Edward Bulwer-Lytton
Die letzten Tage von Pompeji
Edward Bulwer-Lytton

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Siebentes Kapitel.

Das heitere Leben des pompejanischen Müßiggängers – Ein Miniatur-Bild der römischen Bäder.

Als Glaukus Ione verließ, kam es ihm vor, als ob er durch die Luft dahinzöge. Bei der Unterredung, mit der er soeben beglückt worden war, hatte er zum erstenmale deutlich bemerkt, daß seine Liebe ihr nicht unangenehm sei und er Erwiderung hoffen dürfe. Diese Hoffnung erfüllte ihn mit einem Entzücken, dem die Erde und der Himmel zu eng erschienen. Ohne zu wissen, welchen Feind er sich eben gemacht und zurückgelassen, vergaß Glaukus nicht nur seine Sticheleien, sondern sogar dessen ganzes Dasein. Er durchwandelte die muntern Straßen, indem er im Freudentaumel die Musik des milden Liedes wiederholte, das Ione mit so großem Vergnügen angehört hatte. Jetzt trat er in die Straße der Fortuna, mit ihrem erhöhten Fußpfade und ihren von außen bemalten Häusern, durch deren offene Thüren man die glänzenden Festtagsgemälde im Innern erblickte. An jedem Ende der Straße befand sich ein Triumphbogen, und als Glaukus nun vor den Fortunatempel kam, verlieh die vorspringende Säulenhalle dieses schönen Gebäudes, das von einem Gliede der Familie Cicero's, vielleicht von dem Redner selbst, erbaut worden sein soll, der Scene, deren Charakter sonst mehr glänzend als erhaben war, etwas Edles und Verehrungswürdiges. Dieser Tempel war eines der anmuthigsten Werke römischer Baukunst. Er erhob sich auf einem etwas hohen Podium, und zwischen zwei Treppenfluchten, die zu einer Plattform führten, stand der Altar der Göttin. Von dieser Plattform führte eine dritte Flucht von breiten Treppen zu dem Portikus, von dessen geriefelten Seiten reiche Blumenkränze herabhingen. An den beiden Enden des Tempels stunden von griechischen Künstlern verfertigte Bildsäulen, und in geringer Entfernung erhob sich ein kleiner Triumphbogen, mit der Reiterstatue des Kaligula, zu deren beiden Seiten bronzene Trophäen angebracht waren. In dem Raume vor dem Tempel war eine lebhafte Volksmenge versammelt; die Einen saßen auf Bänken und unterhielten sich über Staatsangelegenheiten; die Andern sprachen von den bevorstehenden Schauspielen im Amphitheater. Eine Gruppe junger Männer lobte eine neue Schönheit und eine andere stritt über den Werth des neuesten Lustspiels; eine dritte, aus bejahrten Personen bestehende Gruppe, besprach die Wechselfälle des Handels mit Alexandria. Hiebei sah man viele Kaufleute in morgenländischer Tracht, deren eigenthümliche, weite Gewänder, farbige und mit Edelsteinen besetzte Pantoffeln, ruhige und ernste Gesichter zu den Tuniken und dem lebhaften Geberdenspiel der Italiener einen auffallenden Gegensatz bildeten. Dieses lebhafte und ungeduldige Volk nämlich hatte damals schon noch eine andere als die mündliche Sprache – eine Sprache durch sprechende und überaus lebhafte Zeichen. Ihre Nachkommen haben sie beibehalten, und der gelehrte Jorio hat über diese Art hieroglyphischer Gestikulation ein sehr unterhaltendes Werk geschrieben.

Glaukus schritt heiter durch die Menge hindurch und befand sich bald unter einem Haufen seiner lustigen und ausgelassenen Freunde.

»Ah!« sagte Sallust, »ich habe Dich seit einem Lustrum nicht mehr gesehen.«

»Und wie hast Du dieses Lustrum zugebracht? hast Du einige neue Gerichte erfunden?«

»Ich beschäftigte mich mit den Wissenschaften,« versetzte Sallust, »und manche Versuche über die Lampretenfütterung; ich gestehe übrigens, daß ich daran verzweifle, sie zu der Vollkommenheit zu bringen, die unsere Vorfahren erreichten.«

»Unglücklicher! und warum?«

»Weil,« antwortete Sallust mit einem Seufzer, »es nicht mehr erlaubt ist, ihnen Sklaven zur Speise vorzuwerfen. Schon mehr als einmal fühlte ich mich versucht, meinen fetten Kellermeister in den Fischbehälter zu werfen. Er würde den Fischen einen sehr öligen Geschmack verleihen. Aber Sklaven sind heutzutage keine Sklaven mehr, und haben kein Mitgefühl für die Interessen ihrer Herren, sonst würde sich Davus mir zu gefallen selbst umbringen.«

»Was gibt es Neues aus Rom?« fragte Lepidus, als er sich der Gruppe langsamen Schrittes näherte.

»Der Kaiser hat den Senatoren ein prächtiges Abendessen gegeben,« antwortete Sallust.

»Er ist ein gutes Geschöpf,« fiel Lepidus ein; »man versichert, er lasse Niemand von sich, ohne ihm seine Bitte zu gewähren.«

»Vielleicht würde er mir erlauben, einen Sklaven für meinen Fischbehälter zu tödten,« entgegnete Sallust lebhaft.

»Es kann wohl sein,« sagte Glaukus, »denn wer einem Römer eine Gunst erzeugt, muß dies immer auf Kosten eines Andern thun; sei überzeugt, daß für jedes Lächeln, das Titus hervorrief, hundert Augen geweint haben.«

»Lang lebe Titus!« sagte Pansa, der, mit einer Beschützermiene sich durch die Menge Bahn brechend, den Namen des Kaisers gehört hatte, »er hat meinem Bruder eine Quästorstelle versprochen, der sein Vermögen vergeudet hat.«

»Und jetzt auf Kosten des Volks sich wieder bereichern will; nicht wahr, mein lieber Pansa?« fiel Glaukus ein.

»Nun gewiß!« antwortete der Aedil.

»Das heißt das Volk doch zu Etwas nütze zu machen,« bemerkte Glaukus.

»Ohne Zweifel,« erwiderte Pansa; »aber ich muß jetzt fort und nach dem Ärarium sehen, das Verbesserungen nöthig hat.«

Mit diesen Worten eilte der Aedil geschäftig hinweg, gefolgt von einem langen Zuge von Klienten, welche sich durch die Toga, die sie trugen, von der übrigen Menge unterschieden; denn die Toga, einst das Zeichen der Freiheit bei einem Bürger, war jetzt das Zeichen der Unterwürfigkeit unter einen Patron.

»Armer Pansa!« sagte Lepidus, »er hat nie Zeit, sich zu belustigen; Dank dem Himmel, daß ich kein Aedil bin!«

»Ach, Glaukus! care caput! (theures Haupt!) wie geht es Dir? munter, wie immer?« fragte Klodius, sich zu der Gruppe gesellend.

»Willst Du der Fortuna ein Opfer bringen?« fragte Sallust.

»Ich opfere ihr jede Nacht!« erwiderte der Spieler.

»Ich zweifle nicht daran. Niemand hat mehr Opfer geschlachtet.«

»Beim Herkules! ein beißender Ausspruch,« rief Glaukus lachend.

»Du führst immer den Hundebuchstaben im Mund, Sallust,« sagte Klodius ärgerlich; »Du trauerst immer.«

»Wohl kann ich den Hundebuchstaben im Mund haben, da ich, so oft ich mit Dir spiele, den Hundewurf in der Hand habe,« entgegnete Sallust.

»Still!« sagte Glaukus, und nahm von einem Blumenmädchen, das neben ihnen stand, eine Rose.

»Die Rose ist das Sinnbild des Stillschweigens,« erwiderte Sallust; »aber ich sehe sie nur bei der Abendtafel gerne. Da ich gerade von der Abendtafel spreche, fällt mir bei, daß Diomed in dieser Woche ein großes Essen gibt; bist Du eingeladen, Glaukus?«

»Ja, ich habe diesen Morgen eine Einladung erhalten.«

»Ich ebenfalls,« sagte Sallust, indem er ein viereckiges Stück Papier aus seinem Gürtel zog, »ich sehe, daß er uns eine Stunde früher bittet, als gewöhnlich; ein Vorgeschmack von einem außerordentlichen Feste.«Die Römer schicken, wie wir, Einladungskarten, auf denen die Stunde der Mahlzeit angezeigt war, die, wenn das beabsichtigte Fest besonders prachtvoll sein sollte, früher als gewöhnlich Statt fand.

»Oh! er ist so reich wie Krösus,« bemerkte Klodius, »und sein Speisezettel so lang, als ein Epos.«

»Gut, wir wollen in die Bäder gehen,« sagte Glaukus; »um diese Zeit versammelt sich Alles dort, und Fulvius, dessen große Verehrer Ihr seid, wird uns seine neueste Ode vorlesen.«

Die jungen Männer nahmen den Vorschlag mit Vergnügen an, und begaben sich nach den Bädern.

Obgleich die öffentlichen Thermen oder Bäder eher für die Armen, als für die Reichen bestimmt waren, die in ihren eigenen Häusern Bäder hatten, so waren sie doch für eine Menge von Personen jeden Ranges, die sich dort versammelten, ein Lieblingsort zur Unterhaltung, und zu jenem süßen Nichtsthun, das einem harmlosen und gedankenlosen Volke so theuer ist. Die Bäder von Pompeji waren natürlich nach Plan und Construktion von den ungeheuer geräumigen und complicirten Thermen zu Rom verschieden; und es scheinen wirklich in jeder Stadt des Kaiserreichs einige leichte Abweichungen in dem allgemeinen Bauplane der öffentlichen Bäder stattgefunden zu haben. Dies befremdet die Gelehrten sehr, wie wenn Mode und Baumeister vor dem neunzehnten Jahrhundert nie launisch gewesen wären. Unsere jungen Männer traten durch den Haupteingang in der Fortunastraße ein. An der Ecke des Portikus saß der Badmeister mit seinen zwei Büchsen vor sich; die eine für das Geld, das er einnahm, die andere für die Badekarten, die er ausgab, bestimmt. Um die Wände des Portikus herum standen Bänke, die mit Personen aus allen Ständen angefüllt waren, während andere, je nach der Vorschrift des Arztes, schnell im Säulengang auf und ab spazierten, und von Zeit zu Zeit stille standen, um die zahllosen Ankündigungen von Sehenswürdigkeiten, Spielen, Verkäufen oder Ausstellungen zu lesen, die auf die Wände gemalt oder geschrieben waren. Der Hauptgegenstand der Unterhaltung war jedoch das angekündigte Schauspiel im Amphitheater, und jeder neue Ankömmling wurde von einer Gruppe festgenommen, die gierig fragte, ob Pompeji so glücklich gewesen sei, etwa einen Fall der Gotteslästerung oder des Mordes hervorzubringen, der die Aedilen in den Stand setzen würde einen Menschen für den Rachen des Löwen zu bestimmen. Alle andern mehr gewöhnlichen Schauspiele schienen dumpf und matt im Vergleiche mit der Möglichkeit eins so glücklichen Ereignisses.

»Ich für meinen Theil,« sagte ein gemüthlich aussehender Mann, ein Goldschmied, »glaube, der Kaiser, wenn er wirklich so gut ist, als man sagt, hätte uns wohl einen Juden schicken können.«

»Warum nimmt man nicht Einen von der neuen Sekte der Nazarener?« sagte ein Philosoph. »Ich bin nicht grausam, aber ein Atheist, einer, der sogar den Jupiter läugnet, verdient kein Mitleiden.«

»Es liegt mir wenig daran, an wie viele Götter zu glauben ein Mensch für gut findet,« erwiderte der Goldschmied; »aber alle Götter zu läugnen, ist etwas Schreckliches.«

»Doch bin ich der Meinung,« sagte Glaukus, »diese Leute seien keine völligen Atheisten. Man hat mich versichert, sie glauben an einen Gott, und sogar an ein zukünftiges Leben.«

»Du bist ganz im Irrthum, mein lieber Glaukus,« sagte der Philosoph; »ich habe mit ihnen Unterredungen gehabt, sie lachten mir ins Gesicht, wenn ich mit ihnen von Pluto und dem Hades sprach.«

»Oh! Ihr Götter!« rief der Goldschmied voll Entsetzen. »Gibt es in Pompeji auch solche Bösewichte?«

»Ich weiß, daß es einige gibt; aber sie halten ihre Versammlungen so geheim, daß es unmöglich ist, zu entdecken, wer sie sind.«

Beim Fortgehen des Glaukus sah ihm ein Bildhauer, ein großer Enthusiast für seine Kunst, bewundernd nach.

»Ach!« äußerte er, »wenn wir diesen auf die Arena bekommen könnten, das wäre ein Modell! welche Glieder! welcher Kopf! Er hätte ein Gladiator werden sollen! Das ist ein unsrer Kunst würdiger Gegenstand! warum wirft man den nicht dem Löwen vor?«

Unterdessen näherte sich Fulvius, der römische Dichter, den seine Zeitgenossen für unsterblich erklärten, und der ohne diese Erzählung in unserem nachlässigen Zeitalter gar nie genannt worden wäre, dem Glaukus eilig.

»Oh! mein Athener, mein Glaukus,« sagte er, »Du bist also zu Anhörung meiner Ode gekommen? Welche Ehre für mich! Du, ein Grieche, bei dem selbst die Sprache des gemeinen Lebens Poesie ist. Wie danke ich Dir! Mein Gedicht ist nur eine Kleinigkeit, aber erlange ich Deinen Beifall, so kann ich vielleicht bei Titus eingeführt werden. O Glaukus, ein Dichter ohne Patron ist eine Amphora ohne Aufschrift. Der Wein kann gut sein, aber Niemand will ihn loben, und was sagt Pythagoras: ›Den Göttern Weihrauch, den Menschen Lobsprüche!‹ Ein Patron ist also der Priester des Dichters; er verschafft ihm Weihrauch, und führt ihm Gläubige zu.«

»Aber ganz Pompeji ist Dein Patron und jeder Portikus ein Altar zu Deiner Ehre.«

»Ach! die armen Pompejaner sind sehr höflich; sie ehren das Verdienst zwar gerne, aber sie sind nur die Bewohner einer kleinen Stadt – spero meliora! Wollen wir eintreten?«

»Gewiß; wir verlieren die Zeit, so lange wir Dein Gedicht nicht hören.«

In diesem Augenblicke liefen etwa zwanzig Personen zumal von den Bädern in den Portikus, und ein an der Thüre eines kleinen Korridors aufgestellter Sklave ließ den Dichter, Glaukus, Klodius und einige andere Freunde des Dichters eintreten.

»Eine armselige Einrichtung in Vergleich mit den römischen Thermen,« sagte Lepidus verächtlich.

»Die Decke ist doch von ziemlich gutem Geschmacke,« entgegnete Glaukus, der in einer Stimmung war, in welcher ihm Alles gefiel, indem er nach den Sternen deutete, mit welchen diese Decke übersäet war.

Lepidus zuckte die Achseln, war aber zu faul, um zu antworten.

Sie traten nun in ein ziemlich geräumiges Gemach, das als Apodyterium diente, das heißt an den Ort, wo die Badelustigen sich zu ihren üppigen Waschungen vorbereiteten. Die gewölbte Decke stieg von einem Karniß auf, der mit bunten und grotesken Malereien geschmückt war. Die Decke selbst war in weiße, mit reichem Karmoisin eingefaßte Felder eingetheilt, der fleckenlose und glänzende Fußboden aber mit weißer Mosaik ausgelegt, während an den Wänden hin Bänke zur Bequemlichkeit und der Gäste standen. Dieses Gemach hatte die vielen und breiten Fenster nicht, die Vitruv seinem prachtvollen Frigidarium zuschreibt; die Pompejaner, wie alle Süditaliener, verbannten gern aus ihren Gemächern das Licht ihres schwülen Himmels, und konnten sich in ihren wollüstigen Begriffen keinen wahren Luxus ohne eine gewisse Dunkelheit denken; nur zwei Fenster von GlasDie zu Pompeji gemachten Entdeckungen haben den lange bestandenen Irrthum der Alterthumsforscher, daß die Glasfenster den Römern unbekannt gewesen seien, widerlegt. Ihr Gebrauch jedoch war in den Privatwohnungen der mittleren und unteren Volksklassen nicht gewöhnlich. ließen die sanften und milden Strahlen ein, und das Feld, in welchem eines dieser Fenster angebracht war, zeigte eine großes Relief, die Vernichtung der Titanen darstellend.

In diesem Zimmer nahm Fulvius mit ernster Miene Platz, und seine um ihn versammelten Zuhörer ermuthigten ihn, die Vorlesung zu beginnen.

Es bedurfte keiner langen Bitten bei dem Poeten. Er zog eine Papyrusrolle aus seinem Gewande hervor, räusperte sich dreimal, sowohl um Stille anzuempfehlen, als auch um seine Stimme zu klären, und begann hierauf jene herrliche Ode, von der zum großem Bedauern des Verfassers dieser Erzählung nicht ein einziger Vers mehr aufgefunden werden kann. Nach dem Beifalle, den sie erhielt, war das Werk ohne Zweifel seines Ruhmes würdig, und Glaukus der einzige Zuhörer, der sie nicht besser fand, als die schönsten Oden des Horaz.

Nach beendigter Vorlesung finden diejenigen, die nur ein kaltes Bad nehmen wollten, an, sich zu entkleiden; sie hängten ihre Kleider an Haken an der Wand auf, und begaben sich, nach dem sie je nach ihrem Stande entweder von ihren eigenen Sklaven oder von den Dienern der Bäder ein weites Gewand erhalten hatten, in jenes anmuthige, kreisförmige Gebäude, das gleichsam, um die im Baden so träge Nachkommenschaft des Südens zu beschämen, jetzt noch vorhanden ist.

Die Üppigeren traten durch eine andere Thüre in das Tepidarium, einen Ort, der theils durch bewegliche Heerde, hauptsächlich aber durch die unter dem erhöhten Fußboden fortlaufenden Heizröhren des Lakonikum in wollüstiger Wärme erhalten wurde.

Hier verweilten diese Badegäste, nachdem sie sich entkleidet, noch einige Zeit, um die künstliche Wärme der wollüstigen Atmosphäre zu genießen. Dieses Gemach nun war, entsprechend dem wichtigen Range, den es in dem langen Abschwaschungsprozesse einnahm, sorgfältiger und reicher ausgeschmückt als die übrigen. Der gewölbte Plafond war mit prachtvollen Schnitzarbeiten und Malereien verziert; die hoch angebrachten Fenster von dickem Glase ließen nur flüchtige und schwache Strahlen ein. Unter dem Karnieß befand sich eine Reihe Figuren von massiven und kühnen Reliefs; die Wände waren glühendroth und der Fußboden kunstreich mit weißer Mosaik ausgelegt. Hier verweilten die beständigen Badegäste – Leute, die sich täglich siebenmal badeten – in einem Zustande geschwächter und sprachloser Mattigkeit bisweilen vor, öfter aber nach dem Bade, und manche dieser Opfer, die der Gesundheit nachjagten, schauten die Eintretenden mit gleichgültigen Blicken an und begrüßten ihre Freunde nur mit einem Kopfnicken, indem sie die Anstrengung des Gespräches fürchteten. Von hier aus zerstreute sich die Gesellschaft von Neuem, je nach den verschiedenen Launen; die Einen begaben sich in das Sudatorium, das unsern Dampfbädern entsprach, und von da in das warme Bad selbst; die an körperlicher Übung Gewöhnteren aber, die auf eine so wohlfeil erkaufte Ermüdung verzichten konnten, gingen sogleich ins Calidarium oder Wasserbad.

Um die Skizze zu vollenden und dem Leser einen vollständigen Begriff von diesem Hauptluxus der Alten zu geben, wollen wir den Lepidus begleiten, der mit Ausnahme des kalten Bades, das erst seit Kurzem aus der Mode gekommen war, den ganzen Prozeß regelmäßig durchmachte. Nachdem der Elegant von Pompeji sich ihn dem so eben beschriebenen Tepidarium allmählig erwärmt hatte, lenkte er seine zarten Schritte nach dem Sudatorium. Hier möge sich der Leser den stufenweisen Verlauf des Dampfbades, das von einer Verdünstung seiner Parfüme begleitet war, selbst vorstellen. Nachdem unser Badgast sich dieser Operation unterworfen hatte, ergriffen ihn seine Sklaven, die ihn stets im Bade bedienten, und entfernten die auf der Haut sich zeigende Fruchtigkeit durch eine Art Schabeisen, das, beiläufig gesagt, nach der ernstlichen Angabe eines neueren Reisenden bloß dazu gedient haben soll, den Schmutz zu entfernen, von dem doch auch nicht das geringste Theilchen auf der glatten Haut eines beständigen Badgastes sich festsetzen konnte. Etwas abgekühlt begab er sich in das Wasserbad, über welches aufs Neue frische Wohlgerüche reichlich ausgegossen wurden, und wo sich, wenn er an dem entgegengesetzten Ende des Zimmers herausstieg, ein kühlender Schauer über seinen Kopf und Leib ergoß. Hierauf hüllte er sich in ein leichtes Oberkleid und kehrte noch einmal ins Tepidarium zurück, wo er den Glaukus traf, der nicht in das Sudatorium gegangen war, und jetzt begann erst der wahre, oder vielmehr übermäßige Genuß des Bades. Die Sklaven salbten die Badenden aus goldenen, alabasternen oder krystallenen, mit den köstlichsten Steinen geschmückten Gefäßen, welche die seltensten, aus allen Enden der Welt herbeigeholten Unguente enthielten. Die Zahl dieser Smegmata, deren sich die Reichen bedienten – Amoracinum, Nardum, omne quod exit in um – würde, zumal wenn derselbe bei einem Modebuchhändler erschiene, einen modernen Band anfüllen. Während dieses Alles spielte eine sanfte Musik in einem anstoßenden Zimmer, und diejenigen, welche das Bad mäßig gebrauchten, unterhielten sich, erquickt und gestärkt durch das angenehme Geschäft, mit all der Glut und Frische eines verjüngten Lebens.

»Gesegnet sei der Erfinder der Bäder,« rief Glaukus, indem er sich auf einen jener bronzenen, damals mit weichen Kissen bedeckten Sitze ausstreckte, welche die Besucher von Pompeji noch heutzutage in dem Tepidarium sehen; »sei es Herkules oder Bacchus gewesen, er verdient jedenfalls Vergötterung.«

»Aber sage mir,« begann ein fettleibiger Bürger, der unter der Operation seufzte und stöhnte, »sage mir, o Glaukus ... verflucht seien Deine Hände, o Sklave, warum so rauh? – sage mir – oh! – oh! – sind die Bäder zu Rom wirklich so prächtig?«

Glaukus wandte sich um und erkannte Diomed, jedoch nicht ohne einige Schwierigkeit, so geröthet und entzündet waren des guten Mannes Wangen durch das Schwitzbad und das kurz zuvor an ihm applizirte Reibeisen.

»Ich denke,« fuhr er fort, »sie müssen viel schöner sein als diese hier, he?«

Glaukus suchte ein Lächeln zu unterdrücken und antwortete: »Denke Dir ganz Pompeji in Bäder umgewandelt, und dann hast Du allenfalls einen Begriff von der Größe der kaiserlichen Thermen in Rom; aber auch nur einen Begriff von der Größe. Denke Dir alle Unterhaltungen des Geistes und des Körpers – zähle alle gymnastischen Spiele auf, die unsere Väter erfanden – alle Bücher, die Italien und Griechenland hervorgebracht haben – denke Dir die Räume für alle diese Spiele, die Bewunderer für alle diese Werke; ferner die ungeheuer großen Bäder, die künstlichste Construktion, und zu diesem Allem noch Gärten, Theater, Säulengänge, Schulen – stelle Dir, mit einem Worte, eine Götterstadt vor, die einzig aus Palästen und öffentlichen Gebäuden besteht, und Du wirst Dir einen schwachen Begriff von der Pracht der großen Bäder Roms bilden können.«

»Beim Herkules!« rief Diomed, ihn mit großen Augen anstarrend, »da würde ja das Baden das ganze Leben eines Menschen wegnehmen.«

»In Rom kommt das oft vor,« sagte Glaukus ernsthaft. »Dort gibt es viele Leute, die bloß in den Bädern leben. Sie begeben sich dorthin, sobald sie geöffnet werden und verlassen sie erst bei ihrem Schlusse. Man sollte meinen, das ganze übrigen Rom sei ihnen fremd und sie verachten jede andere Existenz.«

»Beim Herkules!«

»Sogar Diejenigen, welche nur dreimal täglich baden, finden Mittel und Wege, ihr Leben mit dieser Beschäftigung zuzubringen. Sie treiben sich im Ballhofe oder in den Säulengängen umher, um sich auf das erste Bad vorzubereiten, gehen in das Schauspiel, um sich nach demselben zu erholen, nehmen ihr Frühstück unter den Bäumen und denken an ihr zweites Bad. Bis dieses fertig ist, haben sie das Frühstück verdaut. Beim zweiten Bade gehen sie in eines der Peristyle, um einen neuen Dichter Verse vortragen zu hören, oder in die Bibliothek, um über einem alten einzuschlafen. Nun kommt das Abendessen, das sie nur als einen Theil des Bades betrachten, und dann gehen sie zum drittenmal ins Bad, weil sie dies für den besten Ort halten, sich mit ihren Freunden zu unterhalten.«

»Beim Herkules! Aber wir haben ihrer Nachahmer in Pompeji!«

»Ja, und ohne ihre Entschuldigung. Die prachtliebenden Lüstlinge in den römischen Bädern sind glücklich; sie sehen nichts als Pracht und Glanz und besuchen die schmutzigen Quartiere der Stadt nie; sie wissen nicht, daß es Armuth in der Welt gibt. Die ganze Welt lächelt ihnen zu und sie sehen nur einen einzigen zornigen Blick von ihr, wenn sie sie nämlich in die Bäder des Cocytus sendet. Glaube mir, dies sind die einzigen wahren Philosophen.«

Während Glaukus also redete, unterwarf sich Lepidus mit geschlossenen Augen und kaum hörbar athmend all den mystischen Operationen, von denen seine Sklaven auch nicht eine auslassen durften. Nach den Parfümerien und Salben streuten sie jenes köstliche Pulver über ihn, das der Hitze keinen weitern Zugang gestattete, und nachdem dieses durch die glatte Oberfläche des Bimssteins weggerieben worden war, begann er seine Kleider anzuziehen, jedoch nicht die abgelegten, sondern jene festlicheren, die sogenannte Synthesis, durch welche die Römer ihre Achtung gegen die herannahende Feierlichkeit des Abendessens beurkundeten, wenn letzteres nämlich nach seiner Stunde (drei Uhr nach unserer Zeitrechnung) nicht passender Mittagessen genannt werden darf. Nachdem Alles vorüber war, öffnete Lepidus seine Augen und gab Zeichen des wiederkehrenden Lebens. In demselben Augenblicke lieferte auch Sallust durch ein langes Gähnen den Beweis seiner Existenz.

»Es ist Zeit zum Abendessen,« sagte der Epikuräer; »Glaukus und Lepidus, kommt und speist mit mir.«

»Vergesset nicht, daß Ihr alle Drei in dieser Woche zu mir eingeladen seid,« rief Diomed, der auf seine Bekanntschaft mit vornehmen Leuten außerordentlich stolz war.

»Ah! Ah!« sagte Sallust, »wir vergessen es nicht; der Sitz des Gedächtnisses, mein lieber Diomed, ist gewiß im Magen.«

Hierauf wieder in die kühlere Luft und sodann in die Straße tretend, beschlossen unsere Elegants jener Tage die Ceremonie eines pompejanischen Bades.


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