht billig.«

»Nun, zehn gegen acht?«

»Zugestanden.«

Während unten im Theater gekämpft wurde, saß auf einer der obern Bänke ein Mann, der an dem Schauspiele ein ganz besonderes, tiefes Interesse nahm. Trotz seines christlichen Abscheus vor blutigen Wettkämpfen hatte er es doch aus ängstlicher Besorgnis für seinen Sohn nicht über sich bringen können, aus dem Theater wegzubleiben. Mitten unter Fremden und der Hefe des Volks sah und fühlte der alte Mann Nichts, als was seinen wackern Sohn anging. Kein Laut war seinen Lippen entflohen, als dieser zweimal zu Boden fiel; er hatte nur an allen Gliedern gezittert und war bleicher geworden. Als er ihn siegen sah, da konnte er einen Ruf der Freude nicht unterdrücken; ach! er wußte nicht, daß dieser Sieg nur das Vorspiel zu einem gefährlicheren Kampfe sein sollte.

»Mein wackerer Junge!« sagte der alte und trocknete seine Augen.

»Ist es Dein Sohn?« fragte ein zur Rechen des Nazareners sitzender Bursche mit gebräuntem Gesicht; »er hat vortrefflich gekämpft; wir wollen sehen, wie er sich nachher hält. Hast Du's gehört, er soll mit dem ersten Sieger fechten. Nun, alter Knabe, bitte die Götter, daß dieser Sieger weder einer von den beiden Römern noch der Riese Niger sei.«

Der alte Mann faßte sich wieder und bedeckte sein Gesicht. Außer Lydon waren ihm die übrigen Kämpfer gleichgültig. Und dennoch – der Gedanke fuhr ihm schrecklich durch die Seele – war der Kampf für ihn von höchstem Interesse – an die Stelle des Ersten, welcher fiel, sollte Lydon treten! Er stand auf, beugte sich über die Bank und sah aufmerksam mit gefalteten Händen den Streitern zu.

Im hohen Grade erregte der Kampf zwischen Niger und Sporus die Aufmerksamkeit der Zuschauer, da ihre Fechtart nicht nur große Geschicklichkeit bei den Gegnern voraussetzte, sondern auch gewöhnlich von traurigen Folgen begleitet war.

Sie standen in beträchtlicher Entfernung von einander. Der eigenthümliche Helm, welchen Sporus trug, und dessen Visir herabgelassen war; bedeckte sein Gesicht; die Gesichtszüge des Niger aber zeichneten sich durch ihre Schärfe und Wildheit aus. Jeder den Andern ansehend, stunden sie einige Augenblicke stillschweigend da, bis Sporus allmählig und mit großer Behutsamkeit vorwärts schritt, und dabei sein spitziges Schwert, wie die Fechter in unsrer Zeit, gegen die Brust des Feindes richtete. Niger zog sich zurück, als sein Gegner vorrückte, hielt aber mit der rechten Hand sein Netz fortwährend in Bereitschaft, verfolgte mit seinem kleinen, stechenden Auge alle Bewegungen des Sporus, und warf, als dieser sich ihm auf Armeslänge genähert hatte, rasch ausliegend das Netz gegen denselben. Eine geschickte Wendung rettete den Gladiator vor dem verderberblichen Garn; er stieß einen gellenden Schrei wuthgemischter Freude aus und stürzte auf Niger los, Niger aber hatte bereits sein Netz wieder eingezogen, es über die Schulter geworfen und floh nun rings an den Schranken herum mit einer Schnelligkeit, die der SecutorSo genannt, weil ein solcher Gladiator den Feind, nachdem dieser das Netz ausgeworfen hatte, verfolgen mußte, um ihn nieder zustoßen, ehe er Zeit gewann, dasselbe wieder in Ordnung zu bringen. vergebens zu überbieten versuchte. Das Volk lachte laut über die vergebliche Mühe, welche sich der breitschultrige Gladiator gab, um den fliehenden Riesen einzuholen, als die beiden römischen Fechter in diesem Augenblick die Aufmerksamkeit der Zuschauer in Anspruch nahmen.

Anfangs hatten sie sich einander gegenüber aufgestellt, in einer Entfernung, wie sie noch gegenwärtig gewöhnlich ist. Die ausnehmende Vorsicht indes, womit sie zu Werke gingen, hatte bis jetzt ein heftiges Zusammentreffen verhütet und den Zuschauern volle Muße gewährt, ihre ganze Aufmerksamkeit dem Sporus und seinem Gegner zuzuwenden. Nun aber waren die Gegner mit der größten Wuth an einander gerathen. Unter wechselseitigem Vordringen und Zurückweichen entfalteten sie alle jene kaum bemerkbare Feinheiten ihrer Kunst, welche erfahrne Männer von gleicher Gewandtheit charakterisiren. In diesem Augenblicke verwundete Eumolpus, der ältere Gladiator, durch einen geschickten Seitenhieb, der auf der Arena für sehr schwer zu pariren galt, den Nepimus, und das Volk erhob ein lautes Jubelgeschrei. Lepidus wurde bleich.

»Ha!« rief Klodius, »das Spiel ist fast vorüber. Wenn Eumolpus nur mit kalter Besonnenheit zu Werke geht, so wird sich der Andere bald von selbst verbluten.«

»Dank den Göttern! Er beobachtet nicht die Defensive. Sieh, er stürzt auf Nepimus zu! Beim Mars! Nepimus hat ihm einen meisterlichen Hieb versetzt, gerade auf den Helm! – Klodius, ich werde gewinnen!«

»Zum Teufel mit allen Wetten!« murmelte Klodius, »aber warum kann man einen Gladiator nicht mit Blei ausgießen!«

»Bravo Sporus! Bravo!« schrie das Volk, als Niger jetzt plötzlich stille gestanden war, sein Netz wiederum und wiederum vergeblich ausgeworfen hatte. Diesmal jedoch war er im Zurückziehen desselben nicht behende genug und Sporus versetzte ihm mit dem Schwerte in sein rechtes Bein eine so tiefe Wunde, daß er, unfähig zur Flucht, von seinem Gegner auf's Härteste bedrängt wurde. Seine Größe aber und die Länge seines Arms verschafften ihm noch immer nichtgewöhnliche Vortheile, und indem er seinen Dreizack in gerader Richtung dem Feinde vor die Stirne hielt, gelang es ihm, diesen dadurch auf einige Minuten abzuwehren. Sporus versuchte jetzt, durch eine rasche Wendung, seinem Gegner in den Rücken zu kommen, da dieser sich nur mit Mühe und langsam bewegen konnte. Bei diesem Versuche aber gab er sich eine Blöße, er kam dem Riesen zu nahe, und als er den Arm erhob, um denselben einen Hieb zu versetzen, sank er, von dem dreizackigen Speere in die Brust getroffen, zusammen. Noch einen Augenblick, und das todtbringende Netz war über ihn hergeworfen; vergebens versuchte er sich daraus loszumachen; es blieb ihm nichts übrig, als unter erneuten Stichen des Dreizacks sein Blut durch das Netz hindurch in roten Strömen über den Sand hinlaufen zu sehen. Da ließ er seinen Arm sinken, zum Zeichen, daß er sich für überwunden halte.

Der siegende Retiarius zog sein Netz an sich, und wartete, auf seinen Speer gelehnt, auf das Urtheil, hinsichtlich des Sporus. Der besiegte Gladiator blickte mit matten, verzweiflungsvollen Augen im Theater umher, aber von Reihe zu Reihe, von Bank zu Bank, begegneten ihm nur mitleidslose Mienen.

Kein Gemurmel ließ sich vernehmen. Es herrschte eine fürchterliche, theilnahmslose Stille; keine Hand, nicht einmal eine weibliche, winkte Leben und Gnade. Sporus war auf der Arena nie beliebt gewesen und so eben noch hatte der verwundete Niger die Gunst der Zuschauer für sich gewonnen. Das Volk lechzte nach Blut: ein Scheingefecht gefiel ihm nicht mehr, sondern seine Grausamkeit heischte ein Opfer.

Der Gladiator, fühlend, daß sein Urtheil unwiderruflich feststehe, murmelte kein Gebet und stieß keinen Seufzer aus. Das Volk gab das Todessignal. In ruhiger Ergebung bot er seinen Nacken dem verderblichen Streiche. Es trat nun, da der Speer das Retiarius nicht schnell und sicher genug tötete, eine wilde, grauenhafte Gestalt, die ein kurzes, scharfes Schwert schwang und deren Gesicht unter einem Visir verborgen war, auf die Arena. Mit langsamen, abgemessenen Schritten näherte sich dieser furchtbare Scharfrichter dem noch immer knieenden Gladiator, legte die linke Hand auf seinen Helm, berührte mit dem scharfen Schwerte seinen Nacken und blickte dann rings im Kreise herum, ob sich nicht etwa in diesem letzten Augenblicke eine Regung des Mitleids kund gebe; aber umsonst, das furchtbare Signal blieb dasselbe, das Schwert glänzte in der Luft, sauste herab und der Gladiator stürzte auf den Sand; seine Glieder zitterten ein wenig, wurden aber schnell bewegungslos und Sporus war eine Leiche.

Sein Körper wurde sodann aus der Arena durch die Pforte des Todes hinausgeschleppt und in eine finstere Höhle geworfen, welche die Benennung Spoliarium führte. Ehe er seinen Bestimmungsort erreichte, war auch der Kampf zwischen den zurückgebliebenen Gladiatoren entschieden. Das Schwert des Eumolpus hatte dem minder erfahrenen Gegner die Todeswunde beigebracht. Ein neues Opfer verschlang die dunkle Behausung der Erschlagenen.

Durch das Theater verbreitete sich jetzt eine allgemeine Bewegung, das Volk athmete freier und nahm seine Sitze wieder ein. Ein kühlender Thau ergoß sich aus verborgenen Röhren über die Zuschauer, welche nun ganz vergnügt über die letzte blutige Scene mit einander plauderten. Eumolpus nahm den Helm ab, trocknete sich die Stirne; sein schöngelocktes Haar, sein dichter, kurz beschnittener Bart, seine edeln römischen Gesichtszüge und sein glänzend schwarzes Auge, erregten allgemeine Bewunderung. Er war noch unverwundet und unermüdet.

Der Editor erklärte nach kurzem Stillschweigen jetzt laut, daß Lydon an die Stelle des gefallenen Nepimus treten und mit Eumolpus kämpfen sollte.

»Höre jedoch, Lydon,« fügte er hinzu, »wenn Du den Kampf mit einem so tapfern und erprobten Manne ausschlagen willst, so steht es Dir frei. Eumolpus ist nicht ursprünglich für Dich bestimmt. Du weißt wohl am besten, ob Du es mit ihm aufnehmen kannst. Wenn Du fällst, so ist Dein Schicksal ein ehrenvoller Tod; siegst Du aber, so will ich den festgesetzten Preis aus meiner eigenen Börse verdoppeln.«

Das Volk jauchzte Beifall. Lydon stund an den Schranken und schaute rings umher; hoch oben erblickte er das bleiche Antlitz, die zagenden Augen seines Vaters. Einen Augenblick war er unentschlossen. Aber nein! der Sieg mit dem Cestus war nicht hinreichend; er hatte den Kampfpreis noch nicht gewonnen; sein Vater war noch ein Sklave!

»Edler Aedil!« erwiderte er in festem männlichen Tone; »ich erschrecke nicht vor diesem Kampfe. Die Ehre Pompeji's erfordert es, daß ein, durch den berühmten Lanista Unterrichteter mit diesem Römer sich mißt.«

Das Volk jubelte noch lauter als zuvor.

»Vier gegen Eins wider Lydon!« sagte Klodius zu Lepidus.

»Ich würde nicht zwanzig auf Eins annehmen! Eumolpus ist ein wahrer Achilles und jener arme Bursche ein Neuling!«

Eumolpus blickte dem Lydon kühn ins Gesicht; er lächelte, doch folgte dem Lächeln bald ein leichter, kaum hörbarer Seufzer – ein Gefühl mitleidiger Rührung, welches jedoch die Gewohnheit in dem gleichen Augenblicke unterdrückte, als das Herz sie empfinden wollte.

Jetzt stunden in vollständiger Rüstung, mit gezogenen Schwertern und geschlossenen Visiren die beiden letzten Kämpfer der Arena (die folgenden hatten es mit wilden Thieren aufzunehmen) einander gegenüber.

In demselben Augenblicke ward dem Prätor durch einen Theaterdiener ein Brief übergeben; er öffnete das Siegel, durchlief ihn flüchtig und in seinem Gesichte drückte sich auf einmal Staunen und Verlegenheit aus. Noch einmal durchlas er den Brief, legte ihn alsdann mit den Worten: »Es ist nicht möglich! der Mann muß schon am Morgen betrunken sein, daß er von solchen Tollheiten träumt,« sorglos bei Seite und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Spiele zu.

Die Zuschauer befanden sich jetzt in der höchsten Spannung. Eumolpus hatte zuerst ihre Gunst gewonnen; aber der ritterliche Sinn des Lydon und seine wohlangebreachte Anspielung auf die Ehre des pompejanischen Lanista hatte nachher dem Letzteren einen Vorzug in ihren Augen verliehen.

»Heda, alter Knabe!« sagte Medon's Nachbar zu diesem; »Dein Sohn hat einen schweren Kampf; aber sei ohne Sorge, der Editor wird nicht zugeben, daß er getödtet wird; nein; auch das Volk nicht; er hat sich ja heute so wacker benommen. Ha, das war ein meisterhafter Stoß! – gut parirt, beim Pollux! Wieder auf ihn, Lydon! – sie halten inne, um Athem zu schöpfen! Was murmelst Du da, alter Knabe?«

»Gebete,« antwortete Medon mit einer ruhigeren und hoffnungsvolleren Miene, als er bisher gezeigt hatte.

»Gebete! Possen! Die Götter treten nicht mehr ins Mittel, um den Menschen zu helfen. Beim Jupiter! was für ein Schlag! Deine Seite! Deine Seite! schütze Deine Seite, Lydon!«

Ein convulsivisches Zittern durchlief jetzt die ganze Versammlung. Lydon hatte einen furchtbaren Hieb von Eumolpus auf den Helm erhalten und war in die Kniee gesunken.

»Habet!« rief eine gellende weibliche Stimme; »er ist getroffen, juchheisa!«

Es war die Stimme jenes Mädchens, welches so sehnlich das Verlangen ausgesprochen hatte, daß man einige Verbrecher den wilden Thieren preisgeben möchte.

»Schweige still, mein Kind!« sagte die Gemahlin Pansa's, in befehlendem Tone, »non habet! Er ist nicht verwundet!«

»Ich wollte, er wäre es, wenn auch nur dem alten, griesgrämigen Medon zum Trotze,« murmelte das Mädchen.

Indes fing Lydon, der sich bisher mit vieler und großer Geschicklichkeit vertheidigt hatte, allmählig an, vor den gewaltigen Hieben des geübten Römers zurückzuweichen; sein Arm ermattete, sein Kopf schwindelte, er athmete schwer und mit Anstrengung. Die Kämpfer machten nun eine Pause, um wieder Athem zu schöpfen.

»Junger Mann,« sagte Eumolpus mit leiser Stimme, »gib nach, ich will Dich leicht verwunden, dann senke Deine Waffe; der Editor und das Volk sind Dir günstig, und Du wirst auf eine ehrenvolle Art mit dem Leben davon kommen!«

»Und mein Vater ein Sklave bleiben!« seufzte Lydon vor sich hin. »Nein! den Tod oder seine Freiheit!«

Da er sah, daß seine Kraft der Ausdauer des Römers nicht gleichkomme, und daß Alles von einem raschen und verzweifelten Angriffe abhänge, stürzte er wüthend auf Eumolpus los; der Römer wich zurück – Lydon stieß abermals zu – Eumolpus mache eine Seitenwendung – das Schwert glitt an seinem Panzer ab, Lydon stellte seine Brust bloß, und der Römer stieß sein Schwert durch die Gelenke der Rüstung seines Gegners, jedoch nicht in der Absicht, ihm eine tiefe Wunde zu versetzen; Lydon aber stürzte erschöpft vorwärts, gerade in die Waffe des Feindes und diese durchbohrte ihn dergestalt, daß sie auf dem Rücken wieder zum Vorschein kam. Rasch zog Eumolpus das Schwert heraus; Lydon machte noch einen Versuch, um das Gleichgewicht wieder zu gewinnen, aber das Schwert entfiel ihm, unwillkürlich versetzte er dem Gladiator einen Streich mit der bloßen Hand und stürzte dann auf die Arena.

Einstimmig gaben der Editor und die Versammlung das Zeichen der Gnade; die Kampfwärter näherten sich und nahmen dem Besiegten den Helm ab. Er athmete noch, trotzig starrten seine Augen den Gegner an; die Wildheit, welche er in seinem Berufe erlangt hatte, leuchtete aus seinem Gesicht, über das bereits die Schatten des Todes sich legten; dann wendete er noch einmal mit krankhaftem Stöhnen seine Augen nach oben. Sie ruhten weder auf dem Gesichte des Editors, noch auf den mitleidigen Mienen der ihm gewogenen Richter. Er sah diese nicht; für ihn war der ungeheure Raum des Theaters öde und menschenleer! nur nach einem bleichen, schmerzvollen Antlitze schaute er; der Schrei eines gebrochenen Herzens war Alles, was unter dem Gemurmel und Geschrei des Volkes sein Ohr erreichte. Die Wildheit verschwand von seiner Stirne; ein sanfter und zärtlicher Ausdruck heiliger, aber verzweifelnder Kindesliebe spielte auf seinem Gesichte, erlosch jedoch bald wieder. Seine Augen brachen, und seine Mienen nahmen die vorige Wildheit wieder an. Er fiel entseelt auf die Erde.

»Seht nach ihm,« sagte der Aedil, »er hat seine Pflicht gethan.«

Die Kampfwärter brachten ihn nach dem Spoliarium.

»Ein treues Bild des Ruhmes und seines Schicksals!« murmelte Arbaces, und sein über die Versammlung hinschweifendes Auge verrieth so viel Hohn und Verachtung, daß Jeder, den sein Blick traf, plötzlich den Athem anhielt, und ein Gefühl von Unheimlichkeit kaum bemeistern konnte.

Abermals ergoß sich ein wohlriechender Thau über das Theater und die Kampfwärter streuten frischen Sand auf die Arena.

»Bringt den Löwen und Glaukus, den Athener,« sagte der Editor.

Eine tiefe und athemlose Spannung und ein gewaltiger – doch seltsam genug – nicht unangenehmer Schrecken lag gleich einem schauerlichen Traum über der ganzen Versammlung.


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