Edward Bulwer-Lytton
Die letzten Tage von Pompeji
Edward Bulwer-Lytton

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Drittes Kapitel.

Eine vornehme Gesellschaft und ein Diner à la mode in Pompeji.

Unterdessen schlenderten Sallust und Glaukus langsam dem Hause Diomeds zu. Trotz seiner Lebensweise besaß Sallust manche achtbare Eigenschaften. Er wäre ein thätiger Freund, ein nützlicher Bürger, mit einem Worte, ein herrlicher Mensch gewesen, wenn er sichs nicht in den Kopf gesetzt hätte, ein Philosoph zu sein. Auferzogen in den Schulen, wo römischer Plagiarismus das Echo griechischer Weisheit anbetete, hatte er die Lehren eingesogen, durch welche die spätern Epikuräer die einfachen Grundsätze ihres großen Meisters entstellten. Er widmete sich gänzlich den Vergnügungen und bildete sich ein, nur in einer munteren Haut stecke die wahre Weisheit. Übrigens besaß er ein beträchtliches Maß von Kenntnissen, Verstand und guter Laune und die ungeschminkte Aufrichtigkeit seiner Laster erschien neben der gänzlichen Verdorbenheit eines Klodius und der feigen Weiblichkeit des Lepidus fast als Tugend. Aus diesem Grunde schätzte ihn Glaukus unter allen seinen Gefährten am meisten, und Sallust seinerseits liebte in Anerkennung der edleren Eigenschaften des Atheners diesen fast ebenso sehr wie eine kalte Muräne oder einen Becher des besten Falerners.

»Ein gemeiner alter Kerl, dieser Diomed,« sagte Sallust, »aber er hat einige gute Eigenschaften – in seinem Keller.«

»Und einige reizende – in seiner Tochter.«

»Gewiß, Glaukus – aber wie mir scheint, wirst Du von letzteren nicht besonders gerührt. Ich glaube, Klodius möchte gerne Dein Nachfolger werden.«

»Er ist willkommen – bei dem Feste der Schönheit wird sicherlich kein Gast als Musca betrachtet.«Unwillkommene oder ungeladene Gäste wurden muscae oder Fliegen genannt.

»Du bist streng – aber sie hat allerdings etwas Korinthisches an sich und so werden sie wohl am Besten zu einander passen! Welch gutmüthige Geschöpfe übrigens sind wir, daß wir mit diesem Taugenichts von Spieler umgehen!«

»Das Vergnügen,« antwortete Glaukus, »vereinigt seltsame Spielarten. Er macht mir Spaß –«

»Und schmeichelt – macht sich aber auch gut bezahlt dafür – er bestreut sein Lob mit Goldstaub.«

»Du gibst mir also zu verstehen, daß er falsch spiele – glaubst Du das in der That?«

»Mein lieber Glaukus – ein römischer Edler hat seine Würde zu behaupten – Würde ist etwas sehr Kostbares – Klodius muß betrügen wie ein Spitzbube, um zu leben wie ein Mann von Stand.«

»Aha – nun, seit kurzem habe ich den Würfeln entsagt. Ach, Sallust, wenn ich einmal mit Ione vermählt bin, hoffe ich eine Jugend voll Thorheiten wieder gut machen zu können. Wir Beide sind für etwas Besseres geboren, als das Treiben, worin wir jetzt übereinstimmen – für edlere Tempel als den Stall des Epikur.«

»Ach,« erwiderte Sallust, in fast wehmütigem Tone, »was wissen wir denn weiter? Das Leben ist kurz – jenseits des Grabes ist alles Nacht und Dunkel. Es gibt keine bessere Weisheit, als die, welche sagt: Genieße!«

»Beim Bacchus! Bisweilen zweifle ich, ob wir das Höchste genießen, das das Leben zu bieten vermag.«

»Ich bin ein mäßiger Mann,« erwiderte Sallust; »wir sind wie Missethäter und betäuben uns, während wir am Rand des Todes stehen, mit Wein und Myrrhen; wenn wir es aber nicht thäten, so würde der Abgrund sehr widerwärtig aussehen. Ich gestehe, daß ich sehr zur Düsterkeit geneigt war, bis ich mich so herzhaft ans Trinken machte – das ist ein neues Leben, mein Glaukus!«

»Ja – aber am nächsten Morgen bringt es uns zu einem neuen Tod.«

»Nun ja, der nächste Morgen ist allerdings unangenehm; oder wäre das nicht der Fall, so würde man nie Lust zum Lesen haben – ich studire bisweilen, weil ich, bei den Göttern! zuweilen bis Mittag zu allem Andern unfähig bin.«

»Pfui, Scythe!«

»Pah! das Schicksal des Pentheus dem, der den Bacchus läugnet!«

»Gut, Sallust, bei all Deinen Fehlern bist Du der beste Libertin, den ich je traf, und wahrhaftig, käme ich je einmal in Lebensgefahr, so wärest Du in ganz Italien der einzige Mensch, der einen Finger zu meiner Rettung ausstreckte.«

»Vielleicht würde ich es nicht thun, wenn ich gerade mitten im Essen wäre. Aber in allem Ernste, wir Italiener sind fürchterlich selbstsüchtig.«

»Wir Alle, die nicht frei sind,« sagte Glaukus mit einem Seufzer; »Freiheit allein befähigt die Menschen, sich für einander aufzuopfern.«

»Dann muß Freiheit etwas sehr Ermüdendes für einen Epikuräer sein,« antwortete Sallust; »doch da sind wir ja am Hause unseres Wirths.«

Da Diomeds Villa bezüglich der Größe eine der bedeutendsten unter den bis jetzt ausgegrabenen und überdies noch den besonderen Bestimmungen, wie sie der römische Architekt für eine vorstädtische Villa aufstellt, gebaut ist, so dürfte es nicht uninteressant sein, die Zimmer, durch welche unsere Gäste kamen, in Kürze zu beschreiben. Sie traten also durch dasselbe kleine Vestibul, in welchem wir früher den alten Medon getroffen haben, und kamen von da sogleich in eine Kolonnade, nach der Kunstsprache Peristyl genannt; denn der Hauptunterschied zwischen der vorstädtischen Villa und einem Hause in der Stadt bestund darin, daß in ersterer die Kolonnade genau in demselben Raume angebracht war, den in einem Hause in der Stadt das Atrium einnahm. In der Mitte des Peristyls war ein offener Hof, der das Impluvium enthielt.

Aus diesem Peristyl führte eine Treppe in die Speise- und Vorrathskammern, während ein anderer schmaler Gang auf der entgegengesetzten Seite mit dem Garten in Verbindung stund; verschiedene kleine Gemächer, wahrscheinlich zu Beherbergung von Gästen vom Lande bestimmt, umgaben die Kolonnade. Eine andere Thüre zur Linken des Eintretenden führte auf einen kleinen dreieckigen Portikus, der zu den Bädern gehörte und hinter welchem die Garderobe lag, in welcher die Festkleider der Sklaven und vielleicht auch des Herrn aufbewahrt wurden. Siebzehn Jahrhunderte später fand man diese Überbleibsel antiken Putzes verkalkt und zerfallend – ach, länger aufbewahrt, als ihre haushälterischer Eigenthümer vorausgesehen.

Kehren wir zum Peristyl zurück und suchen wir dem Leser eine Übersicht der ganzen Zimmerreihe zu geben, wie sie jetzt sofort von den beiden Gästen durchschritten wurden.

Denke er sich also zuerst die Säulen des Portikus mit Blumenkränzen behangen, die Säulen selbst unten roth bemalt und die Wände ringsherum von mannigfaltigen Fresken strahlend; weiterhin sah man hinter einem zu zwei Drittheilen weggezogenen Vorhang das Tablinum oder den Salon, der durch Glasthüren, die in diesem Augenblick in die Wände zurückgeschoben waren, nach Belieben geschlossen werden konnte. Zu beiden Seiten dieses Tablinums befanden sich kleine Zimmer, deren eines eine Art Raritätenkabinet war und diese, so wie das Tablinum selbst stunden mit einer langen Galerie in Verbindung, die zu beiden Seiten auf Terrassen auslief; zwischen den Terrassen aber und mit dem Haupttheil der Galerie in Verbindung stehend, lag eine Halle, in welcher das Banket heute bereitet war. Alle diese Räume, obwohl beinahe in gleicher Höhe mit der Straße, lagen ein Stockwerk über dem Garten, die mit der Galerie in Verbindung stehenden Terrassen aber waren als Korridors fortgeführt, die, auf Pfeilern stehend, den Garten unten rechts und links einfaßten.

Unten, auf gleicher Höhe mit dem Garten, befanden sich die Gemächer, die, wie bereits beschrieben, vorzüglich für Julia bestimmt waren.

In der eben erwähnten Galerie nun empfing Diomed seine Gäste.

Der Kaufmann affektirte im höchsten Grade den Mann von Bildung und eben darum eine Leidenschaft für Alles, was Griechisch war, weshalb er auch den Glaukus besondere Aufmerksamkeit erwies.

»Du wirst sehen, mein Freund,« sagte er, mit der Hand winkend, »daß ich hier etwas klassisch eingerichtet bin – ein kleiner Cekropier, he? Die Halle, in welcher wir speisen werden, ist den Griechen entlehnt, ein cyzicensischer Oekus. Edler Sallust! wie man mir sagt, sieht man diese Art von Gemächern in Rom nicht?«

»Oh,« erwiderte Sallust mit einem halben Lächeln, »ihr Pompejaner verbindet das Gewählteste von Griechenland und Rom; mögest Du, Diomed, bei den Gerichten eine ebenso herrliche Auswahl und Verbindung getroffen haben wie bei der Bauart.«

»Du sollst sehen, Du sollst sehen, mein Sallust,« antwortete der Kaufmann; »wir haben Geschmack in Pompeji und wir haben auch Geld.«

»Zwei herrliche Dinge,« entgegnete Sallust, »aber sieh da, die schöne Julia!«

Ein Hauptunterschied zwischen der Lebensweise der Athener und der der Römer bestund, wie schon bemerkt, darin, daß bei den ersteren die Frauen selten oder nie an den Gastereien Theil nahmen, während sie bei den letzteren die gewöhnliche Zierde des Festes bildeten, das jedoch in diesem Fall gewöhnlich frühe endete.

Herrlich, in ein weißes mit Perlen und Goldfäden durchwirktes Gewand gekleidet, trat die schöne Julia in das Gemach.

Kaum hatte sie die Begrüßung der beiden Gäste empfangen, als auch Pansa und seine Frau, Lepidus, Klodius und der römische Senator beinahe gleichzeitig eintraten; hierauf die Wittwe Fulvia, dann der Dichter Fulvius, der, wenn in keinem andern Punkte, wenigstens dem Namen nach der Wittwe glich; nach ihm schritt der Krieger aus Herkulanum, begleitet von seinem Schatten, herein und nach diesen die unbedeutenderen der Gäste. Ione zögerte noch.

Bei den höflichen Alten war es Mode, zu schmeicheln, wo es nur immer in ihrer Macht lag, und deshalb galt es als ein Zeichen schlechter Erziehung, sich unmittelbar nach dem Eintritt in das Haus seines Wirthes zu setzen. Nach der Begrüßung, die gewöhnlich in demselben herzlichen Schütteln der Hände, das auch wir beibehalten haben und bisweilen in der noch vertrauteren Umarmung bestund, verbrachten die Anwesenden mehre Minuten mit Beschauung des Gemaches und Bewunderung der Bronzen, der Gemälde, oder der Möbeln, womit es geschmückt war. Eine sehr ungeschliffene Mode nach unsern verfeinerten englischen Begriffen, welche Gleichgültigkeit zu einem wesentlichen Bestandtheil guter Erziehung machen; nie würden wir – selbst um die ganze Welt nicht – hohe Bewunderung in eines Andern Haus an den Tag legen, aus Furcht, man könnte glauben, wir hätten nie zuvor etwas so Schönes gesehen!

»Welch schöne Statue des Bacchus!« rief der römische Senator.

»Eine bloße Kleinigkeit,« antwortete Diomed.

»Welch herrliche Gemälde!« sagte Fulvia.

»Bloße Kleinigkeiten,« erwiderte der Besitzer.

»Ausgesuchte Kandelaber,« rief der Krieger.

»Ausgesuchte,« sprach der Schatten nach.

»Kleinigkeiten, Kleinigkeiten!« wiederholte der Kaufmann.

Unterdessen begab sich Glaukus an eines der Fenster der Galerie, das mit den Terrassen in Verbindung stund, die schöne Julia zu seiner Seite.

»Ist es eine athenische Tugend, Glaukus,« fragte die Kaufmannstochter, »diejenigen zu meiden, die man einst gesucht hat?«

»Schöne Julia, nein!«

»Doch ist es, däucht mir, eine der Eigenschaften des Glaukus?«

»Glaukus meidet nie seine Freunde,« antwortete der Grieche, einigen Nachdruck auf das letzte Wort legend.

»Darf sich Julia unter die Zahl seiner Freunde rechnen?«

»Selbst für den Kaiser würde es eine Ehre sein, eine so liebenswürdige Freundin zu finden.«

»Du weichst meiner Frage aus,« entgegnete die verliebte Julia; »aber sage mir, ist es wahr, daß Du die Neapolitanerin Ione bewunderst?«

»Nöthigt Schönheit nicht Bewunderung ab?«

»Ah, schlauer Grieche, immer entfliehst Du der Bedeutung meiner Worte. Doch sprich, wird Julia in der That Deine Freundin sein?«

»Wenn sie mir diese Gunst erweisen will, seien die Götter gepriesen! Der Tag, an welchem mir eine solche Ehre widerfährt, soll mir immer mit einem weißen Strich bezeichnet bleiben.«

»Doch selbst während Du mit mir sprichst, ist Dein Auge unstät – Deine Farbe kommt und verschwindet – Du bewegst Dich unwillkürlich weg – Du bist ungeduldig, zu Ione zu kommen.«

In diesem Augenblick nämlich war Ione eingetreten und Glaukus hatte in der That die von der eifersüchtigen Schönheit angedeutete Bewegung verrathen.

»Kann Bewunderung für eine Dame mich der Freundschaft einer andern unwürdig machen? Bestätige nicht, o Julia, auf diese Weise die Schmähungen der Poeten über Dein Geschlecht.«

»Allerdings, Du hast recht, oder ich will wenigstens lernen so zu denken. Glaukus, noch einen Augenblick – Du wirst Dich mit Ione vermählen, nicht wahr?«

»Wenn es das Schicksal gestattet, so ist meine beseligendste Hoffnung.«

»Empfang denn von mir zum Zeichen unserer neuen Freundschaft ein Geschenk für Deine Braut. Du weißt ja, es ist unter Freunden gebräuchlich, der Braut und dem Bräutigam einige derartige kleine Zeichen der Achtung und der innigen Glückwünsche zu geben.«

»Julia! Ein Freundschaftszeichen aus solchen Händen kann ich nicht ausschlagen. Ich will es als ein Omen der Fortuna selbst annehmen.«

»Komm also nach dem Fest, wenn die Gäste fortgehen, zu mir in mein Zimmer und empfange das Geschenk aus meinen Händen – vergiß es nicht,« sagte Julia, während sie zu der Frau des Pansa trat und den Glaukus seine Ione aufsuchen ließ.

Die Wittwe Fulvia und die Gemahlin des Aedils waren in einer hochwichtigen Verhandlung begriffen.

»O Fulvia, ich versichere Dir, das nach dem letzten Berichte aus Rom die gekräuselte Frisur etwas ganz Veraltetes ist; man trägt das Haar nur thurmförmig aufgebaut wie das der Julia, oder in Form eines Helms – die galerianische Mode – wie Du es bei mir siehst; es nimmt sich, wie mir däucht, recht gut aus. Ich versichere Dich, Vespius« (so hieß nämlich der Held aus Herkulanum) »bewundert es überaus.«

»Und niemand trägt das Haar wie jene Neapolitanerin nach griechischer Art?«

»Was! auf der Stirne gescheitelt, mit einem Knoten hinten; o nein, wie lächerlich ist das! Es erinnert an die Statue der Diana! Übrigens ist diese Ione hübsch, he?«

»So sagen wenigstens die Männer, aber sie ist freilich auch reich; sie heirathet den Athener, ich wünsche ihr alles Glück. Nun befürchte ich, daß er ihr nicht lange treu bleiben wird, denn diese Fremden sind so veränderlich.«

»He, Julia,« rief Fulvia, als des Kaufmanns Tochter zu ihnen trat, »hast Du den Tiger schon gesehen?«

»Nein.«

»Aber alle Damen sind hingegangen, um ihn zu sehen. Er ist so hübsch!«

»Ich hoffe, wir werden einen Verbrecher oder sonst Jemand für ihn und den Löwen finden,« antwortete Julia. »Dein Gemahl« (und hier wandte sie sich zu Pansa's Gattin) »ist in diesem Punkte nicht so thätig, als er es sein sollte.«

»Nun ja, die Gesetze sind auch in der That zu mild,« entgegnete die Dame mit dem Helm; »es gibt so wenig Verbrechen, für welche die Strafe der Arena zuerkannt werden kann, und dann werden die Gladiatoren auch zu weichlich. Die stämmigsten Bestiarii erklären sich willig genug, mit einem Bären oder Ochsen zu kämpfen, aber einem Löwen oder Tiger gegenüber finden sie das Spiel zu ernsthaft.«

»Sie sind einer MitraMützen wurden bisweilen auch von Männern getragen und als ein Zeichen großer Weichlichkeit betrachtet – zu einer Mitra tauglich (ihrer würdig) sein, hieß also, sonst zu sehr wenig anderem brauchbar sein. Es ist erstaunlich, wie viele neuere Ansichten aus dem Alterthum herkommen! würdig,« bemerkte Julia verächtlich.

»Oh, hast Du das neue Haus unseres schätzbaren Dichters Fulvius gesehen?« fragte die Gattin des Pansa.

»Nein, ist es hübsch?«

»Gewiß, herrlicher Geschmack; aber man sagt, meine Theure, er habe so unschickliche Gemälde. Er will sie den Damen nicht zeigen, wie ungezogen!«

»Diese Dichter sind von jeher wunderliche Kauze,« sagte die Wittwe. »Aber er ist ein interessanter Mann; welch hübsche Verse schreibt er! Wir machen sehr große Fortschritte in der Poesie und es ist jetzt rein unmöglich, das alte Zeug noch zu lesen!«

»Ich bin auch entschieden Deiner Meinung,« antwortete die Dame mit dem Helm; »die neuere Schule hat viel mehr Kraft und Energie.«

Der Krieger schlenderte auf die Damen zu.

»Es söhnt mich mit dem Frieden aus,« sagte er, »wenn ich solche Gesichter sehe.«

»O Ihr Helden seid immer Schmeichler,« antwortete Fulvia, beeilt, das Compliment besonders auf sich zu beziehen.

»Bei dieser Kutte, die ich aus des Kaisers eigener Hand empfing,« erwiderte der Krieger, mit einer kurzen Kette spielend, die wie ein Halsband um den Nacken hing, statt wie bei den Söhnen des Friedens bis auf die Brust herabzureichen – »bei dieser Kette, Du thust mir Unrecht; ich spreche, wie mir's um's Herz ist; wie sich's für einen Soldaten gehört.«

»Wie findest Du die Damen in Pompeji im Allgemeinen?« fragte Julia.

»Bei der Venus, sehr schön; sie begünstigen mich allerdings ein wenig und das macht meine Augen für ihre Reize doppelt empfänglich.«

»Wir sehen die Krieger gerne,« sagte Pansa's Gemahlin.

»Ich sehe es; beim Herkules, es ist sogar in diesen Städten unangenehm, zu sehr gefeiert zu werden. In Herkulanum klettern die Leute auf das Dach meines Atriums, um mich, wenn auch nur flüchtig, durch das Compluvium zu sehen. Die Bewunderung unserer Mitbürger ist anfänglich recht angenehm, später aber wird sie lästig.«

»Ganz richtig, O Vespis,« rief der Poet der Gruppe sich anschließend, »ich finde es ebenfalls so.«

»Du,« sagte der stattliche Krieger und maß die kleine Figur des Dichters mit unaussprechlicher Geringschätzung, »in welcher Legion hast Du gedient?«

»Du kannst meine Spolien, meine Exuvien sogar auf dem Forum sehen,« erwiderte der Poet mit einem bedeutungsvollen Blick auf die Damen. »Ich gehörte zu den Zeltkameraden, den Contubernales des großen Mantuaners selbst.«

»Ich kenne keinen General aus Mantua,« entgegnete der Krieger ernsthaft; »welchen Feldzug hast Du mitgemacht?«

»Den auf den Helikon.«

»Von diesem hab' ich nie gehört.«

»Er scherzt ja bloß, Vespius,« fiel Julia lachend ein.

»Scherzt! beim Mars, bin ich ein Mann, mit dem man scherzen darf?«

»Ja; Mars war selbst in die Mutter des Scherzes verliebt,« sprach der Poet etwas erschrocken; »wisse denn, o Vespius, daß ich der Dichter Fulvius bin. Ich bin es, der die Krieger unsterblich macht.«

»Das mögen die Götter verhüten,« flüsterte Sallust Julia zu. »Wenn Vespius unsterblich gemacht würde, welch ein Muster von einem langweiligen Prahlhans wäre da der Nachwelt überliefert.«

Der Krieger schaute verlegen drein, als zur unbegränzten Erleichterung seiner selbst und seiner Gefährten das Zeichen zur Tafel gegeben wurde.

Da wir bereits im Hause des Glaukus den gewöhnlichen Verlauf eins pompejanischen Mahles mit angesehen haben, so bleibt der Leser mit jeder zweiten Schilderung der Gänge und der Art und Weise, in welcher sie aufgetragen wurden, verschont.

Diomed, der ein Freund der Ceremonien war, hatte einen Nomenclator aufgestellt, der jedem Gast seinen Platz anwies.

Voraus schicken müssen wir, daß bei einem festlichen Mahl drei Tische an einander gerückt wurden; einer nämlich stund in der Mitte und einer auf jedem Flügel. Nur die Außenseite dieser Tische nahmen die Gäste ein; der innere Raum blieb zur größeren Bequemlichkeit der Aufwärter oder Ministri frei. Die äußerste Ecke des einen Flügels wurde Julia als der Dame des Hauses angewiesen, der Platz neben ihr dem Diomed. An einer Ecke des mittleren Tisches saßen der Aedil, an der entgegengesetzten aber der römische Senator. Dies waren die Ehrenplätze. Die andern Gäste waren so vertheilt, daß die jungen Leute (Damen oder Herrn) neben einander saßen, und die in den Jahren vorgerückteren auf gleiche Weise gepaart wurden; eine ganz angenehme Einrichtung, welches übrigens diejenigen, die noch immer für jung gehalten zu werden wünschten, oft vor den Kopf gestoßen haben muß.

Ione's Stuhl stund neben dem Ruhebett des Glaukus.Bei größeren Festlichkeiten saßen die Damen auf Stühlen, während die Männer auf Ruhebetten lagen. Nur im Schoße der Familien war dieselbe Bequemlichkeit auch dem zarteren Geschlechte gestattet. Der Grund ist einleuchtend. Die Sitze waren mit Schildkrötenschaalen ausgelegt und mit Polstern bedeckt, die voll Federn und mit den kostbarsten Stickereien Babylons geschmückt waren. An der Stelle der modernen Zierrathen sah man eherne, elfenbeinerne oder silberne Götterbilder; das heilige Salzfaß und die Laren fehlten nicht. Über Tisch und Sitze hing ein reicher Baldachin. An jeder Ecke des Tisches stunden hohe Kandelabern; denn obwohl es noch früh am Tage war, hatte man doch das Gemach verdunkelt. Von Dreifüßen, die an verschiedenen Stellen des Saales aufgestellt waren, erhob sich der Wohlgeruch von Myrrhe und Weihrauch, und auf dem Abacus oder Seitentisch waren große Gefäße und verschiedene Ornamente von Silber aufgestellt, zwar mit derselben Prahlsucht, aber mit ungleich größerem Geschmacke, als wir bei einem modernen Feste entwickelt finden.

Statt des bei uns gebräuchlichen Tischgebets wurden unabänderlich den Göttern Libationen gebracht, und Vesta, als die Königin der Hausgötter, empfing gewöhnlich zuerst diese dankbare Huldigung. Nachdem diese Ceremonie vorbei war, streuten die Sklaven Blumen auf die Ruhebetten und den Boden, und krönten jeden Gast mit Rosenkränzen, die mit Bändern durchflochten, auf Lindenbast geheftet und mit Epheu und Amethyst, den vermeintlichen Schutzmitteln gegen die Wirkungen des Weins, vermischt waren; nur bei den Kränzen der Frauen hatte man dieses Laub weggelassen, denn bei ihnen war es nicht Mode, Wein zu trinken – wenigstens nicht öffentlich. Nunmehr hielt es der vorsitzende Diomed für nothwendig, einen Basileus oder Direktor des Festes zu ernennen – ein wichtiges Amt, das bisweilen durch das Loos, bisweilen aber, wie im gegenwärtigen Falle, durch den Wirth zuerkannt wurde.

Diomed befand sich wegen der Wahl in nicht geringer Verlegenheit. Der invalide Senator war zu ernst und zu schwach für die genügende Erfüllung dieses Postens; der Aedil Pansa wäre zwar geeignet dazu gewesen, aber einen Mann zu wählen, der im amtlichen Range zunächst nach dem Senator kam, war eine Beleidigung gegen den Senator selbst. Während Diomed über die Verdienste der Andern mit sich selbst zu Rathe ging, gewahrte er den heitern Blick des Sallust und durch eine gewisse plötzliche Eingebung ernannte er den lebensfrohen Epikuräer zum Rang eines Direktors oder arbiter bibendi.

Sallust nahm seine Berufung mit geziemender Bescheidenheit an.

»Ich werde,« sagte er, »ein gnädiger König für diejenigen sein, welche tiefe Züge thun; gegen die Widerspenstigen aber mich so unerbittlich zeigen, wie Minos selbst – hütet Euch!«

Nun reichten die Sklaven Becken mit wohlriechendem Wasser herum; durch Abwaschung der Hände wurde das Fest eingeleitet und alsbald seufzte der Tisch unter dem ersten Gang.

Die anfänglich flüchtige und fessellose Unterhaltung gestattete Ionen und Glaukus, jenes süße Geflüster zu wechseln, welches mehr werth ist als alle Beredsamkeit in der Welt. Julia betrachtete sie mit blitzenden Augen.

»Wie bald werde ich an ihrer Stelle sein!« dachte sie.

Klodius aber, der am mittleren Tische seinen Platz hatte, und somit das Gesicht Julia's genau beobachten konnte, errieth ihre Mißstimmung und beschloß, sich dieselbe zu Nutze zu machen. Er redete sie über die Tafel hinüber in den längst bekannten Phrasen der Galanterie an, und da er von hoher Geburt und glänzendem Aeußern war, zeigte sich die eitle Julia bei all ihrer Liebe durchaus nicht unempfindlich gegen seine Aufmerksamkeiten.

Unterdessen wurden die Sklaven durch den wachsamen Sallust fortwährend in Thätigkeit erhalten. Er stürzte Becher auf Becher mit einer Geschwindigkeit hinunter, als wäre er Willens, die geräumigen Keller zu erschöpfen, die der Leser noch heutzutage unter dem Hause Diomeds sehen kann. Der würdige Kaufherr begann seine Wahl zu bereuen, als Amphora um Amphora angestochen und geleert wurde. Die Sklaven, insgesammt unter dem Mannesalter – (die jüngsten, welche den Wein füllten, waren etwa zehn Jahre alt, die ältesten aber, die in mit Wasser vermischten, zählten vielleicht fünf Jahre weiter) schienen Sallusts Eifer zu theilen und Diomeds Gesicht fing an zu glühen, als er die zuvorkommende Willfährigkeit bemerkte, mit der sie die Bemühungen des Festkönigs unterstützten.

»Verzeihe mir, o Senator,« sprach Sallust, »ich sehe, Du suchst Ausflüchte; aber Deine purpurne Borte kann Dich nicht retten – trink!«

»Bei den Göttern,« versetzte der Senator hustend, »meine Lungen stehen bereits in Flammen; Du gehst mit einer bewundernswerthen Schnelligkeit zu Werke, die selbst den Phaeton in den dunkelsten Schatten stellt. Ich bin schwach, o liebenswürdiger Sallust – Du mußt mich entschuldigen.«

»Ich nicht! – bei der Vesta! Ich bin ein unparteiischer Monarch – trink!«

Der arme Senator sah sich durch die Tischgesetze genöthigt, den Befehl zu vollziehen. Ach, jeder Becher brachte ihn dem stygischen Pfuhle näher!

»Sachte, sachte, mein König,« stöhnte Diomed, »wir fangen schon an zu –«

»Verrath!« unterbrach ihn Sallust – »keinen strengen Brutus hier – keine Einmischung in die königliche Gewalt.«

»Aber unsere weiblichen Gäste?«

»Lieben einen Zecher! – War nicht auch Ariadne in den Bacchus verliebt?«

Das Fest nahm seinen Fortgang – die Gäste wurden redseliger und lauter; das Dessert oder der letzte Gang stund bereits auf der Tafel und die Sklaven trugen Wasser mit Myrrhe und Ysop für die letzte Abwaschung umher. Zu gleicher Zeit schien ein rundes Tischchen, das den Gästen gegenüber aufgestellt war, sich plötzlich und wie durch Zauberei in der Mitte zu öffnen, und warf einen duftenden Staubregen, der die Tafel und die Gäste besprengte. Als dieser nachließ, wurde der Vorhang über ihnen weggezogen, und die Gäste erblickten ein Seil quer unter der Zimmerdecke ausgespannt, und einer jener schnellfüßigen Tänzer, wegen deren Pompeji so berühmt war und deren Nachkommen den Festlichkeiten bei Astley oder Vauxhall einen so bezaubernden Reiz beifügen, führte nun seinen lustigen Regen gerade über den Köpfen der Gäste aus.

Eine solche Erscheinung, die nur durch ein Seil von den Schädeln der Anwesenden getrennt, die heftigsten Sprünge macht, anscheinend in der Absicht, auf jene Cerebralregion herabzusteigen, würde wahrscheinlich von einer Gesellschaft in May-Fair mit einigem Schrecken betrachtet werden; unsere pompejanischen Bonvivants aber schienen das Schauspiel mit freudigere Neugier zu betrachten und klatschten in dem Verhältnis, in welchem der Tänzer mit der höchsten Schwierigkeit dem Sturz auf den Kopf des jeweiligen Gastes, über dem er tanzte, zu entgehen schien. Er erwies in der That dem Senator die besondere Aufmerksamkeit, vom Seil zu fallen und es wieder mit seiner Hand gerade in dem Augenblick zu erfassen, als die ganze Gesellschaft den Schädel des Römers so zerbrochen glaubte, als es je der des bekannten Dichters war, den der Adler für eine Schildkröte hielt.

Endlich hörte der Tänzer, wenigstens zur großen Beruhigung Ione's, die an solche Unterhaltung nicht sehr gewöhnt war, plötzlich auf, als sich Musik von außen hören ließ. Bald aber tanzte er von Neuem nur noch wilder; die Melodie wechselte, der Tänzer hielt abermals inne; doch selbst jetzt vermochte sie den Zauber noch nicht zu lösen, von dem er besessen schien. Er stellte einen Menschen vor, der durch eine eigenthümliche Krankheit zu tanzen genöthigt ist, und den nur eine bestimmte Musikweise heilen kann.Ein in Kampanien noch üblicher Tanz. Endlich schienen die Musiker den rechten Ton zu treffen; der Tänzer machte einen Sprung, ließ sich vom Seil herab, hüpfte auf den Fußboden und verschwand.

Jetzt trat eine Kunst an die Stelle der andern, und die Musiker, die außen auf der Terrasse aufgestellt waren, spielten eine sanfte und weiche Melodie, zu welcher die folgenden Worte gesungen wurden, die jedoch in Folge des ausnehmenden Piano's des Gesanges und der dazwischen befindlichen Wand kaum hörbar waren:

Durch diese Blumen sendet in die Kreise
Des Psilas ihre Grüße die Musik;
Pans Hirtenflöte blies die zarte Weise,
Hing Bacchus Aug an Ariadne's Blick.
Und wie er ausgießt jetzt die Thräne
Des süßen Rebenthaus,
So ströme, Harfe, deine Töne,
Für sie – für Aphrodite'n aus!

Den Krieger reißt zu Ares wilden Tänzen
Der weithin schmetternde Trompetenklang;
Die Liebe lispelt unter Rosenkränzen
Und liebt der Töne lispelnden Gesang.
Drum stehle sich Musik, o stehle,
Wie süß Geflüster dich ans Ohr,
Und wer dich hört, in dessen Seele
Ruf' der Geliebten Stimme vor!

Ich weiß nicht, wie es kam, aber am Ende dieses Liedes erröthete Ione's Wange tiefer als zu vor, und Glaukus hatte unter dem Schutzdache des Tisches ihre Hand zu erfassen gewagt.

»Ein hübscher Gesang,« sagte Fulvius mit Gönnermiene.

»Ach, wenn Du uns den Gefallen thun wolltest,« flüsterte die Gemahlin des Pansa.

»Wünschest Du, daß Fulvius singe?« fragte der König des Festes, der gerade die Gesellschaft aufgefordert hatte, das Wohl des römischen Senators, und zwar einen Becher auf jeden Buchstaben seines Namens zu trinken.

»Kannst Du noch fragen?« antwortete die Matrone mit einem verständlichen Blick auf den Dichter.

Sallust schlug ein Schnippchen mit dem Finger und flüsterte dem Sklaven, der zu Einholung seiner Befehle herbeisprang, einige Worte zu, worauf dieser verschwand und einige Augenblicke nachher mit einer kleinen Harfe in der einen und einem Myrtenzweige in der andern Hand wieder zurückkehrte.

Er näherte sich dem Dichter und überreichte ihm mit einer tiefen Verbeugung die Harfe.

»Ach, ich kann nicht spielen,« rief der Poet.

»Dann mußt Du zur Myrte singen. Es ist ein griechischer Brauch – Diomed liebt die Griechen – – Du liebst die Griechen – wir Alle lieben die Griechen, und unter uns gesprochen, ist das nicht das Einzige, was wir von ihnen gestohlen haben. Abgesehen hievon übrigens führe ich diesen Gebrauch ein – ich, der König – sing, Unterthan – sing.«

Mit verschämtem Lächeln nahm der Dichter die Myrte in seine Hand und sang nach einem kurzen Vorspiel folgendes Lied mit gefälliger und wohltönender Stimme:

Die Krönung der Liebesgötter.Hervorgerufen durch zwei pompejanische Gemälde im Museum zu Neapel, welche eine Taube und einen Helm darstellen, die von Liebesgöttern auf einen Thron gesetzt worden.

Die Liebesgötter trieben sich
Mit Spielen einst herum;
Doch Liebesgötter lieben sich
Nicht gar zu lange stumm.
Sie sangen und sprangen hinauf und hinab,
Da setzte es allerlei Streitigkeit ab.
Pfui, pfui, wie kann man auch toben so sehr?
Mein Liebchen, so gehe doch in dich,
Mir dünkt, es ist kaum eine Stunde erst her,
So waren wir selber so windig.

Die Liebesgötter waren wohl
Bis dahin immer frei;
Doch selbst die Götter fahren wohl
Drum kamen die Spielenden bald überein,
Es sollt einer König und Richter sein.
Ein Kuß – ach ein leidiger Potentat,
Mein Liebchen, was wäre ein Kuß uns,
Wenn ich wich' so weit von der Freiheit Pfad,
Und wählte die härteste Nuß uns!

Beim Plunderkram entdeckten sie
Von Mars ein alt Kasket,
Und auf dasselbe stecken sie
Ein mächtig Federnbouquet.
So hatte ein König noch nie eine Kron,
Schnell war der Behelmte gesetzt auf den Thron.
Der Tapfere, heißt es, gewinnt eine Welt,
Man wählte den tapfersten Helden,
Dein liebender Blick an die Spitze gestellt,
Gewänne sich sämmtliche Welten.

Die Liebesgötter, fand der Helm,
Zu meistern war kein Spiel;
Oft ist für den Verstand der Schelm,
Der einzige zu viel.
Sie quälten und quälten ihn bis er zuletzt
Sich eine Gehülfin zur Seite gesetzt.
Wenn Könige selber der Erde Beschwer,
Zu hart für den Einzelnen finden,
So ist sie zu hälften mein ernstlich Begehr,
Drum Liebchen, o lasse dich binden!

Die Taube sah schon lang im Haus
Dem tollen Spaße zu;
Dem König ward zu bang im Graus,
Es ließ ihm keine Ruh;
Er nahm die Taube zu sich auf den Thron
Und Alles empfing sie mit jubelndem Ton.
Süß Liebchen, o wären doch Throne nur mein,
Zu setzen auf sie meine Liebe!
Doch, mein' ich, wird Thrones genug für mich sein,
Dein Herz so voll Treue und Liebe.

Die Königin, so dachte man,
Sei milder noch als mild,
Doch als es galt, so machte man
Von ihr ein ander Bild.
Sie hatte das Herrschen von oben gelernt,
Nie war die Ruthe vom Scepter entfernt.
Mit dir ach hab' ich das gleiche Geschick,
Geliebte, die ich mir erlesen.
Wo fände sich je ein sanfterer Blick,
Und wo ein herrischer Wesen?

Dieser Gesang, der dem heitern und lebenslustigen Sinne der Pompejaner höchlich zusagte, wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen, und die Wittwe bestand darauf, ihren Namensvetter mit denselben Myrtenzweige zu krönen, zu dem er gesungen hatte. Der Zweig wurde leicht in einen Kranz umgebogen und der unsterbliche Fulvius unter Händeklatchen mit dem Ruf io triumphe! gekrönt. Gesang und Harfe machten jetzt die Runde in der Gesellschaft; ein neuer Myrtenzweig ging von Hand zu Hand und hielt bei jeder Person, die sich bestimmen ließ, zu singen.Nach Plutarch (Symo. lib. I) scheint es, daß der Myrten- oder Lorbeerzweig nicht der Ordnung nach herumgereicht wurde, sondern von der ersten Person auf dem ersten Ruhebett zu der ersten Person auf dem zweiten, und dann von der zweiten Person auf dem ersten Ruhebett auf die zweite Person auf dem zweiten überging u.s.w.

Die Sonne begann jetzt zu sinken, obgleich die Schmausenden, die bereits mehre Stunden beisammen saßen, in dem verdunkelten Gemache es nicht bemerkten; der Senator aber, der müde war, und der Krieger, der nach Herkulanum zurückkehren wollte, erhoben sich und gaben damit das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch.

»Verziehet noch einen Augenblick, meine Freunde,« rief Diomed; »wenn Ihr so bald gehen wollt, so müßt Ihr wenigstens an unserem Schlußspiel Theil nehmen.«

Mit diesen Worten winkte er einem der Ministri und flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf der Sklave hinausging, alsbald aber mit einem kleinen Gefäß wieder erschien, das verschiedene, sorgfältig versiegelte und dem Anscheine nach ganz gleiche Täfelchen enthielt. Jeder Gast mußte eines derselben zu dem Preis der niedrigsten Silbermünze kaufen, und der Spaß dieser Lotterie (welche eine Lieblingsunterhaltung des Augustus war, der sie einführte) bestund in der Ungleichheit und bisweilen Ungereimtheit der Gewinnste, deren Beschaffenheit und Werth auf den Täfelchen bezeichnet waren. So z.B. zog der Dichter mit verzerrtem Gesicht eines seiner eigenen Gedichte (nie noch schluckte ein Arzt seine eigene Arznei unwilliger hinunter); der Krieger gewann eine Nadelbüchse, was einige witzige Anspielungen auf Herkules und den Spinnrocken hervorrief; die Wittwe Fulvia erhielt einen großen Trinkbecher; Julia eine Herrenschnalle und Lepidus eine Damenschminkdose. Das passendste Loos zog der Spieler Klodius, der roth vor Ärger wurde, als man ihm ein Paar falsche Würfel überreichte; die Heiterkeit aber, welche diese verschiedenen Ziehungen veranlaßt hatten, wurde gewissermaßen gedämpft durch einen Unfall, den man als eine bloße Vorbedeutung ansah. Glaukus zog den werthvollsten aller Gewinnste, eine kleine marmorne Statue der Fortuna von griechischer Arbeit; als sie ihm aber der Sklave einhändigen wollte, ließ er sie fallen und sie zerbrach in Stücke.

Ein Schauder durchzog alle Anwesenden und Jeder rief unwillkürlich aus: »Dii avertite omen!«

Glaukus allein stellte sich, obwohl vielleicht ebenso abergläubisch als die Übrigen, ruhig und gleichgültig.

»Süße Neapolitanerin,« flüsterte er zärtlich Ionen zu, die ebenso blaß geworden war wie der zerbrochene Marmor, »ich nehme das Omen an. Es bedeutet, daß Fortuna, da sie Dich mir schenkt, mir nichts weiter zu geben vermag – sie zerbricht ihr Bild, da sie mich mit dem Deinigen beglückt.«

Zu Beseitigung des Eindrucks, den dieser Zwischenfall in einer Versammlung veranlaßte, die in Anbetracht der Bildung der Gäste für erstaunlich abergläubisch gelten müßte, sähen wir nicht noch heutzutage bei einer Landpartie eine Dame wehmütig werden, weil sie als die letzte von dreizehn Personen das Zimmer verläßt – zu Beseitigung dieses Eindruckes also bekränzte Sallust jetzt seinen Becher mit Blumen und brachte das Wohl des Wirthes aus. Hierauf folgte ein Trinkspruch auf das Wohl des Kaisers und dann wurde das Fest, nachdem man dem Merkur einen Abschiedsbecher gebracht, – durch eine letzte Libation geschlossen und die Gesellschaft brach auf.

In Pompeji selbst bediente man sich selten der Wagen, theils wegen der überaus engen Straßen, theils wegen der Kleinheit der Stadt. Die meisten der Gäste zogen also ihre Sandalen wieder an, die sie im Banketzimmer abgelegt hatten, hüllten sich in ihre Mäntel, und verließen, gefolgt von ihren Sklaven, das Haus zu Fuß.

Unterdessen wurde Glaukus, der sich von Ione verabschiedet und sich noch in der in die Gemächer Julia's hinabführenden Treppe gewandt hatte, von einer Sklavin in ein Zimmer geführt, wo ihn des Kaufherrn Tochter bereits sitzend erwartete.

»Glaukus!« sage sie, die Augen niederschlagend, »ich sehe, daß Du Ione wirklich liebst – sie ist auch in der That schön!«

»Julia ist reizend genug, um großmüthig zu sein,« antwortete der Grieche. »Ja, ich liebe Ione; mögest Du unter all den jungen Männern, die Dir den Hof machen, einen ebenso aufrichtigen Anbeter haben.«

»Bitte die Götter, daß sie mir dies gewähren! Sieh Glaukus, diese Perlen sind die Gabe, die ich Deiner Anmuth bestimme; möge ihr Juno Gesundheit verleihen, um sie lange zu tragen!«

Mit diesen Worten legte sie ein Etui in Glaukus Hände, das eine Reihe Perlen von beträchtlicher Größe und Kostbarkeit enthielt. Es war so sehr gebräuchlich, daß Brautleute derartige Geschenke erhielten, daß sich Glaukus nicht wohl bedenken konnte, die Halsschnur anzunehmen, obgleich der galante und stolze Athener im Stillen beschloß, die Gabe durch eine dreimal werthvollere zu ersetzen. Hierauf goß Julia, seine Danksagungen unterbrechend, etwas Wein in einen kleinen Becher.

»Du hast manche Toaste mit meinem Vater getrunken,« sagte sie lächelnd, »trinke jetzt auch einen mit mir. Glück und Gesundheit Deiner Braut.«

Sie berührte den Becher mit ihren Lippen und reichte ihn sodann dem Glaukus. Der hergebrachten Sitte, welche forderte, daß Glaukus den ganzen Inhalt des Bechers leerte, kam dieser sofort nach. Unbekannt mit dem Betrug, den ihr Nydia gespielt hatte, bewachte Julia den Griechen mit funkelnden Augen; obgleich nämlich die Hexe ihr vorausgesagt hatte, daß die Wirkung vielleicht nicht sogleich erfolge, hoffte sie doch auf eine augenblickliche Einwirkung zu Gunsten ihrer Reize. Sie sah sich deshalb schmerzlich getäuscht, als Glaukus den Becher kaltblütig wieder hinstellte und mit ihr in demselben gleichgültigen, aber höflichen Tone wie zuvor plauderte, und obgleich sie ihn so lange zurückhielt, als es der Anstand irgend zuließ, trat doch keine Veränderung in seinem Benehmen ein.

»Aber morgen,« dachte sie, sich freudig aus ihrer Mißstimmung aufrichtend, »morgen, wehe Dir, Glaukus!«

Ja leider, wehe ihm!


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