Edward Bulwer-Lytton
Die letzten Tage von Pompeji
Edward Bulwer-Lytton

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Zehntes Kapitel.

Der Herr vom brennenden Gürtel und seine Vertraute – Das Schicksal schreibt seine Weissagungen mit rothen Buchstaben, aber wer liest sie.

Arbaces hatte nur gewartet, bis ihm das Aufhören des Sturmes gestattete, unter dem Dunkel der Nacht die Saga des Vesuvs aufzusuchen. Von denjenigen seiner zuverlässigsten Sklaven getragen, denen er bei allen seinen geheimeren Unterredungen sich anzuvertrauen gewöhnt war, lag er ausgestreckt in seiner Sänfte und sein sanguinisches Herz überließ sich den Träumereien von gestillter Rache und erwiderter Liebe. Auf einrr so kurzen Strecke bewegten sich die Sklaven nicht viel langsamer als der gewöhnliche Schritt der Maulthiere; und so kam Arbaces bald am Eingange eines engen Pfades an, den die Liebenden nicht bemerkt hatten, und der an den dichten Rebenpflanzungen sich hinziehend, gerade zu der Wohnung der Hexe führte. Hier ließ er die Sänfte halten, befahl seinen Sklaven sich selbst und das Fahrzeug unter den Weinstöcken vor den Blicken der Vorübergehenden zu verbergen, und stieg sodann allein, seine noch schwachen Schritte durch einen langen Stab unterstützend, den unfruchtbaren und steilen Abhang hinauf.

Kein Regentropfen fiel vom ruhigen Himmel, aber von den schweren Rebenblättern träufte die Nässe wehmüthig herab und sammelte sich da und dort in den Rissen und Spalten des felsigen Pfades zu kleinen Sümpfen.

»Seltsame Leidenschaften sind es für einen Philosophen,« dachte Arbaces, »die einen Mann wie ich, der eben erst vom Krankenlager erstanden ist, und selbst in gesunden Tagen auf den weichsten Lagern ruht, auf solch nächtliche Wege führen – aber wenn Liebe und Rache ihrem Ziele zuschreiten, können sie aus einem Tartarus ein Elysium machen.«

Hoch, klar und wehmüthig schien der Mond auf die Bahn dieses dunklen Pilgers, aus jedem kleinen Pfuhl zurückstrahlend und auf dem abhängigen Berge düster ruhend. Vor sich sah Arbaces dasselbe Licht, das die Schritte seiner beabsichtigten Opfer geleitet hatte, aber da die schwarzen Wolken keinen Gegensatz mehr bildeten, so schien auch seine rothe Flamme nicht mehr so hell.

Als er sich endlich der Windung der Höhle näherte, blieb Arbaces stehen, um Athem zu schöpfen; und trat sodann mit seinem gewohnten ruhigen und stattlichen Wesen über die unheilige Schwelle.

Beim Eintritt dieses neuen Ankömmlings sprang der Fuchs auf und kündigte durch ein langes Geheul seiner Gebieterin den neuen Besuch an.

Die Hexe hatte wieder ihren Sitz eingenommen und in ihrer ganzen Gestalt lag wieder jene grabesähnliche, grimmige Ruhe. Zu ihren Füßen, auf einem Lager von trockenen Kräutern, die sie halb bedeckten, lag die verwundete Schlange; der schnelle Blick des Egypters bemerkte jedoch, wie ihre Schuppen im Wiederschein des Feuers glänzten, und wie sie in Schmerz und unbefriedigter Wuth ihre Ringe halb zusammenzog, halb verlängerte.

»Nieder Sklave,« gebot die Hexe wie zuvor dem Fuchs, und wie zuvor legte sich das Thier auf den Boden – stumm aber wachsam.

»Erhebe Dich, Dienerin der Macht und des Erebus,« sprach Arbaces gebieterisch, »ein Höherer in Deiner Kunst begrüßt Dich! Erhebe Dich und begrüße ihn!«

Bei diesen Worten richtete die Hexe ihren Blick auf des Egypters hohe Gestalt und dunkle Züge. Sie blickte ihn lange und fest an, wie er in seinem morgenländischen Gewand mit gekreuzten Armen und entschiedener und stolzer Stirne vor ihr stand.

»Wer bist Du?« fragte sie endlich, »der sich größer in der Kunst nennt als die Saga der brennenden Felder und die Tochter des untergegangenen etrurischen Stammes?«

»Ich bin der,« antwortete Arbaces, »von dem alle Zauberer von Nord bis Süd, von Ost bis West, vom Ganges und Nil bis zu den Thälern Thessaliens und den Küsten der gelben Tiber in Ehrerbietung gelernt haben.«

»Es gibt nur einen solchen Mann in dieser Gegend,« erwiderte die Hexe, »den die Menschen der niedern Welt in Unkenntnis seiner höheren Eigenschaften und seines geheimeren Rufes Arbaces den Egypter nennen; bei uns aber, den Geistern höherer Natur und tieferen Wissens, heißt sein rechtmäßiger Name Hermes vom brennenden Gürtel.«

»Schau mich noch einmal an,« versetzte Arbaces, »ich bins.«

Bei diesen Worten schlug er sein Gewand aus einander und zeigte einen anscheinend feurigen Gürtel, der um seine Lenden flammte und in der Mitte durch eine Platte geschlossen wurde, worin ein dem Ansehen nach unbestimmtes und unverständliches Zeichen eingegraben war, das jedoch die Saga offenbar kannte. Sie stund hastig auf und warf sich dem Arbaces zu Füßen.

»Ich habe also,« begann sie im Tone tiefer Demuth, »den Herrn des mächtigen Gürtels gesehen – empfange meine Huldigung.«

»Steh auf,« sprach der Egypter, »ich bedarf Dein.«

Während er dies sprach, setzte er sich auf dasselbe Holzscheit, auf welchem Ione zuvor geruht hatte und winkte der Hexe, ihren Sitz wieder einzunehmen.

»Du behauptest,« fuhr er fort, nachdem sie seiner Weisung nachgekommen war, »eine Tochter der alten etrurischen Stämme zu sein,Es ist wohl kaum nöthig zu bemerken, daß die Etrurier wegen ihrer Zaubereien berühmt waren. deren Felsenstädte noch jetzt mit ihren mächtigen Mauern zornig auf das Räubervolk hinabschauen, das sich ihrer alten Herrschaft bemächtigt hat. Diese Stämme kamen theils aus Griechenland, theils waren sie Flüchtlinge von einem glühenderen und älteren Boden. In beiden Fällen bist Du egyptischer Abkunft, denn die Besieger der Ureinwohner Griechenlands gehörten zu den unruhigen Söhnen, die der Nil aus seinem Schooße verbannte. Du stammst also, o Saga, von Vorfahren ab, die den meinigen den Eid der Unterwürfigkeit schwuren. Durch Geburt sowohl als durch Wissen bist Du die Unterthanin des Arbaces. Höre mich denn an und gehorche!«

Die Hexe neigte ihr Haupt.

»Welche Zauberkünste wir auch besitzen,« fuhr Arbaces fort, »So sehen wir uns doch bisweilen zur Erreichung unseres Zwecks auf natürliche Mittel hingewiesen. Der Ring und der Krystall, die Asche und die Kräuter geben keine untrügliche Aussprüche; und selbst die höheren Geheimnisse des Monds entbinden den Besitzer des Gürtels nicht von der Nothwendigkeit, dann und wann menschliche Maßregeln zu einem menschlichen Zwecke anzuwenden; höre mich also! Du bist, so viel ich weiß, mit den Geheimnissen der tödtlicheren Kräuter wohl vertraut; Du kennst diejenigen, welche das Leben anhalten, welche die Seele durch Glut und Feuer aus ihrer Veste treiben, oder die Kanäle des jungen Bluts zu jenem Eis erstarren, das keine Sonne schmelzen kann. Überschätze ich Deine Kunst? Sprich, und zwar aufrichtig!«

»Mächtiger Hermes, dies ist allerdings mein Wissen. Betrachte diese geisterhaften und leichenähnlichen Züge, – die Farben des Lebens sind bloß deshalb aus ihnen geschwunden, weil ich über den giftigen Kräutern wache, die Tag und Nacht in jenem Kessel sieden.«

Als die Hexe so sprach, rückte der Egypter aus einer so unheiligen und ungesunden Nachbarschaft weg.

»Es ist gut,« antwortete er, »Du hast Dir jenen Grundsatz alles tiefen Wissens zu eigen gemacht, der da sagt: ›Verachte den Leib, um den Geist weise zu machen.‹ Doch jetzt zu Deiner Aufgabe. Sobald die Sterne morgen am Himmel erscheinen, kommt ein eitles Mädchen zu Dir, die von Deiner Kunst einen Liebeszauber verlangen wird, um Augen, die nur den ihrigen Süßigkeiten zuwinken sollten, von einer andern abzuziehen; statt der Liebestränke aber gib ihr eines Deiner stärksten Gifte. Möge der Liebhaber seine Gelübde den Schatten vorseufzen.«

Die Hexe zitterte von Kopf bis Fuß.

»O Verzeihung, Verzeihung furchtbarer Meister,« stammelte sie, »aber dies wage ich nicht. Das Gesetz in diesen Städten ist streng und wachsam, man wird mich festnehmen und tödten.«

»Zu welchem Zwecke also Deine Kräuter und Tränke, eitle Saga?« fragte Arbaces höhnisch.

Die Hexe verbarg ihr abscheuliches Gesicht in ihren Händen.

»Oh, vor Jahren,« sprach sie mit einer ungewöhnlich wehmüthigen und sanften Stimme, »war ich nicht, was ich jetzt bin – ich liebte und glaubte mich wieder geliebt.«

»Und was hat Deine Liebe, Hexe, mit meinen Befehlen zu schaffen?« fragte Arbaces heftig.

»Geduld,« erwiderte die Alte; »Geduld, ich bitte Dich. Ich liebte! eine Andere, nicht so schön als ich – ja, bei der Nemesis! nicht so schön, lockte meinen Auserwählten von mir ab – ich gehörte zu jenem dunkeln etrurischen Stamm, der vor allen andern die Geheimnisse der finstern Magie kannte. Meine Mutter selbst war eine Saga; sie theilte die Rachbegierde ihres Kindes; aus ihren Händen empfing ich den Trank, der mir seine Liebe wieder gewinnen, sowie das Gift, das meine Nebenbuhlern tödten sollte. O zermalmt mich, ihr fürchterlichen Wände! meine zitternden Hände verwechselten die Gefäße; mein Geliebter fiel mir allerdings zu Füßen, aber todt, todt! Was ist seit der Zeit das Leben für mich gewesen? Ich wurde plötzlich alt und weihte mich den Zauberkünsten meines Stammes; noch immer aber verdamme ich mich durch einen unwiderstehlichen Antrieb zu fürchterlicher Strafe, noch immer suche ich die schädlichsten Kräuter; noch immer koche ich Gift; und noch immer bilde ich mir ein, ich werde es meiner verhaßten Nebenbuhlerin geben; noch immer gieße ich es in das Gefäß, noch immer glaube ich, es werde ihre Schönheit zu Staub versengen; noch immer erwache ich und sehe den zuckenden Körper, die schäumenden Lippen, die starren Augen meines Aulus – ermordet und durch mich.«

Die fleischlose Gestalt der Hexe bebte unter gewaltigen Zuckungen.

Arbaces betrachtete sie mit neugierigen, aber verächtlichen Blicken.

»Und dieses gesunkene Wesen hat noch menschliche Regungen,« dachte er, »noch immer kauert sie über der Asche desselben Feuers, das den Arbaces verzehrt – so sind wir Alle! geheimnisvoll ist das Band dieser sterblichen Leidenschaften, das den Größten mit dem Kleinsten verbindet.«

Er antwortete nicht, bis die Alte sich wieder etwas erholt hatte. Bald aber saß sie, obwohl sich hin- und herbewegend, wieder auf ihrem Stuhl, die gläsernen Augen auf die Flamme heftend und große Thränen auf den bleichen Wangen.

»Deine Geschichte ist allerdings eine schmerzliche,« sagte Arbaces, »aber solche Leidenschaften ziemen sich nur für die Jugend; das Alter sollte unsere Herzen gegen Alles außer uns verhärten; wie jedes Jahr dem Schalthier eine weitere Schuppe hinzufügt, so sollte auch jedes Jahr das Herz ummauern und bekrusten. Schlag' Dir diese Tollheiten aus dem Kopf und höre mich jetzt an! Bei der Rache, die Dir theuer war, befehle ich Dir, mir zu gehorchen! Dieser Knabe, den ich mir aus dem Wege räumen möchte, hat meine Plane durchkreuzt – trotz meiner Zauberkünste; – dieses Ding von Purpur und Stickerei – von Lächeln und Liebäugeln – ohne Seele und ohne Geist – mit keinem Vorzug als dem der Schönheit – verflucht sei es – dieses Insekt – dieser Glaukus – ich sag' es Dir, beim Orkus und bei der Nemesis! er muß sterben!«

Bei jedem Worte seine Wuth steigernd, ging der Egypter, seine Schwäche und seine sonderbare Gefährtin, ja Alles außer seiner rachsüchtigen Wuth vergessend, mit großen und hastigen Schritten in der düstern Höhle auf und ab.

»Glaukus, sagtest Du, mächtiger Meister,« rief plötzlich die Hexe, und ihr dunkles Auge glühte bei dem Namen von der wilden Rachsucht, wie sie der Einsame und Gemiedene selbst bei der Erinnerung an kleinere Beleidigungen so häufig fühlt.

»Ja, so heißt er; aber was thut der Name zur Sache? Möge er nach drei Tagen, von heute an, nicht mehr als der eines Lebenden genannt werden!«

»Höre mich,« sprach jetzt die Hexe, wie aus einem kurzen Traume erwachend, worein sie nach den letzten Worten des Egypters gesunken war, »höre mich! ich bin Dein Geschöpf und Deine Sklavin; schone mich! wenn ich dem Mädchen das gebe, wovon Du sprichst, einen Trank, der das Leben des Glaukus zerstört, so werde ich gewiß entdeckt – der Todte findet immer seine Rächer. Noch mehr, Du fürchterlicher Mann! wenn Dein Besuch bei mir ausgekundschaftet wird – wenn Dein Haß gegen Glaukus bekannt ist, so möchtest Du wohl Deiner mächtigsten Zauberkünste bedürfen, um Dich selbst zu schützen.«

»Ha,« sprach Arbaces, plötzlich innehaltend; jetzt erst nämlich trat ihm – ein Beweis jener Blindheit, womit die Leidenschaft selbst das schärfste Auge schlägt – die Gefahr, der er sich durch diese Art der Rache aussetze, vor seinen gewöhnlich so behutsamen und umsichtigen Geist.

»Aber,« fuhr die Hexe fort, »wenn ich statt dessen, was dem Schlage des Herzens ein Ende setzt, das gebe, was das Gehirn versengt und verbrennt – was den, der es trinkt, zu den gewöhnlichen Geschäften des Lebens unbrauchbar macht – zu einem verworfenen, rasenden, umnachteten Wesen – was den Verstand in Narrheit und Jugend in kindisches Wesen verwandelt – wird da Deine Rache nicht in gleichem Maße befriedigt, Dein Zweck nicht in gleichem Grade erreicht?«

»O Hexe! nicht länger die Dienerin, sondern die Schwester des Arbaces, mit ihm in einem Range stehend – wie erfinderischer ist doch Weiberwitz selbst in der Rache, als der unsrige! Wie viel schrecklicher als der Tod ist solch ein Loos!«

»Und,« fuhr die Hexe fort, ihrem abscheulichen Plane nachdenkend, »hiebei ist nur wenig Gefahr, denn unser Opfer kann auf zehntausend Arten, welche die Menschen nicht auskundschaften können, wahnsinnig geworden sein. Er kann in den Weinbergen eine Nymphe gesehenDem volkstümlichen Aberglauben der Alten zufolge wurde Jeder, der eine Nymphe sah, wahnsinnig. – oder der Wein selbst auf ihn diese Wirkung hervorgebracht haben, ha, ha! Die Menschen untersuchen solche Sachen, bei welchen die Götter unmittelbar eingewirkt haben können, nie so genau. Und laß auch das Schlimmste geschehen – laß es bekannt werden, daß ein Liebeszauber die Ursache gewesen sei – nun so ist ja Wahnsinn eine gewöhnliche Wirkung solcher Tränke und selbst die Schöne, die ihn gereicht, wird deshalb Nachsicht finden. Mächtiger Hermes, habe ich Dir schlau gerathen?«

»Dafür sollst Du zwanzig Jahre länger leben,« entgegnete Arbaces, »ich will von Neuem die Epoche Deines Schicksals ins Angesicht der blassen Sterne schreiben – Du sollst dem Herrn des brennenden Sinnes nicht umsonst dienen. Und hier, Saga, mit diesen goldenen Werkzeugen grabe Dir eine wärmere Zelle in dieser traurigen Höhle – ein einziger mir erwiesener Dienst soll Dir mehr eintragen, als tausend Prophezeihungen, die Du den staunenden Bauern aus Sieb und Schere verkündest.«

Mit diesen Worten warf er eine schwere Börse auf den Boden, die den Ohren der Hexe nicht unmusikalisch erklang; denn wenn die Alte auch die Bequemlichkeiten des Lebens verschmähte, so fand sie doch Wonne in dem Bewußtsein, die Mittel zu deren Erwerbung zu besitzen.

»Lebewohl,« sagte Arbaces, »laß es nicht fehlen; überwache die Sterne, während Du Deinen Trank bereitest. – Du wirst die erste sein unter Deinen Schwestern am Wallnußbaum,Das aus dem ältesten Zeiten der berühmte Stelldichein der Hexen bei Benevent. Die geflügelte dabei befindliche Schlange, lange ein Gegenstand abgöttischer Verehrung in jener Gegend, erhielt wahrscheinlich ihre Weihe durch egyptischen Aberglauben. wenn Du ihnen sagst, Hermes, der Egypter, sei Dein Gönner und Freund. Morgen Nacht sehen wir uns wieder.«

Er verzweifelte nicht länger, um das Lebewohl oder die Danksagungen der Hexe anzuhören, sondern trat mit raschem Schritte in die mondhelle Luft hinaus und eilte den Berg hinab.

Die Hexe, die ihm bis zur Schwelle gefolgt war, stund lang am Eingang der Höhle, seiner entweichenden Gestalt starr nachschauend; und wie das bleiche Mondlicht auf ihre hageren Formen und ihr todtenähnliches, aus den schrecklichen Felsen hervorragendes Gesicht niederströmte, da schien es, als sei in der That ein Wesen, das übernatürliche Zauberkraft besitze, dem finstern Orkus entwichen und das vorderste Glied der Geisterschaar stehe an seinen schwarzen Thoren, und fordere vergebens den Flüchtling zur Rückkehr auf, oder seufze fruchtlos, mit ihm ziehen zu dürfen.

Dann kehrte die Hexe langsam in die Höhle zurück, hob stöhnend die schwere Börse auf, nahm die Lampe, und schritt in den entferntesten Winkel ihrer Zelle, wo sie ein schwarzer und plötzlich hervortretender Gang angähnte, der nur ganz in der Nähe sichtbar war, da ihn rings herum vorspringende und scharfe Felsen einschlossen. Sie machte mehrere Schritte vorwärts auf diesem düstern Pfad, der sich allmählig abwärts senkte, als ob er in die Eingeweide der Erde führe, hob sodann einen Stein auf und legte ihren Schatz in ein unter demselben befindliches Loch, das, wie der Schein der Lampe zeigte, bereits Münzen von verschiedenem Werthe zu enthalten schien, die ihr die Leichtgläubigkeit oder Dankbarkeit ihrer Besucher eingetragen hatte.

»Ich betrachte euch gerne,« sagte sie zu den Geldstücken sich wendend, »denn bei eurem Anblicke fühle ich, daß ich in der That mächtig bin. Und ich soll noch zwanzig Jahre länger leben, um euren Vorrath zu vermehren? O du großer Hermes!«

Sie legte den Stein wieder an seine Stelle und verfolgte ihren Pfad noch einige Schritte weiter, bis sie vor einer tiefen, unregelmäßigen Spalte in der Erde stehen blieb. Als sie sich hier niederbeugte, hörte sie sonderbar rollende, dumpfe Töne in der Ferne, während von Zeit zu Zeit mit lautem und widrigem Geräusch, gerade als würde Stahl auf einem Rade geschliffen, Säulen eines dunklen Rauches hervorstiegen und sich in Schneckenlinien durch die Höhlen hinzogen.

»Die Schatten sind thätiger als gewöhnlich,« sagt die Hexe ihre grauen Locken schüttelnd, und als sie in die Höhle hineinsah, gewahrte sie weit unten den Schimmer eines langen Lichtstreifens von einem glühenden aber dunkeln Roth. »Sonderbar,« sagte sie zurückschaudernd, »erst seit zwei Tagen ist dieses dumpfe, tiefe Licht sichtbar – was kann es bedeuten?«

Der Fuchs, der seiner Gebieterin auf dem Fuße nachgefolgt war, stieß ein furchtbares Geschrei aus und kroch nach dem innern Theil der Höhle zurück. Ein kalter Schauder ergriff die Hexe selbst bei dem Klageruf des Thieres, der, da er anscheinend keinen äußern Grund hatte, nach dem Aberglauben jener Zeit für ein böses Omen gehalten wurde. Sie murmelte ihren Gegenzauber und schwankte in ihre Höhle zurück, wo sie inmitten ihrer Kräuter und Beschwörungsformeln die Befehle des Egypters zu vollziehen Anstalt traf.

»Er nannte mich wahnsinnig,« sprach sie, während der Rauch aus dem zischenden Kessel stieg; »wenn die Kinnlade herabsinkt und die Zähne ausfallen und das Herz kaum mehr schlägt, dann ist es nichts besonderes um den Wahnsinn; aber wenn,« fügte sie mit wildem und frohlockendem Grinsen hinzu, »wenn die Jungen, Schönen und Starken plötzlich vom Wahnsinn befallen werden – ha, das ist schrecklich! Brenne Flamme, koche Kraut, brate Kröte – ich habe ihn verflucht und er soll verflucht sein!«

In derselben Nacht und in derselben Stunde, in welcher die dunkle und unheilige Unterredung zwischen Arbaces und der Saga stattfand, wurde Apäcides getauft.


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