Edward Bulwer-Lytton
Die letzten Tage von Pompeji
Edward Bulwer-Lytton

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Erstes Kapitel.

Die zwei edlen Pompejaner.

»Ha, Diomed, gut, daß ich Dich treffe. Speisest Du diesen Abend bei Glaukus?« sagte ein junger Mann von kleinem Wuchse, der seine Tunika in jenen lockern und weibischen Falten trug, die in ihm einen vornehmen und eleganten Herrn erkennen ließen.

»Ach nein, mein lieber Klodius, er hat mich nicht eingeladen,« antwortete Diomed, ein Mann von mittleren Jahren und stattlichem Aussehen. »Beim Pollux! er hat mir da einen schlechten Streich gespielt; man sagt, seine Abendessen seien die besten in Pompeji.«

»Sie sind nicht schlecht, aber es gibt für mich nie Wein genug dabei. Das wahre Blut der alten Griechen rollt in Glaukus' Adern nicht; denn er behauptet, wenn er des Abends Wein getrunken habe, besitze der den andern Tag keinen Verstand mehr.«

»Seine Sparsamkeit hat nach meiner Meinung nach einen andern Beweggrund,« sagte Diomed, seine Augenbrauen runzelnd; »trotz seiner Eitelkeit und Verschwendung halte ich ihn nicht für so reich, als er zu sein vorgibt, und er schont vielleicht lieber seine Amphoren, als seinen Verstand.«

»Das ist ein Grund mehr, seine Gastereien zu besuchen, so lange seine Sestertien dauern. Im nächsten Jahre, Diomed, werden wir uns einen andern Glaukus suchen müssen.«

»Er soll auch ein Freund vom Würfelspiele sein.«

»Er liebt alle Vergnügungen; und so lange er es liebt, Abendessen zu geben, werden wir Alle auch ihn lieben.«

»Schön, mein Klodius, das ist gut gesagt! aber, gelegentlich gesprochen, hast Du meinen Keller nie gesehen?«

»Ich erinnere mich dessen nicht, mein guter Diomed.«

»Nun, so mußt Du an einem der nächsten Abende mit mir zu Nacht speisen; ich habe Muränen in meinem Behälter und werde den Aedil Pansa auch einladen.«

»Oh! mache keine Umstände mit mir! – Persicos odi apparatus. Ich bin leicht zufrieden zu stellen. Aber der Tag neigt sich; ich habe im Sinne, in's Bad zu gehen – und Du?«

»Ich gehe zum Quästor – Staatsangelegenheiten; – hierauf in den Isistempel. Lebe wohl!«

»Was ist das für ein prahlsüchtiger, anscheinend bis über den Kopf beschäftigter und schlecht erzogener Bursche!« sagte Klodius leise zu sich, während er sich langsam entfernte; »er denkt uns mit seinen Festen und seinem Keller vergessen zu machen, daß er der Sohn eines Freigelassenen ist; und was wollen wir auch, so oft wir ihm die Ehre erweisen, ihm sein Geld abzugewinnen; diese reichen Plebejer sind für uns verschwenderische Patrizier eine wahre Ernte.«

Unter diesem Selbstgespräche gelangte Klaudius in die Via Domitiana, die, voll von Fußgängern und Equipagen, ganz dieselbe übermäßige Lebendigkeit, Rührigkeit und Fröhlichkeit zeigte, wie man sie noch heutzutage in den Straßen von Neapel findet.

Die Schellen der schnell an einander vorbeifahrenden Wägen drangen lustig zum Ohre, und Klodius grüßte die Eigenthümer der Equipagen, die sich durch ihre Eleganz oder Eigenthümlichkeit am meisten bemerklich machten, mit einem Lächeln oder Kopfnicken; – denn es gab in der That keinen jungen Mann in ganz Pompeji, der eine so ausgebreitete Bekanntschaft gehabt hätte.

»Ah! Du bist es, Klodius! und wie hast Du auf Dein Glück geschlafen?« rief mit angenehmem und sanftem Tone ein junger Mann, der in einem herrlich und anmuthig gebauten Wagen saß. Auf der bronzenen Außenseite waren von griechischer Künstlerhand Basreliefs angebracht, welche die olympischen Spiele vorstellten. Die an seinem Wagen befindlichen Pferde waren von der seltesten parthischen Race; ihre schlanken Glieder schienen die Erde zu verachten und in der Luft zu schweben, und doch standen sie bei der leisesten Bewegung des Kutschers, der sich hinter dem Herrn der Equipage befand, unbeweglich still, wie wenn sie plötzlich in Stein verwandelt worden wären, scheinbar leblos, aber lebensähnlich, wie eines der Wunderwerke des Praxiteles. Auch der Herr selbst war von jener schlanken und schönen Symmetrie, welche die athenischen Bildhauer zu ihren Modellen wählten; an seinen leichten, in Büscheln herabfallenden Locken und an der vollkommenen Harmonie, die in seinen Zügen herrschte, verrieth sich seine griechische Abkunft. Er trug keine Toga – ein Kleidungsstück, das zu den Zeiten der Kaiser kein unterscheidendes Merkmal der römischen Bürger mehr war, und über das sich alle Tonangeber in der Mode lustig machten; aber seine Tunika glühte im reichsten Schimmer des tyrischen Purpurs und die Fibulä oder Schnallen, die sie zusammenhielten, waren mit Smaragden geschmückt. Um den Hals trug er eine goldene Kette, die sich in der Mitte der Brust in die Gestalt eines Schlangenkopfs verflocht, aus dessen Munde ein Siegelring von ausgesuchter Arbeit hing. Die Ärmel seiner Tunika waren weit und am Handgelenke mit goldenen Fransen geziert, und ein mit Arabesken gestickter, von demselben Stoffe wie die Fransen, gefertigter und um den Leib geschlungener Gürtel diente ihm statt der Taschen, um Sacktuch, Beutel, Griffel und Schreibtafel darin aufzubewahren.

»Mein lieber Glaukus,« sagte Klodius, »ich freue mich, daß Dein Verlust auf Dein Aussehen so wenig Einfluß geübt hat. Du siehst ja aus, als ob Du von Apollo begeistert worden wärest, und Dein Gesicht strahlt wie eine Glorie von dem Glanze des Glücks. Jedermann würde Dich für den glücklichen Spieler und mich für den Verlierenden halten.«

»Ach! mein Klodius, was liegt denn in dem Gewinn oder Verluste dieses elenden Metalls, das unsere Heiterkeit stören sollte? Beim Jupiter, so lange wir noch jung sind und die vollen Locken mit Kränzen bedecken können, so lange die Töne der Zithara noch zu ungesättigten Ohren dringen und das Lächeln Lydia's oder Chloe's über unsere Adern hinfliegt, in welchen das Blut so schnell fließt, müssen wir auch beim Anblick des Sonnenlichts uns freuen, und sogar die Zeit zwingen, nur die Schatzmeisterin unserer Vergnügungen zu sein. Du weißt wohl, daß Du diesen Abend bei mir speisest?«

»Wer vergäße je eine Einladung von Glaukus!«

»Wohin gehst Du jetzt?«

»Ich dachte ins Bad zu gehen; aber es ist noch eine ganze Stunde bis zur gewöhnlichen Zeit.«

»Gut, da will ich meinen Wagen zurücksenden und Dich begleiten. So, so, mein Philias,« fuhr er fort, indem er das Pferd liebkoste, das ihm zunächst stund und durch ein leichtes Wiehern und durch ein Zurücklegen seiner Ohren die Zärtlichkeit spielend heimgab; »du hast heute Feiertag. Ist dies nicht ein schönes Thier, Klodius?«

»Des Phöbus würdig,« antwortete der edle Parasit, »oder des Glaukus.«


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